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Urlauber sind die Pest. Selbst wer als Urlauber irgendwo unterwegs ist,
kommt um die Erkenntnis nicht drumherum. Wer möchte schon gern die
Pest sein? Aber was bleibt einem übrig, wenn man nicht für immer
zu Hause bleiben will, im alten Leben? Es sei denn, man machte es wie die
Erzählerin in Birgit Vanderbekes neuem Buch ‚‚Ich sehe was, was
du nicht siehst". Es sei denn, man verließe das alte Leben wirklich
Eine Frau ist mit ihrem Kind erst ein bisschen weggegangen, nämlich
nach Berlin, und jetzt will sie weiter, damit sie sich nicht irgendwann
traurig fragen muss, ‚‚wo ist das Leben bloß hin?" Die Wohnung
ist ihr gekündigt worden, der Briefträger war eh zu faul, in
ihr Stockwerk im Hinterhaus zu steigen, die ‚‚Grundschulgaby" des
Kindes geht ihr auf die Nerven ebenso wie die spießigen Nachbarn
und die unspießigen Freunde, die Frau will, dass ‚‚alles anders"
wird, verdient noch etwas Geld mit einer Sendereihe über Kunst für
Kinder, die den Titel des alten Kinderspiels ‚‚Ich sehe was, was du
nicht siehst" trägt, dann packt sie sich, das Kind und die Katze
ins Auto und fährt in ihr neues Leben. Als sie dort nächtens
ankommt, hängen dicke, torkelnde Sterne über dem Haus, und hinfort
wird sie sich fragen, ob sie nicht in Wahrheit grün sind, wie bei
van Gogh, obwohl sie doch weiß, dass es bei seinem Gemälde ‚‚Sternennacht
über der Rhône'' nur am Zerfall der Pigmente liegt.
Die Frau fragt sich überhaupt immerzu, was sie wirklich sieht,
und das betrifft nicht nur die Sterne und die Pappelreihe, die am Horizont
schimmert, sondern auch das Bild des fremden Landes, das sie von zu Hause
mitgebracht hat und nun mit dem vergleichen muss, was sie tatsächlich
vorfindet. Auf diese Weise gelingt es Birgit Vanderbeke, all die beliebten
Südfrankreichklischees zwar ins Spiel zu bringen, ihnen aber keineswegs
auf den Leim zu gehen, wie ja ihre lakonische, scheinbar naive, in Wahrheit
aber sehr kunstvolle Erzählweise ihren Lesern auch schon in früheren
Büchern ( zuletzt ‚‚Alberta empfängt einen Liebhaber") schöne
Überraschungsmomente beschert hat.
Ob das Leben nicht überhaupt aus Klischees bestehe, diese Frage
stellt sich allerdings zwingend bei dieser Lektüre. Die Berliner Intellektuellen
sind paranoid, die Rundfunkredakteure haben Angst um ihre Jobs. Das Häuschen
in Frankreich ist klein und bescheiden, die Franzosen sind kinder-, tier-und
fremdenfreundlich, die deutschen Bekannten sind verwöhnt, die Touristen
sind die Pest, die Liebe am Vormittag will erst wieder gelernt sein. -
Und ist es nicht wirklich so?
Aber es ist eben auch alles ganz anders. Es gibt Gewitter, in denen
die Welt unterzugehen droht, die fremde Katze stinkt, weil sie schwer verletzt
ist, die Kleinstadt ist auch in der Fremde kleinstädtisch, und im
Herbst werden alle zu Holzsammlern, weil es im Winter so richtig kalt wird.
Und irgendwann merkt die Frau, ‚‚dass ich Angst hatte, weil ich weggegangen
war und weil man nicht so einfach weggehen kann, sondern die Angst mitnimmt".
Dass man noch längst nicht irgendwo dazugehört, weil man weiß,
dass der Schinken scheibenweise statt grammweise gekauft wird.
Ich sehe was, was du nicht siehst, jeder sieht, was der andere nicht
sieht, so ist es. Ich sehe was, was du nicht siehst, so heißt das
Spiel, das Birgit Vanderbeke mit uns spielt, und wie sie es spielt, wie
sie die für jeden so ganz unterschiedlichen Schichten der Wirklichkeit
zur Sprache bringt, das ist kein Kinderspiel und offenbart, auch in diesem
neuen kleinen Buch, einige Meisterschaft.
Julia Schröder
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Danke.
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