Zeruya Shalev

Liebesleben

Roman. Berlin Verlag, Berlin. ISBN: 3-827-00277-

Zeruya  Shalev: Liebesleben

Dieses Buch Freunden weiterempfehlen.

Dieses Buch kaufen bei Amazon.de

Buy Zeruya Shalev: Liebesleben at Amazon.com (USA)

Weitere Buchbesprechungen bei Amazon.de.

Eine Geschichte, wie sie überall auf der Welt passieren kann: Die junge Frau, verheiratet, schön, intellektuell, begegnet einem Studienfreund ihres Vaters, beginnt eine leidenschaftliche Affäre mit dem doppelt so alten Mann, der sie alles zu opfern bereit ist, Ehe, Universitätskarriere, Freunde, Eltern. Das geht so ein paar Monate voller Demütigungen und Unterwerfungsakte, schließlich beendet sie die Beziehung. Allerdings spielt die Geschichte in Israel, meist in Jerusalem, und Ja'ara, die Ich-Erzählerin, die dem alternden Arie verfällt, ist Bibelwissenschaftlerin. Was das bedeutet, wird sich zeigen.
Eine Obsession also, was könnte eindeutiger sein? Mann trifft Frau, Feuer bricht aus, rauchende Trümmer, etwa die des gemütlich eingerichteten Ehe- und Wissenschaftlerinnenlebens, bleiben zurück, was schert es die beiden, Liebe besiegt alles, als Erstes, zum Vergnügen des Lesers, das Schamgefühl. Man kennt das und hat es schon hundert Mal gelesen. - Aber was ist das:
‚‚Und wieder fragte er, warum, was liebst du an mir? Und wie immer fing ich an, mich zu winden, zurückgestoßen von seinem Bedürfnis, jedesmal wieder zu hören, wie großartig er in meinen Augen war, noch dazu, wo es bei weitem nicht der Wahrheit entsprach, ich hielt ihn für egozentrisch, rücksichtslos, kindisch, hochmütig und herzlos, aber das durfte ich mit keinem Wort erwähnen.''
Ja'ara ist nicht blind. Sie sieht jede Falte und jede Schuppe, jeden Altersfleck und jede Warze, sie wird Zeugin seiner Schwäche. Aber das hilft ihr nichts, im Gegenteil, ebenso wenig wie ihre Schlauheit, ihre Vorsicht, ihr Ekel. Alles warnt sie vor diesem ‚‚Löwen" (wie der Namen Arie zu übersetzen wäre), diesem grauhaarigen, graulippigen Mann mit dem Brandgeruch und den immerfort schläfrig hängenden Lidern, der für sie das Vergnügen des Jägers an der Beute übrig hat, und sie zieht ihn doch allem anderen vor, nicht zuletzt dem etwas langweiligen, aber lieben Ehemann Joni. Warum nur?
Zeruya Shalev, so heißt die Autorin dieses erstaunlichen Romandebüts ‚‚Liebesleben", erzählt eine scheinbar ganz einfache Geschichte - und gibt doch Rätsel um Rätsel auf. Was fesselt Ja'ara an Arie, und warum lässt er sie zappeln? Ist es nur die Tatsache, dass er, wie er sagt, so satt ist und sie so hungrig? Was hat der Mann mit ihren Eltern zu tun? Was will er überhaupt von ihr? Steckt vielleicht ein finsterer Plan hinter den Prüfungen, die er ihr zumutet? - Ja'ara gebraucht, wenn es um den Eintritt in die eigenen Lebensmöglichkeiten geht, gelegentlich die auch anderwärts beliebte Metapher des Tores. Und Arie hat die Tasche voller Schlüssel.
Treffend werden Wahnzustände und Peinlichkeiten ausgemalt, die kennen lernt, wer sich auf solche Geschichten je einlässt; um ihn zu sehen, malt sie sich aus, solle ihr Vater ihr zuliebe sterben, damit man sich bei der Beerdigung treffen und trösten kann; willenlos lässt sie sich von ihm zu einem weiteren alten Freund ihres Vaters schleppen und gibt sich den beiden alten Männern hin; in seinen Armen versäumt sie hochwichtige Termine mit ihrem Doktorvater; sie besucht seine todkranke Frau im Krankenhaus, um hinter sein Geheimnis zu kommen, und als diese gestorben ist, sperrt er sie in seinem Schlafzimmer ein, während die Trauergesellschaft, darunter ihre Eltern, sich im Wohnzimmer versammelt.
Das Großornament dieses Romangewebes ist die Amour fou, wie die Weltliteratur sie kennt. Aber inner- und unterhalb werden ganz andere, überraschende Fäden gezogen, die am Ende ihre eigenen Muster bilden: das Kindheitsmuster der geschlagenen Familie, der die männliche Erstgeburt, Ja'aras kleiner Bruder Abschalom, genommen wird; das Muster der Schuld der Väter (und Mütter), die auf die Kinder kommt; die Erklärungsmuster der gehobenen Küchenpsychologie, die Arie plötzlich an Ja'ara hinpredigt; die biblischen Geschichten um die Tempelzerstörung und die damit zerstörten Biografien, über die Ja'ara ihre Abschlussarbeit schreiben will - sie alle tragen dazu bei, der alten Geschichte eine fesselnde perspektivische Tiefe zu geben.
Je stärker die Vorstellung von Schuld und Schicksal sich bei der zunächst so modern scheinenden jungen Frau verdichtet bis zum alttestamentlich anmutenden, generationsübergreifenden Zusammenhang von Tun und Ergehen, desto mehr Kontur gewinnt die Stadt, in der sie spielt - Zeruya Shalev macht das mit derselben atemlosen Lust an sinnlicher Schilderung, die sie auch auf die Begegnung der Körper verwendet: Aus einem kleinen Seitenfenster in der Universität sieht Ja'ara Jerusalem, den ‚‚Tempelberg mit der von düsteren Bäumen umgebenen Kuppel, die versunkene Stadt Davids, und drumherum schmale Straßen, auf denen Autos langsam entlangzufahren schienen wie bei einer Beerdigung, und die neue Stadt verschluckte das Gold mit langen scharfen Goldzähnen, Türme und Hochhäuser, und dazwischen sahen rote verblichene Dächer hervor wie Anemonen auf einer Wiese am letzten Tag des Frühlings, und ich öffnete das Fenster und streckte den Kopf hinaus, um diesem strahlenden Bild näher zu sein und die weiche Frühlingsluft einzuatmen, eine duftende Luft mit einem leichten Geruch nach Rauch..."

Julia Schröder






Bücher neu und gebraucht
bei amazon.de

Suchbegriff:


eBay


Bücher gebraucht oder neu bei booklooker.de
Autor:
Titel:
neu
gebraucht

Ihr Kauf bei unseren Shop-Partnern sichert das Bestehen dieses Angebotes.

Danke.


Weitere Titel von und Rezensionen zu Zeruya Shalev
Weitere Rezensionen in der Kategorie: Roman  



Partner-Shop: Amazon.de

Liebesleben Amazon.de-Shop
Zeruya Shalev: Liebesleben

Partner-Shop: Amazon.com (USA)

Buy Zeruya Shalev: Liebesleben at Amazon.com (USA)

carpe librum ist ein Projekt von carpe.com  und © by Sabine und Oliver Gassner, 1998ff.

Das © der Texte liegt bei den Rezensenten.   -   Wir vermitteln Texte in ihrem Auftrag.   -   librum @ carpe.com

Impressum  --  Internet-Programmierung: Martin Hönninger, Karlsruhe  --  19.06.2012