Elisabetta Rasy
Das Meer beginnt in Neapel
Roman. Schöffling, Frankfurt/Main. 180 Seiten. ISBN: 3-895-61632-X
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Kindheitserinnerungen verklärt man gerne, und um nichts anderes geht es in Elisabetta Rasys Roman "Das Meer beginnt in Neapel." Die Erzählerin erinnert sich an die riesige Wohnung, in der ihre Großmutter jede Nacht mit ein paar Freunden Karten spielt, an ihren lebhaften Vater, der wunderschöne neapolitanische Lieder singt, an die vielen anderen Kinder und die Urgroßmutter adeliger Herkunft. Die Eltern zerstreiten sich, das Kind wird vom geliebten Vater getrennt und wächst mit der Mutter in Rom auf - für das Grundschulkind eine abscheuliche Stadt. Sie trifft dort Fiammetta wieder, die ihre beste Freundin wird. Die Kinder werden größer, gehen zur Schule, verlieren sich aus den Augen, sehen sich wieder, kehren zurück nach Neapel und stellen fest, daß früher, Anfang der 60er-Jahre, alles besser war. Die Wohnung der Großmutter ist heruntergekommen, der Vater ebenso, eigentlich die ganze Familie. Zentrale Rolle spielt die rätselhafte Fiammetta, schon als Kind eine Schönheit. Von der kleinen Erzählerin wird sie abgöttisch geliebt. Fiammetta bestimmt die Spiele der Kinder, mal sprudelt es aus ihr heraus, mal schweigt sie die Freundin tagelang an.
Schließlich kommt der magische Sommer, in dem die jungen Männer die pubertierenden Mädchen entdecken und Fiammetta sich in Pietro verliebt. Der leidenschaftliche Neapolitaner hat freilich nur eines im Sinn. Es kommt, wie es kommen muss: Der Lover hat eine andere, die Betrogene hört nicht auf zu weinen. Die beiden Mädchen verlieren sich ein letztes Mal aus den Augen, bis eine Einladung zur Hochzeit kommt: Fiammetta heiratet 17-Jährig einen doppelt so alten Arzt.
So viel Leidenschaft und Sehnsucht, so viel Sommer, Sonne, Meer, romantische Straßen und Plätze in dem Roman auftauchen, so sehr die farbigen Erinnerungen beschworen werden: Bis zur letzten Seite wartet man, dass es endlich losgeht, dass die bedeutungsvolle Kindheit mit spannenden Erlebnissen bereichert wird. Aber es bleibt alles normal und unspektakulär - die beiden Mädchen entwickeln sich eben zu jungen Frauen. Vielleicht hat eine Kindheit so zu sein. Matthias Kehle
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