Ludwig Tieck

Des Lebens Überfluß

Klassiker. Basse & Lechner, München. 80 Seiten. 27.00 EUR . ISBN: 3-927578-32-0

Ludwig  Tieck: Des Lebens Überfluß

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Der Münchner Basse & Lechner Verlag hat sein dreizehntes Buch herausgegeben, eine aufwendig gestaltete Ausgabe von Ludwig Tiecks ‘Des Lebens Überfluß’ aus dem Jahr 1839. Und sogleich drängt sich die Frage auf:

Warum?

Denn: Die Erzählung gehört weder zu Tiecks Haupt- noch seinen Meisterwerken und ist außerdem auch anderswo im Handel zu haben. Will uns der Verlag bedeuten, dass bei der Qualität der Neuerscheinungen, die tagtäglich so neu erscheinen, einzig der Griff zum Altbewährten den Leser vor Verzweiflung und Wahnsinn retten kann? Sind exquisit gestaltete Bücher das einzige Mittel, ihn (den Leser nämlich) von Computer-Bildschirm und Hörbuch wieder zurück zum eigentlichen Lesen mit dem Buch in der Hand zu bewegen? Ist das Wiederauflegen klassischer Werke ein Aufschrei der Empörung gegen die neue Rechtschreibung? Soll sich der Leser an die eigene Nase fassen, wenn er für 27 Euro ein Buch mit dem Titel ‘Des Lebens Überfluß’ erwirbt, das anderenverlagsorts für ein Vierzehntel des Preises zu haben wäre (das Buch, nicht das Leben)?

Wir werden’s vorab nicht herausrätseln und beginnen daher lieber (wenngleich noch ein wenig stirnrunzelnd) mit der Lektüre:

Clara und Heinrich, zwei wahre Romantiker, sitzen in ihrem Zimmer und haben kein Geld, das heißt, sie haben bereits so wenig Geld, dass es um das täglich Brot nicht sonderlich gesichert steht. Außerdem ist es Winter, und da hätte man gerne ein warmes Feuer im Ofen, wozu man allerdings Brennholz braucht, was ebenfalls wieder an den schnöden Mammon gebunden ist. All dies ist aber nur halb so wild, denn es gibt ja die Liebe:

“So ist die Armut mit unsrer Liebe eins geworden, und dieses Stübchen, unser Gespräch, unser Anblicken und Schauen in des Geliebten Auge ist unser Leben.”

Also sind unsere Helden heiter und spielen und interpretieren alle Unbill herunter, die ihnen das Leben so bietet, und machen für sich das Beste daraus: Wenn man beispielsweise kein Buch zu lesen hat (weil das Geld fehlt), schreibt man halt selbst eins, und wenn dafür Papier und Federkiel fehlen (des fehlenden Geldes wegen), dann liest man eben – auch das kann sehr erbaulich sein – die letzten Einträge ins eigene Tagebuch, “das ich ehemals anlegte, und es interessiert mich, rückwärts zu studieren, mit dem Ende anzufangen und mich so nach und nach zu dem Anfange vorzubereiten, damit ich diesen um so besser verstehe.”

Auf diese Art und Weise erfährt und versteht zumindest der Leser (und natürlich die Leserin), wie es gekommen ist, dass unsere Freunde so verarmt sind, und warum sie nicht einfach hinausgehen aus ihrem Zimmerchen, um Geld zu verdienen.

Sie sitzen also tagaus, tagein in ihrem Zimmer, erzählen sich ihre Gedanken, Ansichten und Träume, freuen sich über die einfachen Dinge des Lebens und haben sich lieb. Das Problem ist nur, dass der Winter gar nicht aufhören will und das Flämmchen im Ofen immer kleiner wird. In erster Linie fehlt es also an Brennholz, und da Heinrich ein findiges Kerlchen ist, findet er zunächst (es ist wirklich am Naheliegendsten) das Treppengeländer, das man ohnehin nie benutzt, und schließlich die ganze Treppe, die gleichfalls überflüssig scheint und gleichfalls Wärme spenden kann, wenn man sie nur entsprechend verwertet.

Schon bald tritt jedoch der ständige Gegenspieler der typischen romantischen Jünglinge (und ihrer Geliebten) auf den Plan, der prosaische Mensch oder Philister, der für all diese Romantik und Pragmatik gar keinen Sinn hat – es ist Claras und Heinrichs Vermieter, der von einem Kuraufenthalt zurückkehrt, und mit dem es sich nun zu arrangieren gilt:

“Was ist Raum? Ein Unbedingtes, ein Nichts, eine Form der Anschauung. Was ist eine Treppe? Ein Bedingtes, aber nichts weniger als ein selbständiges Wesen, eine Vermittlung, eine Veranlassung, von unten nach oben zu gelangen, und wie relativ sind selbst diese Begriffe von oben und unten. Der Alte wird es sich nimmermehr ausreden lassen, daß dort, wo jetzt nur eine Lücke ist, ehemals eine Treppe gestanden habe; er ist gewiß zu empirisch und rationalistisch, um einzusehen, daß der wahre Mensch und die tiefere Intuition der gewöhnlichen Übergänge jener armseligen, prosaischen Approximation einer so gemeinen Stufenleiter der Begriffe nicht bedarf. Wie soll ich ihm das alles von meinem höhern Standpunkte auf seinem niedern da unten deutlich machen?”

Tja, wie? Wir wollen nicht allzu viel vorwegnehmen, der geneigte Leser (und natürlich auch die geneigte Leserin) mag sich das Buch ruhig selbst zu Gemüte führen. Soviel nur sei verraten: Das Ende ist ein wahrhaft romantisches in jeglichem Wortsinn.

Wie gesagt: Lies das Buch nur, geneigter Leser, denn während der Lektüre wird dir auch klar werden, inwiefern sich diese Ausgabe von Tiecks Erzählung von allen anderen so wohltuend abhebt. Auf der Wasserzeichenebene der graphischen Hintergrundgestaltung wird die Handlung zeichnerisch nochmals illustriert: Während der Lesung aus dem Tagebuch baut sich langsam – Seite für Seite – die Treppe auf, die zum Verständnis der beiden Liebenden hinführt. Und sobald Heinrich beginnt, zunächst Hand, dann Säge und Beil an die Treppe anzulegen, wird auch die gezeichnete Treppe, derer nun auch wir nicht länger bedürfen, von unten her aufgelöst. Den meisten Seiten ist symbolisch ein Motto vorangestellt, Säge, Beil, Eisblume etc. Und wie man auch ansonsten das Buch drehen und wenden mag, man findet nur Vorzüge: Neben der graphischen Gestaltung liegt es angenehm in der Hand – ein ansprechendes Schriftbild, feines Papier...

Der prosaische Mensch wird wohl die Kosten scheuen und zu Reclam oder den Hamburger Leseheften greifen, der wahre Romantiker und Bibliophile aber wird seine wahre Freude an dieser Ausgabe haben.

Dieter Lohr




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