Dieses Buch Freunden weiterempfehlen.
Dieses Buch kaufen bei Amazon.de
Buy Quentin Tarantino: Kill Bill Vol.2 at Amazon.com (USA)
Weitere Buchbesprechungen bei Amazon.de.
Quentin Tarantino und seine Produzenten haben wieder zugeschlagen und den zweiten Teil ihrer Kill Bill Saga in die Kinos gebracht.
Es ist schon beeindruckend, wie der Meister mit den Klischees, die sich bei uns Zuschauern zu den verschiedensten Filmthemen gebildet haben, virtuos umgeht, sie miteinander verbindet, hochrechnet und in der ihm eigenen Weise mit den kleinen Widrigkeiten des Alltags mischt.
Die entflammte Debatte über Gender-Kommunikationsstrategien bindet er in beiden Teilen ebenso ein wie die spätestens seit Schindlers Liste aufgelebte schwarz-weiß Filmerei oder gar Comic-Sequenzen. Und seine bekannten exzessiven Gewaltdarstellungen überzieht er nun völlig, sowohl was die Dauer des Abschlachtens (einmal fast eine viertel Stunde) als auch was die Darstellung (Blutfontänen wie aus dem Gartenschlauch) anlangt. Das will gar nicht mehr ernst genommen werden. Das will unsere illusorischen Erwartungen spiegeln.
Tarantino kann zugleich mehrere Dinge richtig gut: Das Genre eines Films erfassen, dieses Genre auf den Kern reduzieren und dann diesen Kern mit den Kernen anderer Genres verschmelzen - eine Art cineastischer Kernfusion, die ihm zunehmend besser gelingt. Er hat weiter ein Händchen für Zitate und Hommages. Eigentlich ist an dem Faden seiner Handlung eine Hommage an die andere gereiht, und zwar auf verschiedenen Ebenen: Als Szene, als Person der Handlung oder des Schauspielers; als Werbefilmzitat oder als Dialog, von entweder philosophischer Weite oder geradezu banaler Alltäglichkeit.
Gerade letzteres ist nachgerade die spezielle Eigenheit der Tarantino-Filme - inzwischen allerdings auch schon auf breiter Ebene von anderen kopiert oder aufgegriffen.
Als sich in “Reservoir Dogs” die Protagonisten, während sie eigentlich einen Überfall planen, über die richtige Höhe des Trinkgelds minutenlang ausließen, so dass es zur eigenen Szene wird, war das noch völlig neu. Ebenso die Kopie von Kaffeewerbung, wie sie den Verlauf der Handlung von Pulp Fiktion plötzlich und unerwartet brüskiert, indem Harvey Keitel, der es wieder mal als Cleaner richten soll, nun schon als zweiter die Vorzüge des Geschmacks des eben angebotenen Kaffees lobt. Als Till Schweiger & Co dieses Spielen mit Kopien im “Eisbär” mit Zigarettenwerbung ihrerseits kopieren wollten, brach dort die Handlung lediglich zusammen. Wenn nun aber in Kill Bill die Schwierigkeiten des Umgangs mit einem Schwangerschaftsschnelltest eingebaut werden, unterbricht das die Handlung nicht mehr, sondern führt sie nachgerade fort, indem dieses gemeinsame Unwissen die beiden gegnerischen Killerinnen als Frauen plötzlich und unerwartet zusammenführt. Wer gemeinsam den ersten Schwangerschaftstest kapiert hat, kann nun unmöglich noch aufeinander ballern.
Natürlich muss der Film auch das verbreitete Blondinen-Klischee zitieren und persiflieren, wenn Bills Bruder Budd (Michael Madsen ist da sehr authentisch - er spielt eigentlich nur sich selbst) seinen Eindruck von der Heldin zusammenfasst: “Ich sagte nicht, dass sie eine kluge Blondine ist, sondern ich sagte nur, dass sie die klügste sei, die ich kenne!” Die andere Blondine (Daryl Hannah), an die er sich mit dieser Replik wendet, hat zu diesem Zeitpunkt schon ihre tödlichen Fallstricke um ihn gelegt.
Auch greift der Regisseur gern die neu aufgeflammte Wiederentdeckung der unterschiedlichen Kommunikationsstrategien von Männern und Frauen auf, wenn ein paar Szenen früher Budds Kumpel erklärt, wie die weibliche “Bestrafung durch Schweigen” funktioniert.
Aber es ist eben nicht nur diese Komposition aus Klischees, diese ständigen Zitate und Hommages, dieses Abfahren auf aktuelle Debatten, Werbebotschaften und Banalitäten des Alltags, die Tarantinos Film auszeichnen.
Es scheint kaum glaubhaft, dass das geht, und doch ist es gerade die Fähigkeit, aus all dem einen eigenen Film mit eigenen Qualitäten zu schaffen, die Quentin Tarantino zu einem Meister machen. Er ist kein Genie - das ist Quatsch. Genies gab es auch beim Film: Leute wie Eisenstein und Starewich gehörten zweifellos dazu. Quentin Tarantino hat eine andere Qualität: Er ist ein Meister.
Auch wenn es in seinen Filmen eigentlich keine good guys gibt, bringt er durchaus positive Botschaften. Er versteht es, die Paradoxie, die Mephisto im Faust beschreibt, umzusetzen: “Ich bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft.”
