Dieses Buch Freunden weiterempfehlen.
Dieses Buch kaufen bei Amazon.de
Buy Zeruya Shalev: Liebesleben at Amazon.com (USA)
Weitere Buchbesprechungen bei Amazon.de.
Eine Geschichte, wie sie überall auf der Welt passieren kann: Die
junge Frau, verheiratet, schön, intellektuell, begegnet einem Studienfreund
ihres Vaters, beginnt eine leidenschaftliche Affäre mit dem doppelt
so alten Mann, der sie alles zu opfern bereit ist, Ehe, Universitätskarriere,
Freunde, Eltern. Das geht so ein paar Monate voller Demütigungen und
Unterwerfungsakte, schließlich beendet sie die Beziehung. Allerdings
spielt die Geschichte in Israel, meist in Jerusalem, und Ja'ara, die Ich-Erzählerin,
die dem alternden Arie verfällt, ist Bibelwissenschaftlerin. Was das
bedeutet, wird sich zeigen.
Eine Obsession also, was könnte eindeutiger sein? Mann trifft
Frau, Feuer bricht aus, rauchende Trümmer, etwa die des gemütlich
eingerichteten Ehe- und Wissenschaftlerinnenlebens, bleiben zurück,
was schert es die beiden, Liebe besiegt alles, als Erstes, zum Vergnügen
des Lesers, das Schamgefühl. Man kennt das und hat es schon hundert
Mal gelesen. - Aber was ist das:
‚‚Und wieder fragte er, warum, was liebst du an mir? Und wie immer
fing ich an, mich zu winden, zurückgestoßen von seinem Bedürfnis,
jedesmal wieder zu hören, wie großartig er in meinen Augen war,
noch dazu, wo es bei weitem nicht der Wahrheit entsprach, ich hielt ihn
für egozentrisch, rücksichtslos, kindisch, hochmütig und
herzlos, aber das durfte ich mit keinem Wort erwähnen.''
Ja'ara ist nicht blind. Sie sieht jede Falte und jede Schuppe, jeden
Altersfleck und jede Warze, sie wird Zeugin seiner Schwäche. Aber
das hilft ihr nichts, im Gegenteil, ebenso wenig wie ihre Schlauheit, ihre
Vorsicht, ihr Ekel. Alles warnt sie vor diesem ‚‚Löwen" (wie der
Namen Arie zu übersetzen wäre), diesem grauhaarigen, graulippigen
Mann mit dem Brandgeruch und den immerfort schläfrig hängenden
Lidern, der für sie das Vergnügen des Jägers an der Beute
übrig hat, und sie zieht ihn doch allem anderen vor, nicht zuletzt
dem etwas langweiligen, aber lieben Ehemann Joni. Warum nur?
Zeruya Shalev, so heißt die Autorin dieses erstaunlichen Romandebüts
‚‚Liebesleben", erzählt eine scheinbar ganz einfache Geschichte -
und gibt doch Rätsel um Rätsel auf. Was fesselt Ja'ara an Arie,
und warum lässt er sie zappeln? Ist es nur die Tatsache, dass er,
wie er sagt, so satt ist und sie so hungrig? Was hat der Mann mit ihren
Eltern zu tun? Was will er überhaupt von ihr? Steckt vielleicht ein
finsterer Plan hinter den Prüfungen, die er ihr zumutet? - Ja'ara
gebraucht, wenn es um den Eintritt in die eigenen Lebensmöglichkeiten
geht, gelegentlich die auch anderwärts beliebte Metapher des Tores.
Und Arie hat die Tasche voller Schlüssel.
Treffend werden Wahnzustände und Peinlichkeiten ausgemalt, die
kennen lernt, wer sich auf solche Geschichten je einlässt; um ihn
zu sehen, malt sie sich aus, solle ihr Vater ihr zuliebe sterben, damit
man sich bei der Beerdigung treffen und trösten kann; willenlos lässt
sie sich von ihm zu einem weiteren alten Freund ihres Vaters schleppen
und gibt sich den beiden alten Männern hin; in seinen Armen versäumt
sie hochwichtige Termine mit ihrem Doktorvater; sie besucht seine todkranke
Frau im Krankenhaus, um hinter sein Geheimnis zu kommen, und als diese
gestorben ist, sperrt er sie in seinem Schlafzimmer ein, während die
Trauergesellschaft, darunter ihre Eltern, sich im Wohnzimmer versammelt.
Das Großornament dieses Romangewebes ist die Amour fou, wie die
Weltliteratur sie kennt. Aber inner- und unterhalb werden ganz andere,
überraschende Fäden gezogen, die am Ende ihre eigenen Muster
bilden: das Kindheitsmuster der geschlagenen Familie, der die männliche
Erstgeburt, Ja'aras kleiner Bruder Abschalom, genommen wird; das Muster
der Schuld der Väter (und Mütter), die auf die Kinder kommt;
die Erklärungsmuster der gehobenen Küchenpsychologie, die Arie
plötzlich an Ja'ara hinpredigt; die biblischen Geschichten um die
Tempelzerstörung und die damit zerstörten Biografien, über
die Ja'ara ihre Abschlussarbeit schreiben will - sie alle tragen dazu bei,
der alten Geschichte eine fesselnde perspektivische Tiefe zu geben.
Je stärker die Vorstellung von Schuld und Schicksal sich bei der
zunächst so modern scheinenden jungen Frau verdichtet bis zum alttestamentlich
anmutenden, generationsübergreifenden Zusammenhang von Tun und Ergehen,
desto mehr Kontur gewinnt die Stadt, in der sie spielt - Zeruya Shalev
macht das mit derselben atemlosen Lust an sinnlicher Schilderung, die sie
auch auf die Begegnung der Körper verwendet: Aus einem kleinen Seitenfenster
in der Universität sieht Ja'ara Jerusalem, den ‚‚Tempelberg mit
der von düsteren Bäumen umgebenen Kuppel, die versunkene Stadt
Davids, und drumherum schmale Straßen, auf denen Autos langsam entlangzufahren
schienen wie bei einer Beerdigung, und die neue Stadt verschluckte das
Gold mit langen scharfen Goldzähnen, Türme und Hochhäuser,
und dazwischen sahen rote verblichene Dächer hervor wie Anemonen auf
einer Wiese am letzten Tag des Frühlings, und ich öffnete das
Fenster und streckte den Kopf hinaus, um diesem strahlenden Bild näher
zu sein und die weiche Frühlingsluft einzuatmen, eine duftende Luft
mit einem leichten Geruch nach Rauch..."
Julia Schröder
Bücher neu und gebraucht bei amazon.de |
|
|
Bücher gebraucht oder neu bei booklooker.de |
Ihr Kauf bei unseren Shop-Partnern sichert das Bestehen dieses Angebotes.
Danke.
Weitere Titel von und Rezensionen zu Zeruya Shalev
Weitere Rezensionen in der Kategorie: Roman
Buy Zeruya Shalev: Liebesleben at Amazon.com (USA)
carpe librum ist ein Projekt von carpe.com und © by Sabine und Oliver Gassner, 1998ff.
Das © der Texte liegt bei den Rezensenten. - Wir vermitteln Texte in ihrem Auftrag. - librum @ carpe.com
Impressum -- Internet-Programmierung: Martin Hönninger, Karlsruhe -- 19.06.2012