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Sadisten im Schwarzrock - Mord an der Seele - Misshandlung und Sadismus
Mehr als eine halbe Million Kinder und Jugendliche teilten in den siebziger Jahren das Schicksal, in einem der über 3000 Erziehungsheime der Bundesrepublik Deutschland leben zu müssen.
Ende der sechziger Jahre lösten die späteren RAF-Terroristen Ulrike Meinhof, Andreas Baader und Gudrun Ensslin eine „Heimkampagne“ aus, mit der sie die Fürsorge-Zöglinge des hessischen Jugendheims Staffelberg zur Heimrevolte aufriefen. Das „Fanal“ war der Anfang vom Ende der autoritären Heimerziehung.
Wer in ein Heim kam, war selten Waisenkind oder kriminell, sondern nichtige Gründe konnten zur Einweisung führen. Ein gesellschaftliches Kartell aus Jugendbehörden, Gerichten, Lehrern, Nachbarn oder Kirchen bestimmten und legten fest, was gut oder böse, wer brav oder ungezogen war, ab wann ein Mädchen sexuell verwahrlost galt. Oftmals ausgelöst durch Leute, die den ganzen Tag nichts anderes zu tun hatten, als hinterm eigenen Fenster zu liegen, die Nachbarn zu beobachten und diese ob ihres Lebenswandels zu denunzieren. Uneheliche Geburt galt als Schande. „Wenn du nicht brav bist, kommst du in ein Heim“ lautete die Drohbotschaft an Millionen Kinder und Jugendliche.
Wer bis hierher geglaubt hat, nur im Osten, nur in der DDR seien Menschen erniedrigt, gedemütigt, gequält, misshandelt und ihrer Chancen beraubt worden, wird durch dieses
Buch eines Besseren belehrt.
Was seinerzeit als billige „Entsorgung“ von Störenfrieden funktionierte, kommt die Gesellschaft bis heute teuer zu stehen und die Zahl auffällig gewordener Kinder und Jugendlicher nimmt zu. Am Kern des Problems hat sich jedoch bis heute nichts geändert.
In einer aufgeklärten Gesellschaft ohne scheinbare Tabu’s ist es den Traumatisierten bis heute kaum oder nur sehr schwer möglich, über ihre Jahre in Erziehungsanstalten zu sprechen. Sie haben bis heute keine Lobby. Niemand schaut näher hin.
Besonders betroffen waren Kinder alleinerziehender Mütter und generell unehelich geborene Kinder.
Während ich das Buch und die detaillierten Berichte Gequälter lese, um das Buch anschliessend rezensieren zu können, stosse ich ab Seite 65 auf die Fotoseiten. Meine Blicke bleiben an Schwarzweiss-Fotos vom „Haus zum Guten Hirten“ in Münster hängen. Ich fasse es nicht. In diesem Erziehungsheim verbrachte meine leibliche Mutter ab ihrem 13. Lebensjahr unter der Leitung katholischer Nonnen, weil sie nach jahrelanger Vergewaltigung durch ihren Vater schwanger geworden war.
In meinen eigenen Dokumenten existieren noch aus dieser Zeit Originale, vergilbte Zettel und ein Brief mit dem Datum 05.08.1958 an ihre Mutter, die Frau meines Vaters:
“Werte Frau X., der erste Brief ihrer Tochter Y. lässt erkennen, dass sie sich schon gut einge-lebt hat. Es ist ihr hier reichlich Gelegenheit gegeben, für die Zukunft vieles zu lernen. Hoffentlich nutzt sie die Zeit gut aus, auch zur Bildung ihres Charakters, damit wir sie ihnen später als ein braves, tüchtiges Mädchen zurückgeben können...
Mit freundlichen Grüßen, die Schwestern vom Guten Hirten.“
Nicht die jahrelange Vergewaltigung eines Kindes hat Gerichte, Jugendbehörden, Lehrer und Nachbarn interessiert, sondern die Schande der nichtehelichen Schwangerschaft liess sie handeln.
Nicht Hilfe, sondern Strafe inform von Zwangserziehung war die Reaktion der Gesellschaft, wie sie in diesem Buch in vielen erschütternden Details zusammengetragen ist, von denen alle Heiminsassen betroffen waren.
Jürgen Bartsch, der ebenfalls Heimkind war und in den sechziger Jahren vier Kinder ermordete, war lt. Alice Miller kein geborener Mörder, sondern seine Aggressionen die Folge von Bedrohung, tiefer Demütigung, Vernichtung der Würde, Entmachtung und Ängstigung eines kleinen Jungen in Lederhosen, der er einst gewesen war. In einem Brief an seine Adoptiveltern, die den Zehnjährigen wegen Erziehungsschwierigkeiten 1956 in ein Heim gaben, schrieb Bartsch: “Ihr hättet mich nie zu diesen Sadisten im Schwarzrock schicken dürfen...“
Nur selten stehen Prominente zu ihrer Heimvergangenheit. Mario Adorf war ein uneheliches Kind, dazu noch von einem Italiener und kam mit drei Jahren in einen düsteren, katholischen Basaltbau und blieb vor Prügeln nicht verschont. Seine Erinnerungen, die er auch in seiner Autobiografie „Himmel und Erde“ schildert, unterscheiden sich kaum von denen anderer Heimkinder.
Als der Wiesbadener Markus Homes den Versuch unternahm, seine Heimerlebnisse in einem großen Verlag zu veröffentlichen, hetzten ihm die betroffenen Dernbacher Schwestern einen Anwalt auf den Hals. Der für den Druck der ersten Auflage gewonnene katholisch orientierte Patmos-Verlag sagte die zweite Auflage ab.
Viele Heimkinder von einst haben bis heute nicht über das Trauma ihrer Kindheit sprechen können. Ihre Erlebnisberichte enthüllen das vielleicht größte Unrecht, das jungen Menschen in der Bundesrepublik angetan wurde und das endlich als solches anerkannt werden sollte.
Der eigentliche Skandal liegt darin, dass die Beteiligten von damals darauf bauen können, dass die Akten weitgehend vernichtet sind. Kaum ein Heim besitzt aus dieser Zeit noch Unterlagen. Einige verweigerten sowohl den Betroffenen wie auch Journalisten jeglichen Einblick, auch weil man inzwischen betagte ErzieherInnen schonen will.
Das aber wäre unerlässlich, denn ändern kann sich nur etwas, wenn die Betroffenen aufstehen und es schaffen, ihr Schweigen zu brechen und die Beteiligten mit dem zugefügten Unrecht und dessen Auswirkungen und Folgen konfrontieren. Viele Einrichtungen sind inzwischen durch neue ersetzt oder modernisiert, die modernen ErzieherInnen können sich an diese Zeit tatsächlich nicht erinnern. Eine Diskussion und Thematisierung im präventiven und rehabilitierenden Sinne wäre aber sehr wichtig, auch aus Solidarität mit Betroffenen der damaligen Zustände. Der Autor Peter Wensierski hat diesen Anfang gemacht. Er bietet mit seinem Buch eine wichtige Plattform, falls man diese will.
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