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Ja, das Glück der Mutterschaft . . . der Mythos ist nicht auszurotten:
verträumte Innenschau voller Vorfreude aufs im eigenen Körper
heranwachsende Leben, innige Verbindung zwischen Leibesfrucht und Schwangerer
- Pustekuchen. "Ich hätte niemals geglaubt, daß ich ein
Kind kriegen würde. Daß man das überhaupt kann. Daß
man eine Biologie an sich hat. Also ich. Es war ein Skandal, das gesagt
zu bekommen. Außerdem wollte ich keins." Auch Frauen sind nicht
von vornherein zu erfolgreichen Müttern geboren, sondern womöglich
bereits mit der Bewältigung der eigenen Existenz ausgelastet. Die
Erfahrungstatsache wird gern verschwiegen, aus welchen Gründen auch
immer, und wie wäre sie auch zu vermitteln?
Es sei denn, man machte es so wie Birgit Vanderbeke in ihrem dritten
größeren Erzähltext "Gut genug", die kulturkonservative
wie feministische Biologisten mit schön schnoddriger, wenn auch scheinhafter
Naivität einfach entwaffnet. Und nicht nur die, sondern auch jeden
Leser, der damit rechnet, daß anspruchsvolle Prosa heutzutage mit
einiger Prätention daherzukommen habe, mit der postmodernen Pose des
coolen Durchblickens, des wissenden "intertextuellen Bezugs" auf allerlei
anderen möglichst modischen Schnickschnack.
Vanderbeke verzichtet darauf, die Ich-Erzählerin fortgesetzt vorführen
zu lassen, wie sehr ihre Schöpferin Bescheid weiß, und zeigt
statt dessen Rat- und Hilflosigkeit, Ängste, Verstörung. Heraus
kommen dabei, man glaubt es kaum, knapp 110 sehr lustige Seiten.
Auf denen geht es die ganze Zeit eigentlich nur um "die Reproduktion,
wobei Reproduktion heißt: das Kinderkriegen". Nicht eben originelle
Themenstellung, sollte man meinen. Die werdende Mutter (ihr Lebenspartner
ebenso, ist der Gerechtigkeit halber hinzuzufügen) erlebt den normalsten
Vorgang der Welt, sollte man meinen. Aber was heißt schon normal?
"Ich habe gesagt, das glauben Sie doch wohl selber nicht, daß
das ein natürlicher Vorgang ist" - so fährt die Frau ihren
Arzt an - "im Gegenteil, habe ich gesagt, es ist etwa der widernatürlichste
Vorgang, der sich nur denken läßt. Geradezu antinatürlich.
Nicht daß eine Abtreibung machen ein natürlicher Vorgang ist,
habe ich gesagt, aber eine Abtreibung machen ist immer noch natürlicher,
als sie nicht zu machen und statt dessen ein Kind zu kriegen. Am natürlichsten
ist weder noch." Sie bekommt das Baby. Damit fangen die Schwierigkeiten
erst an. Eines der Hauptprobleme ist die im Dasein als Hausfrau und Mutter
drohende "Verblödung". Am Schluß kann das Kind, genannt Floh,
laufen, und die weiterhin ratlosen Eltern haben sich, erschöpft, aber
nicht ganz unglücklich, mit der Lage arrangiert: "Ich hatte nach
den paar Jahren gelernt, so zu tun, als ob ich die Mutter wäre. A.
C. hat gesagt, ich tu so, als ob ich der Vater wäre, weil wir immer
noch nicht wußten, wie es geht, und es aufgegeben hatten, jemanden
zu suchen, den wir fragen könnten." Dabei gibt es reichlich Figuren,
die vorgeben, sich mit dem Kinderkriegen auszukennen, Mütter, Schwestern,
Kollegen, Ratgeberschreiber. Doch die guten Ratschläge prallen einfach
ab am Erleben der Betroffenen, an ihrem gnadenlos genauen Hinschauen und
Benennen - das sich im übrigen auf den Verlauf der Schwangerschaft
nicht beschränkt.
Die Prosa der 1956 geborenen Autorin ist gelegentlich mit der Thomas
Bernhards verglichen worden. Tatsächlich erinnert Vanderbekes Suada
mit ihren zahlreichen Wiederholungen und Variationen, ihren lakonischen
Feststellungen an den manischen Erzählingrimm des Österreichers.
Im Unterschied zu Bernhard ist es aber nicht misanthropischer Pessimismus,
der die Perspektive bestimmt, sondern ein unverstellter, manchmal doch
wieder warmherziger Blick auf die Dinge (und zwar alle möglichen).
Er stellt - indirekt, im Gestus der Frage - jede liebgeworden-bequeme gesellschaftliche
Verabredung zur Disposition, ein Verfahren, das die unterschwellige Ironie
des Textes bewirkt: "Die siebziger Jahre waren um. In den siebziger
Jahren war es eine Zeitlang Mode gewesen, Kinder zu kriegen. Das hörte
dann wieder auf. Eine Weile lang war alles mögliche psychosomatisch.
Manches bloß simuliert."
So schleicht sich die Kritik an der bundesrepublikanischen Gesellschaft,
an ihren scheinbar so betonsicheren Übereinkünften durch die
Hintertür einer auf den ersten Blick zeitlosen Geschichte ein. Die
Erzählerin Birgit Vanderbeke hat dafür einen überraschend
eigenständigen Ton gefunden.
Julia Schröder
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Danke.
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