Völlig verwirrend setzt er David Carradine als Bill ein. Der als Kwai Chang Caine in Kung Fu bekannte ewig Gute ist hier wieder mal der Böse. Aber wenn er erst mal los spielt, möchte man auf seine Bosheit nun wirklich nicht mehr schwören. Ein einfühlsamer Vater und besorgter Liebhaber, der seine dunklen Seiten fast perfekt in der Beherrschung hat und vielleicht gerade deshalb von seiner Ex-Geliebten als das Böse an sich getitelt wird. Doch sein Credo beim Fangschuss, den er ihr setzt, ist zugleich seine Überschrift: “Ich bin ... (indem ich dich töte) ... nicht sadistisch, sondern zutiefst masochistisch.”
Und dazu läuft mädchenstimmhaft Nancy Sinatras “Bang, Bang”:
Er ist jetzt weg, weiß nicht, warum / ich hör bis jetzt nicht auf zu schrein’n / Er schaute auch nicht noch mal rein / Die Lüge war ihm glatt zu dumm.
Bang Bang, er schoss mich ab / Bang Bang, ich fiel ins Grab / Bang Bang, der Sound ging ab / Bang Bang, mein Baby schoss mich ab.
Ich war fünf und er war sechs / wir spielten Steckenpferd relaxed / Seins war schwarz und meines weiß / Er siegte immer, und ich fiel aufs Steiß.
Die Kindheit ging, der Frühling kam / Ich wurde Frau und er mein Mann / Immer soll er fröhlich grien’n: / Denk dran, wie wir früher spiel’n!
Bang Bang, ich schoss dich ab / Bang Bang, du fielst ins Grab / Bang Bang, der Sound ging ab / Bang Bang, ich schoss dich spielend ab.
...
Oder nehmen wir die kindheitstraumatisierte Killerin O Ren Ishii (Lucy Lu in ihrer bisher besten Rolle). Hochgearbeitet zur Yakuza-Chefin setzt sie sich, in wohlverstandenem Eigeninteresse, dermaßen konsequent gegen jede Form von Rassismus ein, dass ich sie hiermit zur Ehrenvorsitzenden des “Vereins Miteinander e.V.” - einem in Sachsen-Anhalt bislang vor sich hinschwächelnden Antidiskriminierungskränzchen mit Ambitionen auf staatliche Zuschüsse - vorschlage.
Als der Yakuza-Bos Matsumoto O Ren Ishii wegen ihrer chinesisch-japanisch-amerikanischen Herkunft beleidigt, reagiert sie besonnen und durchdringend konsequent zugleich. Dem Vorbild Matsumotos folgend, schweigen die übrigen Bosse hinfort zu diesem Punkt, und das Thema Rassismus ist innerhalb der Yakuza durch. Besser kann man nicht ausdrücken, dass man Nazis nicht durch Auslandsurlaub und verständnisvolle Gespräche überzeugen kann.
Auch die Rache der blonden weißen Frau (selbst hochtrainiert: Uma Thurman) beim Abschlachten ihrer Gegnerinnen verteilt sich gerecht auf alle Rassen: Schwarze, mandeläugige und ihresgleichen. Ebenso die spärlich vorkommende Solidarität und Sympathie.
Das Thema von Kill Bill ist die Rache. Die Rache einer Frau, die als Kriegerin ausgebildet, eigentlich Killerin ist.
Das heißt: Sie kämpft nicht für einen Zweck, sondern weil es ihr Job ist. Und sie hat eigentlich keine Feinde. Nur Ziele.
Dann aber, als ihr das Liebste, ihr Kind nebst ein paar Freunden deren einen sie heiraten wollte, geraubt ist, kämpft sie für einen Zweck. Vordergründig für den Zweck der Rache. Hintergründig aber ist diese Rache nur der Weg, auf dem sie, für sich selbst nicht sichtbar, die Wiedererlangung ihrer Identität als Mutter und den Schutz ihres Kindes verfolgt.
Zeichenhaft stirbt sie während dieser Wandlung. Mehrfach. Und ersteht wieder auf mit quasi übermenschlichen Fähigkeiten, die sie sich dem Grunde nach schon in ihrem Vorleben angeeignet hatte, aber bislang nur unqualifiziert zu nutzen wusste. Phoenix perfektioniert sich.
Jetzt richtet sich ihre Rache gegen alles, was ihr früher lieb und wichtig war: Sie tötet es. Und sie verspürt dabei sogar Lust. Frei ist sie erst, als sie ihr Vorleben völlig hinter sich gebracht hat.
Dass sie dies nahezu allein schafft (nur ein Gott gab ihr die Waffe) ist das, was die kathartische Wirkung dieses Epos ausmacht: So wie sie wären wir gern. Das putzt durch. Das reinigt.
Und da wir nie so sein werden, arbeiten sich die Schauspieler ersatzweise für uns auf der Leinwand ab. Wir gehen wieder aus dem Kino und bleiben friedlich. Statt zu kämpfen, stecken wir ein. Wieder und wieder. Bis wir daran verrecken. Insofern fließt vor der Leinwand viel mehr Blut als darauf. Und das, was hier fließt, ist kein Ketchup.
Reinhard W. Moosdorf
Bücher neu und gebraucht bei amazon.de |
|
|
Bücher gebraucht oder neu bei booklooker.de |
Ihr Kauf bei unseren Shop-Partnern sichert das Bestehen dieses Angebotes.
Danke.
Weitere Rezensionen in der Kategorie: DVD
Quentin Tarantino: Kill Bill Vol.2
Buy Quentin Tarantino: Kill Bill Vol.2 at Amazon.com (USA)
carpe librum ist ein Projekt von carpe.com und © by Sabine und Oliver Gassner, 1998ff.
Das © der Texte liegt bei den Rezensenten. - Wir vermitteln Texte in ihrem Auftrag. - librum @ carpe.com
Impressum -- Internet-Programmierung: Martin Hönninger, Karlsruhe -- 19.06.2012