Birgit Vanderbeke

Gut genug

Kurzprosa. Rotbuch Verlag, Berlin. ISBN: 3-880-22795-0

Birgit  Vanderbeke: Gut genug

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Ja, das Glück der Mutterschaft . . . der Mythos ist nicht auszurotten: verträumte Innenschau voller Vorfreude aufs im eigenen Körper heranwachsende Leben, innige Verbindung zwischen Leibesfrucht und Schwangerer - Pustekuchen. "Ich hätte niemals geglaubt, daß ich ein Kind kriegen würde. Daß man das überhaupt kann. Daß man eine Biologie an sich hat. Also ich. Es war ein Skandal, das gesagt zu bekommen. Außerdem wollte ich keins." Auch Frauen sind nicht von vornherein zu erfolgreichen Müttern geboren, sondern womöglich bereits mit der Bewältigung der eigenen Existenz ausgelastet. Die Erfahrungstatsache wird gern verschwiegen, aus welchen Gründen auch immer, und wie wäre sie auch zu vermitteln?
Es sei denn, man machte es so wie Birgit Vanderbeke in ihrem dritten größeren Erzähltext "Gut genug", die kulturkonservative wie feministische Biologisten mit schön schnoddriger, wenn auch scheinhafter Naivität einfach entwaffnet. Und nicht nur die, sondern auch jeden Leser, der damit rechnet, daß anspruchsvolle Prosa heutzutage mit einiger Prätention daherzukommen habe, mit der postmodernen Pose des coolen Durchblickens, des wissenden "intertextuellen Bezugs" auf allerlei anderen möglichst modischen Schnickschnack.
Vanderbeke verzichtet darauf, die Ich-Erzählerin fortgesetzt vorführen zu lassen, wie sehr ihre Schöpferin Bescheid weiß, und zeigt statt dessen Rat- und Hilflosigkeit, Ängste, Verstörung. Heraus kommen dabei, man glaubt es kaum, knapp 110 sehr lustige Seiten.
Auf denen geht es die ganze Zeit eigentlich nur um "die Reproduktion, wobei Reproduktion heißt: das Kinderkriegen". Nicht eben originelle Themenstellung, sollte man meinen. Die werdende Mutter (ihr Lebenspartner ebenso, ist der Gerechtigkeit halber hinzuzufügen) erlebt den normalsten Vorgang der Welt, sollte man meinen. Aber was heißt schon normal? "Ich habe gesagt, das glauben Sie doch wohl selber nicht, daß das ein natürlicher Vorgang ist" - so fährt die Frau ihren Arzt an - "im Gegenteil, habe ich gesagt, es ist etwa der widernatürlichste Vorgang, der sich nur denken läßt. Geradezu antinatürlich. Nicht daß eine Abtreibung machen ein natürlicher Vorgang ist, habe ich gesagt, aber eine Abtreibung machen ist immer noch natürlicher, als sie nicht zu machen und statt dessen ein Kind zu kriegen. Am natürlichsten ist weder noch." Sie bekommt das Baby. Damit fangen die Schwierigkeiten erst an. Eines der Hauptprobleme ist die im Dasein als Hausfrau und Mutter drohende "Verblödung". Am Schluß kann das Kind, genannt Floh, laufen, und die weiterhin ratlosen Eltern haben sich, erschöpft, aber nicht ganz unglücklich, mit der Lage arrangiert: "Ich hatte nach den paar Jahren gelernt, so zu tun, als ob ich die Mutter wäre. A. C. hat gesagt, ich tu so, als ob ich der Vater wäre, weil wir immer noch nicht wußten, wie es geht, und es aufgegeben hatten, jemanden zu suchen, den wir fragen könnten." Dabei gibt es reichlich Figuren, die vorgeben, sich mit dem Kinderkriegen auszukennen, Mütter, Schwestern, Kollegen, Ratgeberschreiber. Doch die guten Ratschläge prallen einfach ab am Erleben der Betroffenen, an ihrem gnadenlos genauen Hinschauen und Benennen - das sich im übrigen auf den Verlauf der Schwangerschaft nicht beschränkt.
Die Prosa der 1956 geborenen Autorin ist gelegentlich mit der Thomas Bernhards verglichen worden. Tatsächlich erinnert Vanderbekes Suada mit ihren zahlreichen Wiederholungen und Variationen, ihren lakonischen Feststellungen an den manischen Erzählingrimm des Österreichers. Im Unterschied zu Bernhard ist es aber nicht misanthropischer Pessimismus, der die Perspektive bestimmt, sondern ein unverstellter, manchmal doch wieder warmherziger Blick auf die Dinge (und zwar alle möglichen). Er stellt - indirekt, im Gestus der Frage - jede liebgeworden-bequeme gesellschaftliche Verabredung zur Disposition, ein Verfahren, das die unterschwellige Ironie des Textes bewirkt: "Die siebziger Jahre waren um. In den siebziger Jahren war es eine Zeitlang Mode gewesen, Kinder zu kriegen. Das hörte dann wieder auf. Eine Weile lang war alles mögliche psychosomatisch. Manches bloß simuliert."
So schleicht sich die Kritik an der bundesrepublikanischen Gesellschaft, an ihren scheinbar so betonsicheren Übereinkünften durch die Hintertür einer auf den ersten Blick zeitlosen Geschichte ein. Die Erzählerin Birgit Vanderbeke hat dafür einen überraschend eigenständigen Ton gefunden.

Julia Schröder






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