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"Krzyzacy"
– Die Kreuzritter
Bei diesem Titel mag man leicht an die Kreuzzüge in das Heilige Land denken,
doch der Roman "Die Kreuzritter" von Henryk Sienkiewicz bezieht sich auf die
Ritter des Deutschen Ordens, deren brutales Vorgehen und die zur Schau gestellte
Arroganz und Selbstherrlichkeit bei der Bekehrung von Heiden und vermeintlichen
Heiden einen bleibenden Eindruck in der polnischen Volksseele hinterlassen
haben. Das Wort "Krzyzacy" ist zu einer Verwünschung geworden.
Das Buch erzählt die Geschichte des polnischen Ritters Zbyszko und seines Oheims
Macko, die in den Jahren 1386 (nach der Vereinigung Polens und Litauens unter
Großfürst Jagiello) bis zur Schlacht von Grünwald / Tannenberg 1410 (die
entscheidende Niederlage des Deutschen Ordens) nicht nur ihr heruntergekommenes
Gut Bogdaniec auf Vordermann bringen, sondern nach vielen Kämpfen gegen den
Orden auch ihr privates Liebesglück finden.
Der Autor
Henryk Sienkiewicz (5. Mai 1846 – 15. November 1916) wurde in der polnischen
Provinz Podlachien in Wola Okrzejska geboren und stammte aus bescheidenen
Verhältnissen. Er ging in Warschau zur Schule und studierte dort Literatur und
Geschichte. Später arbeitete er als Hauslehrer und Journalist. Seine
journalistische Tätigkeit führte ihn 1876 für zwei Jahre nach Kalifornien, im
Anschluss kehrte er nach Europa zurück, bereiste Galizien und verweilte mehrere
Monate in Paris. In den Jahren 1884 bis 1886 schrieb er eine historische
Trilogie ("Mit Feuer und Schwert", "Die Sintflut", "Herr Wolodyjowski"), die den
Leser in das Polen des 17. Jahrhunderts führte und Kriege gegen Kosaken,
Schweden und Türken schilderte. Diese Bücher wurden unter großem Druck
geschrieben, denn er litt unter Geldmangel, die teuren Kuren seiner an
Tuberkulose erkrankten Frau Maria, die er 1881 geheiratet hatte, hätte er sonst
nicht finanzieren können. Sie starb dennoch 1885.
Nach einer Afrikareise 1891 erschien im selben Stile 1900 "Die Kreuzritter".
Polen existierte zu dieser Zeit nicht als souveräner Staat, 1815 wurde es im
Wiener Kongress zwischen Preußen, Österreich und Rußland quasi gedrittelt, erst
der 1. Weltkrieg ermöglichte die Gründung eines neuen, vereinten polnischen
Staates. Wie bereits seine erste Trilogie ist dieser Roman stark nationalistisch
angehaucht, erinnert an die glorreiche Vergangenheit und große polnische Siege,
und muss als Produkt der Umstände und der Zeit, in der er geschrieben wurde,
angesehen werden.
1895 schrieb Henryk Sienkiewicz seinen bekanntesten Roman, "Quo Vadis", für den
er 1905 "auf Grund seiner großartigen Verdienste als epischer Schriftsteller"
den Literaturnobelpreis erhielt. Der Roman wurde 1951 durch die gleichnamige
Verfilmung mit Sir Peter Ustinov in der Rolle des Nero bis in unsere Zeit
bekannt erhalten. Sienkiewicz starb 1916 im schweizerischen Vevey, seine
Literatur ist heute fester Bestandteil des Unterrichts in polnischen Schulen.
Historischer Roman oder patriotisches Heldenepos?
Der Roman "Krzyzacy" ist dreigeteilt. Der erste Teil beschreibt die damalige
Situation Polens, das ein gigantischer und blühender Flächenstaat war, der
größte Europas. Dies führte zwangsläufig zum Konflikt mit dem Deutschen Orden,
der sehr weltliche Interessen in dieser Region hatte. Der Orden hatte in den
Jahrzehnten zuvor durch politisch bedeutsame Großmeister wie Hermann von Salza
die Gunst des Papstes und des deutschen Kaisers gewonnen, die ihnen mit den
goldenen Bullen von Rieti und Rimini garantierten, dass nach der Unterwerfung
und Missionierung des Baltikums und der Pruzzen (Preußen) das eroberte Land an
den Orden falle. Der polnische Herzog Konrad I. von Masowien rief 1226 die
Kreuzritter zur Unterstützung seiner Kreuzzüge gegen die Heiden in das Land –
und man bekam sie in der Folge nicht mehr los, der Ordensstaat entstand auf dem
Gebiet Ostpreußens, ein Gebilde, das man als den ersten weltlich orientierten,
fundamentalistischen Gottesstaat der Christenheit bezeichnen könnte.
