Dieses Buch Freunden weiterempfehlen.
Dieses Buch kaufen bei Amazon.de
Buy Bernhard Setzwein: Nicht kalt genug at Amazon.com (USA)
Weitere Buchbesprechungen bei Amazon.de.
Nietzsche-Jahr. Ausstellungen, Abhandlungen, Analysen. Die Welt feiert
den hundertsten Todestag des Denker-Titanen. Gleichsam im Auge des Taifuns
hat Bernhard Setzwein einen kleinen inten-siven Roman geschrieben, "Nicht
kalt genug", der den Giganten aus intimer Alltagsnähe zeigt, seine
Gedanken denkt, durch seinen Mund spricht. Ziemlich gewagt, aber gelungen.
Auf konzentrierten hundertsechzig Seiten, die ohne eine gründlich
durchlebte Auseinandersetzung mit dem Gegenstand nicht denkbar sind, gibt
uns das Buch mit scheinbar leichter Hand eine Ahnung vom Kern des Menschen
Nietzsche und der aus diesem Kern entwickelten Philosophie mit ihren Brüchen
und Extremen.
Der formal sehr geschlossene Text beschränkt sich
auf Nietzsches Sommeraufenthalte im hochgelegenen Sils Maria, in den Jahren
vor seinem Zusammenbruch 1889. Der Professor, halb blind und eigentlich
gar nicht reisefähig, ist gequält von furchtbarer Migräne
und der Unfähigkeit, seine eigene große "stahlkalte Philosophie"
tatsächlich zu leben, sich mit der gebotenen Rücksichtslosigkeit
"hinauf ins Höhere zu veredeln", obwohl es ihm hier oben endlich klar
und kalt genug ist für sein Denken. Er hat sich im Dorf bei Gian in
einer dunklen Kammer eingenistet, um die großen Werke niederzuschreiben,
die aus ihm herausdrängen - seine letzten. "6000 Fuß über
der gewöhnlichen Ameisenge-schäftigkeit der Menschen" hat er
manchmal das "Gefühl, dem Irrsinn nahe zu sein". Er predigt das Einfache,
Starke, und kann sich doch den Einheimischen im Dorf nicht verständlich
machen. Wenn seine schlechten Augen die eigene Schrift nicht mehr entziffern
können, geschieht die "Umwertung aller Werte" als "Umdrehung aller
Worte". Er will, wie so oft, mit der Mutter und der Schwester brechen,
schneidet dann aber doch die aus Naumburg geschickte Wurst in Rädchen,
die er eins nach dem an-deren hinter seinen Schnauzbart schiebt, so gierig,
daß ihn dann wieder drei Tage die Kopfschmerzen beuteln und die Weinkrämpfe
schütteln.
Aus der durchaus mit Ironie vorgetragenen Diskrepanz zwischen
dem erhabenen Anspruch und der elenden Wirklichkeit schlägt Setzwein
kein billiges Kapital. Sein Professor ist skurril, aber keine Karikatur.
In den Gesprächen mit Gian und dessen kleiner Tochter Adrienne gelingt
die Verständigung nicht intellektuell, aber doch auf der Ebene des
Gemüts. Bei Gian ist er gut aufgehoben, der Professor, da darf er
die Wände anschreien und wird trotzdem mit Respekt behandelt. Und
auch wenn Gian nichts anfangen kann mit den ihm vorgetragenen Dionysos-Dithyramben
und noch weniger mit des Professors verrückter Selbstüberschätzung,
so bleibt doch die Schönheit der zitierten Verse unbeschädigt.
Das Denken am Rand des Wahnsinns, endgültig vom Boden abgehoben, ist
große Dichtung geworden.
Bernhard Setzwein, 1960 in München geboren, in den
verschiedensten literarischen Bereichen tätig, wurde 1998 mit dem
Bayerischen Staatsförderpreis für Literatur und Anfang dieses
Jahres mit dem Zweiten Preis beim Irseer Pegasus (für einen Ausschnitt
aus seinem Nietzsche-Buch) ausgezeichnet. Seine Sprache hat sich, auch
auf dem Weg über die Mundart, zu einem zugleich behutsam und präzise
zupackenden Instrument entwickelt. Eine feine Schlichtheit im Ton gibt
die Perspektive der Dorfleute wieder, paßt aber auch zu dem der geistigen
Umnachtung zusteuernden Philosophen, dessen titanische Hilflosigkeit hier
ihre kindliche Seite offenbart und Mitleid weckt mit dem, der sich das
Mitleid, obwohl er es fühlt, nicht gestatten will.
Eva Leipprand
Bücher neu und gebraucht bei amazon.de |
|
|
Bücher gebraucht oder neu bei booklooker.de |
Ihr Kauf bei unseren Shop-Partnern sichert das Bestehen dieses Angebotes.
Danke.
Weitere Titel von und Rezensionen zu Bernhard Setzwein
Weitere Rezensionen in der Kategorie: Roman
Bernhard Setzwein: Nicht kalt genug
Buy Bernhard Setzwein: Nicht kalt genug at Amazon.com (USA)
carpe librum ist ein Projekt von carpe.com und © by Sabine und Oliver Gassner, 1998ff.
Das © der Texte liegt bei den Rezensenten. - Wir vermitteln Texte in ihrem Auftrag. - librum @ carpe.com
Impressum -- Internet-Programmierung: Martin Hönninger, Karlsruhe -- 19.06.2012