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Es gibt Romane, die sind nicht besonders dick sondern eher dünn. Was ihnen an Seiten zu fehlen scheint, ergänzen sie durch eine Verdichtung der Sprache und die Kraft ihrer Bilder. Die Figuren leben im Kopf des Lesers weiter. So einen Roman hat Manuel Rivas geschrieben. "Der Bleistift des Zimmermanns" war in Spanien ein großer Erfolg.
Er beginnt 1936. Ein linker Maler zeichnet im Gefängnis von Santiago de Compostela mit einem groben Zimmermannsstift seine Mithäftlinge. Sie bevölkern ein Bild der Pforte zur Kathedrale, wo alle Heiligen und Kirchenväter den Pilger begrüßen. Seinem Freund gibt er das Gesicht des Propheten Daniel und sagt: "Von ihm heißt es, er sei der einzige am Portikus der Seligkeit mit einem dreisten Lächeln, ein Wunderwerk der Kunst, ein Rätsel für die Experten. Das bist du, Da Barca".
Da Barca, das ist ein Arzt mit humanistischer Bildung und republikanischer Gesinnung. Sein Gegenspieler ist einer der Gefängniswärter, der Falangist und Gendarm Herbal. Jahrzehnte später sitzt dieser Herbal in einem ländlichen Eros-Club, malt mit dem Zimmermannsstift auf Papierservietten und erzählt einem Barmädchen vom Bürgerkrieg, und wie er zu dem Stift kam: Ein Erschießungskommando wollte den Maler foltern, und um ihn davor zu bewahren, erschoß er ihn kurzerhand.
Herbal verkörpert zugleich den diensteifrigen Befehlsempfänger und störrischen Einzelgänger. In seiner Offenheit wirkt er glaubwürdig und im Lauf des Geschichte immer menschlicher. Schon als junger Bursche haßt Herbal den gebildeten Schöngeist und Arzt, der ihm, dem schüchternen Bauernsohn, die schöne und reiche Marisa ausspannt. Gehemmt und zuerst verständnislos beobachtet er jeden Schritt Da Barcas für den Geheimdienst. Es ist ihm ein Rätsel, wie alle Willkür diesen Mann nicht brechen kann.
Erst führt Herbal stumme Gespräche mit dem Geist des Malers, dessen Stift er nun hinterm Ohr trägt. Dann wird er zum unfreiwilligen Schutzengel für den Überlebenden. Mit zunehmender Faszination verfolgt er Da Barca auf einer Odyssee quer durch das Spanien des Bürgerkrieges. Nach dessen Ferntrauung mit Marisa rettet er dem Gefangenen schließlich das Leben und ermöglicht dem Paar eine heimliche Hochzeitsnacht.
Dieses Buch erzählt von einem Sieg der Liebe über die Macht der Gewehre, aber auch psychologisch einfühlsam vom Phantomschmerz, dem Schmerz über etwas Verlorenes. Mit lakonischer Kürze, doch ohne Beschönigung, erzählt es von der Grausamkeit: "Komm, erschrick nicht, so was hat man getan", meint Herbal einsilbig zu dem Barmädchen.
Der Autor Rivas macht die Geschichte des spanischen Bürgerkrieges in den Lebensläufen Gefangener und Erschossener wieder lebendig, die ein Stück Weg mit Figuren wie Herbal und Da Barca gegangen sind. Und er würzt diese traurigen Geschichten mit dem Zauber der Phantasie. Noch in der schlimmsten Hoffnungslosigkeit verwandelt die Phantasie dieses Arztes Täter und Opfer gleichermaßen. Vielleicht das schönste Beispiel dafür in dem Roman von Rivas ist eine Szene im Speisesaal des Gefängnisses, die wirkt, als sei sie für den Film geschrieben.
Da Barca hat einen riesigen groben Kerl, der auf ihn aufpaßt, aus Dankbarkeit zum Essen eingeladen. Der Augenzeuge Herbal erlebt, wie sich der Arzt dem Hünen gegenübersetzt und nur mit Worten allerhand Köstlichkeiten serviert: Meeresfrüchte, Wein und edle Salate. Er läßt den Riesen die Augen schließen und beschreibt detailliert die Wirkung all der guten Dinge auf die von Entbehrung überreizten Geschmacksnerven. Alle löffeln die gleiche undefinierbare Suppe wie immer, doch was macht die Vorstellung daraus? Zitat:
"Danach, als Doktor Da Barca ihm als zweiten Gang Kalbsmedaillon mit Apfelpüree servierte, begleitet von einem roten Amandi, wechselte Dschingis Khan die Farbe. Dieser blasse, magere Riese hatte jetzt das rotglänzende Gesicht eines gefräßigen Abtes. In ihm lächelte eine bäuerliche, joviale Sattheit, eine süße Rache an der Zeit, die sich auf alle Anwesenden übertrug."
Es stimmt wohl, was das Sprichwort sagt; auch von Illusionen lebt der Mensch. Bei dieser Lektüre ist es ratsam, eine Serviette griffbereit zu haben. Das spricht nur für das Buch: An manchen Stellen kann einem das Wasser im Mund zusammenlaufen, und an anderen wieder möchten sich empfindsame Gemüter vielleicht ein wenig schneuzen. Widmar Puhl, SWR 2
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