Klaus Theweleit

Ghosts / Drei leicht inkorrekte Vorträge

Undefined. Stroemfeld/Roter Stern, Frankfurt a.M.. ISBN: 3-878-77744-2

Klaus  Theweleit: Ghosts / Drei leicht inkorrekte Vorträge

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Ghosts, „drei leicht inkorrekte Vorträge“ (1997/98), verführen leserfreundlich zum fraktalen, wilden, subversiven Denken von Klaus Theweleit (*1942, Ebenrode/Ostpreussen), dem Verfasser der Männerphantasien, einer bahnbrechenden Aufarbeitung des Faschismus, und des Buchs der Könige, des im deutschen Sprachraum bislang monumentalsten Versuchs zur Aufdeckung der Zusammenhänge zwischen Macht und Genie, Medien und Geschichte. Ghosts erforscht mediale Veränderungen, Verschiebungen „im kollektiven (wie im einzelnen) >>Gedächtnis<<“ primär der letzten 30 Jahre: am Fallbeispiel RAF, an den Wechseln in den sexuellen Phantasien und an der Differenzierung des Massen-Begriffs durch den der Serie.

Der RAF-Vortrag zeichnet die Radikalisierung der linken Extremisten im ideologischen Vakuum des zersplitterten SDS (Sozialistischer Deutscher Studentenbund) nach. Theweleit analysiert das totalitäre, ausschliessende, letztlich tödliche „Zwangssystem des Abweichungsverbots“ in der abgeschotteten Terrorgruppe und schliesst dieses „Zwangssystem“ kurz mit den Ausgrenzungsmustern, den Blockbildungen stalinistischer und faschistischer Herrschaftspraxis. Daraus entwickelt er eine Kritik an denjenigen Intellektuellen, Künstlern und Literaten, die, analog zur Randständigkeit der eigenen Position, zu einer Identifizierung mit der RAF neigen, dabei aber das heisse Eisen der Tötung unberührt lassen, also mit einer gefährlichen Blindstelle operieren. So sagt Theweleit im Blick auf den deutschen Kunstmaler Gerhard Richter: „Die Angst, des Malers, mit der eigenen Produktion in Belanglosigkeiten zu verfallen, nimmt sich einen Komplex wie die >>RAF<< zum Sujet nicht wegen einer Übereinstimmung mit ihren Zielen oder Ideen, sondern aus einer abstrakten Identifikation mit deren exzeptioneller Lage (..); aber mit der >>Politik<< dieser Toten ist Richter nicht mehr verbunden als, sagen wir, Benn mit der tatsächlichen Politik Hitlers 1934. Beide verbinden sich abstrakt mit einem Gespenst.“ In dieser Form abstrakter Solidarisierungen deckt Theweleit den Mangel des „Realitätszeichens“ genauso messerscharf auf, wie er zeigt, dass das öffentliche Interesse im Blick auf die RAF noch immer „kein Geschichts-Bild“ einfordert, sondern nur ein medial perpetuiertes „Opferritual“ zur Sicherung des Status quo.

The times they are a-changin‘“, weiss der kluge Dylan-Fan Theweleit auch im Hinblick auf die Sexualisierung zu sagen, die in den Jugendbewegungen der 50er und 60er Jahre aufgebrochen ist und heute den westlichen Alltag codiert wie in keiner Epoche zuvor. Um eine Deterritorialisierung in den Machtzonen zu erwirken galt es zu Beginn des Aufbruchs Intellekt und Bett zu „salzen“, den Diskurs sexuell aufzuladen und autonome Liebesformen zu entwickeln: gegen die gewaltträchtige Verklemmtheit der Sexualität der nach wie vor etablierten Kriegsgeneration. Heute aber, wo „der Begriff >>des Perversen<< sich mehr oder weniger aufgelöst hat ins Feld der verlangbaren und zu bezahlenden Dienstleistungen hinein“, gilt es den „Väterschutz“, den die allgemeine Sexualisierung ökonomisch, rollenspezifisch, politisch etc. inzwischen betreibt, zu unterwandern, nicht zuletzt durch deren lustfreundliche theoretische Erhellung. „Die Gewalt muss hervorgeholt werden, um verwandelt werden zu können“, gilt im Hinblick auf Sexualität damals wie heute.

Eher in historiographischer Erweiterung denn in einer Verwerfung des von Elias Canetti entwickelten Massentheorems fokussiert Theweleit im dritten Vortrag auf das neue, identitätsstiftende Phänomen der Serialität. In der Serie zerfällt der „kulturkonservative“ Gegensatz zwischen Masse und Individuum, die Gleichheit wird zum Erkennungs-, zum Markenzeichen, zum Wert. Walter Benjamins Furcht vor dem Aura-Verlust des Originals durch Reproduktion zerschlug sich. „Je mehr >>copies sold<<, desto grösser die Aura. Das Wort dafür lautet heute zwar anders, Kult; der lebt aber nicht vom Einzelstück, sondern von seinem Vorkommen in hoher Frequenz.“ Serien bilden die Medien nicht nur ab, sie stellen sie vielmehr her und steuern ihre Ausbreitung; es ist Klaus Theweleits Verdienst, dass er uns nicht nur auf die Gefahren dieser „Viren“ aufmerksam macht, sondern auch auf Chancen, die sie bergen: „Lustserien, endlos und geschlechtlich unbestimmt wie die Kronendeckel der Flaschen, der Flaschen, die unentwegt von den Bändern laufen, eine so gut wie die andere, keine Königsflasche dabei. Jede ist es.

         Florian Vetsch






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