Die Arroganz und Selbstherrlichkeit der Kreuzritter, die über Jahrzehnte bei der
einheimischen Bevölkerung zunehmend unbeliebt wurden, findet ihren Ausdruck auch
in diesem Buch. So kommt es zu einer Streitigkeit mit einem Gesandten des
Ordens, der beim König Zbyszkos Tod einfordert, das Recht auf seiner Seite, aber
hinterhältig, ehrlos und intrigant, ohne jegliche Spur der Ritterehre, die
unserem Helden so viel bedeutet. Zbyszko wird durch seine angebetete Danusia
gerettet, eine Tochter des Jurand von Spychow, den erbarmungslosesten Streiter
wider den Deutschen Orden.
Viele der damaligen Bräuche des Rittertums zeigt Sienkiewicz in diesem Teil, er
charakterisiert auch die Hauptfiguren: Den schönen, starken, ehrenhaften, aber
leider nicht mit "hoher Denkkraft" gesegneten Zbyszko, und seinen Oheim Macko,
der diesen Mangel mehr als kompensiert. Dieser ist verzweifelt über Zbyszko, der
sich einer Minderjährigen angelobt hat, deren Vater Jurand ihm gar nicht ihre
Hand geben will. Ist doch die schöne Jagienka mehr als bereit, ihn zu nehmen –
mitsamt einer Mitgift, die Bogdaniec sanieren könnte. Doch der arg einfältige
Zbyszko pocht auf seine Ritterehre und Treue zu seiner unerreichbaren Braut,
Macko verzweifelt …
"Höre, Bursche! Um deinen Kopf ist es mir leid, aber nicht um deinen
Verstand, denn du bist so dumm wie ein Schaf!"
Im zweiten Teil kommt es zur Katastrophe: Die Kreuzritter rauben Danusia, um
Jurand zu erpressen und ihn an weiteren Raubzügen zu hindern. Zbyszko macht sich
auf zur Rettung seiner Herrin, die schwer enttäuschte Jagienka schickt ihm
dennoch zu seiner Unterstützung den bärenstarken Böhmen Hlawa als Knappen. Hier
zeichnet sich der weitere Tenor des Buches ab. Der historische Charakter tritt
hinter sehr subjektive Beschreibungen der Akteure zurück. So werden nahezu alle
Kreuzritter ähnlich charakterisiert: Stark, arrogant, selbstherrlich. Alle
polnischen Ritter dagegen als klug, besonnen und noch kampfkräftiger.
"Welch merkwürdige Natur doch ein solcher Kreuzritter besitzt! (…) Sobald es
ihm schlecht geht, ist er so sanft wie ein Franziskaner. Demütig wie ein Lamm,
süß wie Honig, zeigt er sich einem jeden gegenüber, als der nachsichtigste,
beste Mensch erscheint er. Kaum ist er sich jedoch seiner Macht bewußt, tritt er
aufs hochmütigste auf, erweist er sich als erbarmungslos, so daß man glauben
könnte, der Herr Jesus habe ihm einen Kieselstein, statt eines Herzens
verliehen. (…) Starr und unbeugsam sind die Kreuzritter! Haltet eure Faust über
sie, sonst ergeht es auch schlimm!"
Die Charakterisierung des Ordens und seines Wirkens sind sicher nicht falsch,
aber einseitig und bewusst überspitzt, Schwarzweißmalerei par excellence. Was
leider die Charaktere so berechenbar macht, dass die Geschichte darunter leidet.
