Bernhard Setzwein

Nicht kalt genug

Roman. Haymon, Innsbruck. ISBN: 3-852-18320-0

Bernhard  Setzwein: Nicht kalt genug

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Nietzsche-Jahr. Ausstellungen, Abhandlungen, Analysen. Die Welt feiert den hundertsten Todestag des Denker-Titanen. Gleichsam im Auge des Taifuns hat Bernhard Setzwein einen kleinen inten-siven Roman geschrieben, "Nicht kalt genug", der den Giganten aus intimer Alltagsnähe zeigt, seine Gedanken denkt, durch seinen Mund spricht. Ziemlich gewagt, aber gelungen. Auf konzentrierten hundertsechzig Seiten, die ohne eine gründlich durchlebte Auseinandersetzung mit dem Gegenstand nicht denkbar sind, gibt uns das Buch mit scheinbar leichter Hand eine Ahnung vom Kern des Menschen Nietzsche und der aus diesem Kern entwickelten Philosophie mit ihren Brüchen und Extremen.
   Der formal sehr geschlossene Text beschränkt sich auf Nietzsches Sommeraufenthalte im hochgelegenen Sils Maria, in den Jahren vor seinem Zusammenbruch 1889. Der Professor, halb blind und eigentlich gar nicht reisefähig, ist gequält von furchtbarer Migräne und der Unfähigkeit, seine eigene große "stahlkalte Philosophie" tatsächlich zu leben, sich mit der gebotenen Rücksichtslosigkeit "hinauf ins Höhere zu veredeln", obwohl es ihm hier oben endlich klar und kalt genug ist für sein Denken. Er hat sich im Dorf bei Gian in einer dunklen Kammer eingenistet, um die großen Werke niederzuschreiben, die aus ihm herausdrängen - seine letzten. "6000 Fuß über der gewöhnlichen Ameisenge-schäftigkeit der Menschen" hat er manchmal das "Gefühl, dem Irrsinn nahe zu sein". Er predigt das Einfache, Starke, und kann sich doch den Einheimischen im Dorf nicht verständlich machen. Wenn seine schlechten Augen die eigene Schrift nicht mehr entziffern können, geschieht die "Umwertung aller Werte" als "Umdrehung aller Worte". Er will, wie so oft, mit der Mutter und der Schwester brechen, schneidet dann aber doch die aus Naumburg geschickte Wurst in Rädchen, die er eins nach dem an-deren hinter seinen Schnauzbart schiebt, so gierig, daß ihn dann wieder drei Tage die Kopfschmerzen beuteln und die Weinkrämpfe schütteln.
   Aus der durchaus mit Ironie vorgetragenen Diskrepanz zwischen dem erhabenen Anspruch und der elenden Wirklichkeit schlägt Setzwein kein billiges Kapital. Sein Professor ist skurril, aber keine Karikatur. In den Gesprächen mit Gian und dessen kleiner Tochter Adrienne gelingt die Verständigung nicht intellektuell, aber doch auf der Ebene des Gemüts. Bei Gian ist er gut aufgehoben, der Professor, da darf er die Wände anschreien und wird trotzdem mit Respekt behandelt. Und auch wenn Gian nichts anfangen kann mit den ihm vorgetragenen Dionysos-Dithyramben und noch weniger mit des Professors verrückter Selbstüberschätzung, so bleibt doch die Schönheit der zitierten Verse unbeschädigt. Das Denken am Rand des Wahnsinns, endgültig vom Boden abgehoben, ist große Dichtung geworden.
   Bernhard Setzwein, 1960 in München geboren, in den verschiedensten literarischen Bereichen tätig, wurde 1998 mit dem Bayerischen Staatsförderpreis für Literatur und Anfang dieses Jahres mit dem Zweiten Preis beim Irseer Pegasus (für einen Ausschnitt aus seinem Nietzsche-Buch) ausgezeichnet. Seine Sprache hat sich, auch auf dem Weg über die Mundart, zu einem zugleich behutsam und präzise zupackenden Instrument entwickelt. Eine feine Schlichtheit im Ton gibt die Perspektive der Dorfleute wieder, paßt aber auch zu dem der geistigen Umnachtung zusteuernden Philosophen, dessen titanische Hilflosigkeit hier ihre kindliche Seite offenbart und Mitleid weckt mit dem, der sich das Mitleid, obwohl er es fühlt, nicht gestatten will.

Eva Leipprand
 






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