carpe librum -- rezensionen

suchen -- buch-shop -- forum -- weiterempfehlen

Arundhati Roy

Der Gott der kleinen Dinge

Bestseller. Goldmann Taschenbuch Verlag, 379 Seiten. ISBN: 3-442-72468-6

Dieses Buch Freunden weiterempfehlen.

Dieses Buch kaufen bei Amazon.de

Buy Arundhati Roy: Der Gott der kleinen Dinge at Amazon.com (USA)

Weitere Buchbesprechungen bei Amazon.de.

Ein himmelblauer Plymouth fährt von Ayemenem nach Cochin. Drinnen sitzen (in patriarchalisch-indischer Reihenfolge) Chacko am Lenkrad, daneben seine Schwester Ammu und auf dem Rücksitz deren Kinder Estha und Rahel, zwischen ihnen ihre Großtante Baby Kochamma, um Streitigkeiten zu verhindern. Alle haben sie ihre Geschichten, und wenn noch nicht, dann doch bald. Denn der Plymouth ist geradewegs unterwegs in die Katastrophe, wenn auch mit ein paar Zwischenstops. Zunächst geht es zum Flughafen, um Chackos Exfrau Margaret Kochamma und seine Tochter (oder Extochter) Sophie Mol abzuholen, die aus London einfliegen.
Nicht der Plymouth ist natürlich unterwegs in die Katastrophe, vielmehr sind es seine Insassen. Der Wagen selbst wird erst viel später in einem Gemüsegarten langsam aber sicher verrotten und somit fast eines natürlichen Plymouthtodes sterben. Ein himmelblauer Plymouth ist ein kleines Ding. Was aber sind die großen Dinge? Zum Beispiel die indischen Männer, die indische Polizei, die indische Gesellschaft, die Geschichte, das Leben. Allen ist gemeinsam, daß sie,  wenn sie es für richtig halten, mit ihren je spezifischen Waffen zuschlagen, wo und so fest sie nur können. Was mit einer allseits himmelblauen Fahrt zum Flughafen beginnt, endet in einer Tragödie. Das Leben ist nichts weiter als ein gerader, schneller und tränenreicher "Weg ins Alter und in den Tod" - das Fazit des Buches ist niederschmetternd.
Beziehungsweise: es wäre es - gäbe es neben den großen nicht noch die kleinen Dinge, "kleine sonnige Wiesen" zwischen den Abgründen, die den schmerzvollen Weg ins Alter und in den Tod zuweilen säumen. "Kupferrotes Gras übersät mit blauen Schmetterlingen". Man verweile ein wenig, die Autorin zeigt, wie es geht. Mit unendlicher Zärtlichkeit spürt sie die kleinen Dinge auf und beschreibt sie mit einer Liebe zum Detail und zur Sache, die in der Literatur ihresgleichen sucht.
Ein Boot, das zuerst leck ist und dann drei Kinder und ein Liebespaar über den großen Fluß bringt; eine Tagesdecke mit blauem Kreuzstich, auf der eine Frau einen verhängnisvollen Traum träumt; eine Schicht roter Nagellack auf den Fingern eines Schreiners; eine Kinderarmbanduhr mit aufgemalter Uhrzeit; ein Tausendfüßler im Profil eines Polizistenstiefels - Arundhati Roy ist die Göttin der kleinen Dinge, eine großartige Frau, die ein großartiges Buch geschrieben hat.