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Dass Erinnerung kein Absolutheitsanspruch ist, dass sie trügt oder
zumindest eine geringe Halbwertzeit hat, zeigten nicht zuletzt die Diskussionen
um die Bewertung der DDR, welche anlässlich des imaginären fünfzigsten
Jahrestages wieder auflebten. Zwischen den Akzentuierern einer Babyjahrprogressivität
einerseits und denen der Repressionsdiktatur andererseits öffnen sich
die seit Grass topischen weiten Felder. Es gab, so der sozialwissenschaftliche
Konsens, eben nicht eine DDR, sondern bis zu sechzehn Millionen Ostdeutschlands.
Eins davon hat Frank Willmann zu umreißen versucht. Der Berliner
Autor, via Weimar durch die ostdeutsche Sozialisation gegangen, konterkariert
den ddrschmerz/ der dichter & hühner/ gackern lässt.
Der ostdeutsche Staat wird in der Lyrik Willmanns zum Panoptikum, die hehre
Chronologie der Geschichte flockt aus zu Müllerschen Inseln der Unordnung.
wachsen und werden – Ein Nachruf mit Trauerflor ist das nicht.
Eher ein Abgesang mit mal hämischer, mal mitleidiger, mal aber auch
post-traumatischer Akzentuierung. Die einhundert lyren machen klar,
dass nach der Gründung der DDR zum Regen die Traufe kam und
das sozialistische Ideal bald mit dem Bade ausgeschüttet wurde. der
besondere weg landete/ im müll, heißt es gleich zu Beginn,
und für den Autor bleibt nur noch, in dem übrig gebliebenen Haufen
des bloß Faktischen nach Verwertbarem zu suchen.
Willmann versteckt keine didaktischen Rezeptionsanweisungen und staffiert
die Verse auch nicht mit geschichtsdeutendem Intellektualismus aus. Die
hundert Strophen Abgesang sind zumeist exzellente Farcen – sarkastische
Cluster, in denen sich Staatspolitik mit den Subroutinen des Alltags in
rasanter Weise vermischt.
Mit lakonischem Ton presst Willmann Geschichte in einen Katalog von
lyrischen Sequenzen, die auf bestimmte Ereignisse, Umbrüche, Erwartungen
oder Utopiezerstörungen verweisen. Manchmal recht weitläufig,
manchmal im Detail nicht ganz plausibel, erscheint auf einmal eine ganze
40-Jahre-Tragik in nur zwei Zeilen: leider gabs … opfer beim opferabschaffen/
platzten nähte hielten dämme nicht.
Die Texte chargieren zwischen Monologen über einem konsequent
zerschredderten Geschichtsbuch und zynischen Zwiegesprächen mit den
Betroffenen aus SBZ und Nachfolgestaat. Auf dem ironisch arrangierten Trümmerhaufen
des realsozialistischen Koordinatensystems erstehen grotesk gefügte
Lyriken, die den ostdeutschen Zukunftsversuch in allen Aspekten beleuchten.
wachsen
& werden ist der Versuch einer Kulturanthropologie mittels intelligenter
Verwurstung gesellschaftlicher und politischer Eckdaten. Inmitten von Stalineskem,
Bitterfelder Wegen und den volkseigenen Nutten der Leipziger Messe ist
so noch Raum für Schuhkrisen oder eine Ode an die Massenpraline Schlagersüßtafel.
Frank Willmann formt Sprache zu Harlekinade und hintersinniger Suada.
Die Gedichte haben einen subtilen, fesselnden Rhythmus und sind frei von
privaten Befindlichkeiten und Nostalgiemomenten. Erinnerung ist hier keine
selbstverliebte Gedenktafel, sondern dezidierte Dekonstruktion jedweder
Mythen. wachsen & werden ist ein konzentriertes Sudelbuch, das
den Sozialismus dieses Jahrhunderts in vier Worten zu fassen vermag: oktober
gab oktober nahm.
Ron Winkler
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Danke.
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