Salman Rushdie

Die satanischen Verse

Bestseller. Artikel-19-Verlag, ISBN: 3-9802315-0-X

Salman  Rushdie: Die satanischen Verse

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Am 23. September 1998 hieß es, der Iran betrachte den Fall Rushie als abgeschlossen. Das Todesurteil gegen den Autor der "Satanischen Verse" werde schon seit langer Zeit nicht mehr weiterverfolgt. Erleichterung: Bald darauf die Nachricht, daß Salman Rushdie die erste öffentliche Pressekonferenz gegeben habe.

Am 29. September vermelden die Zeitungen jedoch, daß iranische Hardliner die Fatwa für ewig erklärt haben. Was jetzt?

Vor zehn Jahren erschienen die "Satanischen Verse", ein opulenter Roman, der unter anderem auch mit der Gattung der religiösen Heiligenlegende spielt, sie überformt und damit auch erledigt - seinerzeit wegen angeblicher Beleidigung des Propheten ein Ärgernis für islamische Fundamentalisten. Sie nahmen den Roman zum Anlaß den "westlichen" Liberalismus in der Person Rushdies zu attackieren - und der Westen hatte dem nichts entgegenzusetzen. Die Bemühungen westlicher Politiker, einschließlich der deutschen, auf die maßgeblichen fundamentalistischen Regierungen einzuwirken, sind ebenso wachsweich wie erfolglos geblieben. Die neuesten Entwicklungen um "Erledigung" oder Nicht-"Erledigung" des "Falles" Rushdie spiegeln den unerledigten Umbruch im Iran wider.

Nach der kurzfristigen Erleichterung möchte man wieder an seinem Verstand zweifeln - nicht, weil es den Irrationalismus gibt, der sich in Rushdie ein willkürliches Opfer gesucht hat: Dafür gibt es vielleicht sogar rationale Erklärungen. Sondern weil es gegen diesen Irrationalismus keine vernünftige Vorkehrungen oder Schutzmaßnahmen zu geben scheint.

Salman Rushdie beim Schreiben seines Buches vielleicht nicht geahnt, daß sein Buch dazu führen würde, daß sein Leben als freier Mensch nachhaltig zerstört würde. Daß das Religiöse, mit dem er sich in seinem Buch befaßte, auch gefährlich ist, thematisiert das Buch aber sehr wohl. Es tut das allerdings nicht so sehr in den von den Fundamentalisten inkriminierten und von den Literaten entsprechend verteidigten Überformungen der Prophetenlegenden:

Ungefähr in der Mitte des Buches packt seinen Helden eine plötzliche Furcht: "Auf der Zugfahrt nach London wurde Mr. Gibril Farishta verständlicherweise noch einmal von der Angst ergriffen, daß Gott beschlossen hätte, ihn für seinen Abfall vom Glauben zu bestrafen, indem er ihn in den Wahnsinn trieb." Aber wie soll Gott jemanden bestrafen, der nicht mehr an ihn glaubt? Dennoch: "Die schreckliche Angst davor, den Verstand an ein Paradox zu verlieren, von etwas vernichtet zu werden, an dessen Existenz er nicht mehr glaubte, ... war so stark, daß er nicht imstande war, sich längere Zeit damit zu befassen".

Der indische Superstar Gibril Farishta war zuvor Hauptdarsteller zahlloser sogenannter Theologicals - religiöser Filme -, Liebhaber unter anderem einer mehrfachen Bezwingerin des Mount Everest, naiv, erfolgreich, gesättigt. Durch den Sturz aus einem explodierenden Flugzeug wurde er in einen Engel Gottes verwandelt. Sein Gegenspieler Saladin Chamcha, ebenfalls Inder, aber mit sich und seiner Heimat zerfallen, schlug ich in England als Witzfigur in einer Alien Show und als Sprecher in Werbespots durch - er fiel aus demselben Flugzeug, ihm wachsen aber Hörner, Bocksfüße und eine satyrhafte Männlichkeit. Am Ende des Buches wird sich dieser Saladin wieder zurückverwandeln; er wird nach Indien zurückkehren, sich mit seinem Vater versöhnen und ihn in einen unweltlichen, friedlichen Tod begleiten. Der Engel Gibril aber, wahnhaft getrieben von seiner unerfüllbaren Mission, wegen seiner rasenden Verbrechen von der Polizei gesucht, wird sich erschießen - im Vaterhaus Saladins.

Die Gegenbewegung dieser beiden Schicksale markiert das dramatische Gerüst des Buches: Ein Teufel wird zum Engel; ein Engel zu einem Teufel. Und der Sturz dieses seltsamen Engels wird eingeleitet durch Angst: Gibril zweifelt an seinem Verstand und an der Mission, auf die geschickt wurde; er hat Angst, von Gott vernichtet zu werden und wird deshalb vernichtet werden.

Diese Sätze formulieren ein logisches Paradox, gewiß, darüber hinaus aber einen teuflischen Zirkel der Angst. Das Paradox ist relativ einfach: Niemand kann von etwas vernichtet werden, das es objektiv nicht gibt, deshalb dürfte auch niemand subjektiv Angst vor der Vernichtung durch etwas haben, dessen Existenz er nicht akzeptiert. Natürlich kann Gibril aber durch etwas vernichtet werden, das er subjektiv vielleicht nicht anerkennt, das aber objektiv existiert. Damit würde seine Vernichtung nicht nur ihn, sondern zuerst seine Überzeugung, also seinen Verstand annihilieren. Aus diesem Paradox entwickelt sich aber der Zirkel der Angst: die Vernichtungsangst, die verursacht ist durch die Drohung des Wahnsinns, die selbst aber den Wahnsinn hervorbringt.

Am Ende wird Gibril eben diesem Wahnsinn zum Opfer fallen. Die Frage, ob er selbst oder Gott das Subjekt dieses Wahns ist, läßt das Buch offen. Es braucht sie auch gar nicht zu beantworten: Denn für den Kurzschluß des Wahnsinsszirkels ist es völlig unerheblich, ob Gott existiert oder nicht: Wenn Gott existiert, läßt er aufgrund eines maßlosen Zorns sein Geschöpf zerbrechen; wenn nicht, zerbricht es nur an sich selbst.

Natürlich ist dieses Buch mit einem verschwenderischen erzählerischen Reichtum ausgestattet - mit wundervollen unheiligen Heiligenlegenden, mit klaren Porträts und präzisen Milieubeschreibungen in Orient und Okzident. Allein deshalb lohnt es sich, diesen Roman zu lesen. Man sollte sich allerdings auch darauf gefaßt machen, daß sich hinter der liebevollen Ironie, mit der Rushdie seine Protagonisten durch ihre seltsamen Schicksale lenkt, nicht nur die Trauer um eine dem modernen Bewußtsein nicht mehr zugängliche Mythenwelt verbirgt. Rushdie benennt ebenso den Schrecken, der droht, wenn diese versunkene Welt wiedergängerhaft dieses "moderne Bewußtsein" ergreift.

Die nach zehn Jahren immer noch unerledigten politischen Vorgänge um dieses Buch demonstrieren deutlich, daß der Wahnsinn noch lauert.

Salman Rushdie: Satanische Verse. Artikel 19 Verlag. 1988. Droemer Knaur München 1997.

(Dr. Hartmut Kuhlmann)

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