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"Die blutjunge Marianna weiß eins schon genau: Sie will nicht in der russischen Provinz versauern, sondern in der Hauptstadt ein berühmter Filmstar werden. Sie will Blumen, Verehrung und ein großes Publikum und alle, alle, alle sollen sie lieben..." "Tatjana und Mischa sind das Traumpaar des russischen Eistanzes. Sie tanzen sich von Sieg zu Sieg - bis Mischa sich in eine andere Läuferin verliebt und mit ihr weitertanzt..." "Eine junge Schauspielerin lernt über die Arbeit an ihrem Drehbuch einen um vieles älteren Regisseur kennen, in den sie sich unsterblich verliebt..."
Kann man heute noch wirklich neue erfrischende Liebesgeschichten erzählen? Angesichts der Inflation hundert- und aberhundertfacher Ausfertigung im täglichen Fernsehprogramm und in den Auslagen der Buchhandlungen? Und dazu noch im Klischee-trächtigen Künstlermilieu? Man kann. Viktorija Tokarjewa kann. Und tut es seit vielen Jahren, ohne dabei an Originalität und Temperament eingebüßt zu haben. Sie tut es gewissenhaft, aber mit einer mehr als erträglichen Leichtigkeit. Sie tut es unsentimental, aber mit spürbarer (Hoch-) Achtung vor dem Kosmos der Gefühle rund um Begegnungen und Verbindungen, Beziehungen und Bindungen, Trennungen und Verluste. Natürlich - auch Viktorija Tokarjewa schreibt von der Sehnsucht nach Großen Gefühlen, aber stets gespiegelt an der Mühsal profaner Alltäglichkeit. Ihre Geschichten handeln mehr von der Möglichkeit Großer Gefühle als von diesen selbst. Von der Möglichkeit und Vergänglichkeit von Glück inmitten des Ozeans der Vergeblichkeiten. Ihre Figuren lustwandeln nicht im Paradies auf Erden: Verletzungen, Schmerz, Sucht, Eifersucht, Einsamkeit... das gesamte Arsenal zur Verfügung stehender Leidensquellen und Seelenqualen gehört zu ihrem Täglichen Brot. Aber sie versinken auch nicht in Leid und Selbstmitleid, denn eines haben Viktorija Tokarjewas Figuren alle gemein: der "Fahrtenschreiber" ihrer Gefühlslagen und -schwankungen verzeichnet stets kräftige Ausschläge. Zickzack der Liebe hieß (bezeichnenderweise) der erste in deutscher Übersetzung erschienene Erzählband - und meint nichts anderes.
Bereits mit achtzehn hatte die in St.Petersburg geborene Viktorija Tokarjewa einen Moskauer Physiker geheiratet, den sie gerade mal zwei Tage kannte. Zunächst in Moskau als Klavierlehrerin tätig (15 Schüler zweimal die Woche, 30mal die gleichen Etüden, "es war trommelfellschädigend") ließ sie sich später an der Moskauer Filmhochschule zur Drehbuchautorin ausbilden. Ihre ersten Erfolge ließen nicht lange auf sich warten und machten sie in ihrer Heimat schon bald außerordentlich populär - so populär, dass sie heute zusammen mit Mann, Tochter und Enkelin zeitweilig auf einer Datscha an einem geheimen Ort lebt. Auch im Ausland gilt Viktorja Tokarjewa als eine der, wenn nicht die wichtigste Gegenwartsautorin Russlands. Trotzdem ist sie in Deutschland von einem größeren Publikum erst noch zu entdecken.
Viktorija Tokarjewa beherrscht die Kunst des Weglassens, sie vertraut auf den "Raum zwischen den Zeilen". Dieser sparsame Stil unterscheidet ihre Geschichten wohltuend von den vielen bemüht-pathetischen oder aber hochnäsig-spöttelnden Beziehungsdramen. "Psychologische Studien, die traurig und humorvoll die Diskrepanz zwischen Alltag und Glück ausleuchten, zwischen dem Lebensmöglichen und den hungrigen Sehnsüchten nach dem Absoluten" so umschrieb eine Kritikerin des Basler Volksblattes einmal treffend Tokarjewas Geschichten.
Eine temperamentvolle Mischung aus Poesie und Realismus kennzeichnet alle ihre Erzählungen, denen man die filmische Ausbildung der Autorin anmerkt: Es reiht sich Bild an Bild, nur das Wesentliche wird erzählt, die Figuren kommen nie zur Ruhe. Einen Eindruck hiervon mag einem breiteren Publikum die im Auftrag des ZDF unter dem Titel "Schwiegermutter" verfilmte Erzählung "Je suis, tu es, il est" aus dem 1993 veröffentlichten Band "Sag ich's oder sag ich's nicht?" vermitteln können. Sie wird in der ZDF-Reihe "Der Fernsehfilm der Woche" (montags um 20.15 h) ausgestrahlt werden, das genaue Datum steht noch nicht fest. Dagmar Hirtz hat Regie geführt, in der Hauptrolle wird Christiane Hörbiger zu sehen sein.
Vielleicht wird dieser Filmbeitrag zur besten Sendezeit bei dem (der) einen oder anderen das Interesse an weiteren Erzählungen der Tokarjewa wecken. Es wäre dieser Autorin zu wünschen, die ihr ganzes Schaffen so wunderbar einfach auf den Punkt bringt: "Liebe und Tod - alles andere kann man vergessen. Andere Themen sollte es nicht geben, sie sind ausgedacht und künstlich."
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Danke.
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