Der dritte Teil beginnt nach der Rettung Danusias und gibt der Dreiecksbeziehung
Zbyzsko, Jagienka und Danusia eine neue Wendung, ist aber weitgehend
handlungsarm – die Ruhe vor dem Sturm, der das Finale einläutet:
Die Schlacht bei Tannenberg zwischen Jagiello und Ordensmeister Ulrich von
Jungingen, die sich gemäß gängiger Praxis schon rein von Habitus, Gestik, Mimik
und den ihnen in den Mund gelegten Worten als klar definierter Held und Feind
darstellen. Die eigentliche Schlacht verläuft eher enttäuschend. Heldentum rückt
an die Stelle von Taktik und Strategie, schwerwiegende taktische Fehler der
Kreuzritter werden nicht erwähnt, die größte Schlacht dieser Zeit wird zu einer
Abrechnung, bei der das Eingreifen der polnischen Ritter der Allianz aus
Litauern und zahlreichen anderen kleineren Völkern, teils Heiden, zum Sieg über
die verhassten Deutschen und ihre Verbündeten verhilft. Das letzte Kapitel
erzählt davon, dass Zbyszko noch lange genug lebte, um die endgültige
Vertreibung des Ordens aus der Marienburg mitzuerleben.
Durchaus gelungen, trotz dumpfen Pathos
Das Buch hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Sienkiewicz hat nicht umsonst
einen Literaturnobelpreis gewonnen, mich persönlich stört jedoch bei "Die
Kreuzritter", dass die angenehm präsentierten historischen Begebenheiten mit
Beginn des zweiten Teils deutlich durch eine fast reine Romanhandlung mit
historischem Hintergrund ersetzt werden, die zwar mit sympathischen
Heldenfiguren aufwarten kann und blendend erzählt ist, aber durch die
simplifizierte Verdammung der Kreuzritter und üble Nationalismen ein wenig
vergällt wird. Hier wird der Roman sehr episch, hierfür hat Sienkiewicz ein
Talent, wie der Nobelpreis beweist, aber in diesem Kontext wirkt das alles schon
eher pathetisch. Der dritte Teil ist handlungsarm und sehr langweilig, der
vermeintliche Höhepunkt bei Tannenberg trieft nur so vor Heldenpathos,
vernachlässigt eine spannende Erzählung und war für mich eine herbe
Enttäuschung.
Keineswegs enttäuschend ist hingegen die Qualität des Hardcovers an sich:
Übersetzung und Lektorat sind hervorragend. Die Fußnoten des Übersetzerduos
Ettlinger weisen oft auf tatsächliche historische Fakten hin oder geben
hilfreiche Erklärungen, das altmodische Deutsch ist sehr gut lesbar, ohne seinen
Charakter zu verlieren: So rufen die Recken gerne "Juchhei", neigen Jungfrauen
ihre "Köpfchen", zweifelt Macko an der "Denkkraft" seines Bruders. Die 672
Seiten sind von hoher Papier- und Druckqualität, der Einband ist ohne
Schutzumschlag mit einem Bild der Schlacht bunt bedruckt versehen. Leider
knirscht er ein wenig, was auf mich den Eindruck einer nicht ganz
vertrauenserweckenden Bindung macht. Dem gegenüber steht der mit 7,95 EUR
wirklich sensationell günstige Preis für ein Hardcover. Derselbe Preis wird vom
area-Verlag auch für das noch umfangreichere "Ein Kampf um Rom" von Felix
Dahn veranschlagt, sowie für alle weiteren Bände der historischen Reihe, die ein
einheitliches Coverdesign aufweisen.
Trotz genannter Schwächen gefiel mir der Roman gut. Wer mehr über "klassische"
Kreuzzüge lesen möchte, sollte jedoch lieber zu dem insgesamt besseren "Der
Kreuzritter – Das Tagebuch des Roger von Lunel" von Stephen J. Rivelle greifen.
Schade, ein wenig mehr der gelungenen Historie und viel weniger Seifenoper
hätten dem Roman gut getan, der dann trotz des im Kontext der Entstehung
verständlichen Nationalismus eine eindeutige Empfehlung, nicht zuletzt wegen des
sehr guten Preis-Leistungs-Verhältnisses, hätte sein können.
Der Deutsche Orden
http://de.wikipedia.org/wiki/Deutscher_Orden
Henryk Sienkiewicz
http://de.wikipedia.org/wiki/Henryk_Sienkiewicz
Michael Birke [16.09.2004]
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Danke.
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