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Die von dem in die
USA emigrierten Schweizer Gary Gygax erfundene Dungeons & Dragons-Reihe
("Verliese und Drachen") - kurz D&D oder AD&D ("advanced") - darf sich rühmen,
das populärste Fantasy-Rollenspiel der Welt und Urvater von Systemen wie dem in
Deutschland bekannten DSA ("Das Schwarze Auge") oder Midgard zu sein.
Ein Welterfolg, der wie nicht anders zu erwarten auch auf jede erdenkliche Weise
vermarktet wird. Vom ursprünglichen "Pen & Paper"-Rollenspiel wurden neben
Zinnfiguren (Ral Partha), Kartenspielen und sonstigen Fanartikeln und Spielideen
auch etliche Computerspiele ("Pool of Radiance", "Eye of the Beholder", "Baldur's
Gate") mehr oder minder inspiriert.
Auch auf dem Buchmarkt ist die Reihe erfolgreich, die der "Forgotten Realms"
oder deutsch "Die Vergessenen Reiche" dürfte neben "Dragonlance" die wohl
bekannteste AD&D-Fantasywelt sein.
Sympathieträger mit Burnout-Syndrom
Maßgeblichen Anteil an der Popularität dieser Welt und eines ihrer
schillerndsten Charaktere, dem Dunkelelfen Drizzt Do'Urden, hatte ihr Autor und
Schöpfer, der 1959 geborene Amerikaner R. A. Salvatore. Salvatore hatte mit dem
ersten Band der Vergessenen Reiche "The Crystal Shard" / "Der gesprungene
Kristall" so großen Erfolg, dass er der wohl schillerndsten Figur, dem ganz
entgegen der sonst bösartigen Natur seines Volkes "guten" Drow Drizzt, eine
eigene Trilogie, die Saga vom Dunkelelf, gewidmet hat.
Der krummsäbelschwingende Dunkelelf und seine Freunde, der Zwerg Bruenor, der
Barbar Wulfgar, der Halbling Regis und Catti-brie (eine Menschenfrau – der so
genannte Quotenmensch) kämpften sich fortan durch unzählige Abenteuer, bis hin
zu dem Punkt, an dem Salvatore ein wenig die Ideen ausgingen. Die kurzweilige
Action und Faszination einer gewaltigen, langsam auf gigantische Ausmaße
gewachsenen Fantasywelt reichte nicht mehr – was nun?
Nach dem Ende des bösen Pendants von Drizzt, Artemis Entreri, und einigen
faszinierenden Ausflügen in das legendäre Unterreich der Dunkelelfen, hatte
Salvatore einige fatale Ideen: Ein bisschen viel Seifenoper, Wulfgar wurde zum
Alkoholiker, von Dämonen gefoltert, er verliebte sich in Catti-brie, behandelte
sie schlecht, musste über satte vier Bände von seinen Freunden vor sich und der
Welt gerettet werden. Nachdem am Ende Drizzt selbst seine Zuneigung zu
Catti-brie entdeckte und Wulfgar mit einer neuen Freundin und Familie versorgt
und ein Intermezzo auf den Meeren Faerûns beendet worden war, konnte ich nicht
anders als den Niedergang der einstmals so geliebten Swords & Sorcery-Reihe
zu bedauern. Das war es wohl nicht, was die Fans lesen wollten. An die alten
Klassiker kamen diese Romane bei weitem nicht mehr heran.
Ein Neuanfang?
Während Salvatore über einer Fortsetzung brütete, erschien mit dem "Krieg der
Spinnenkönigin" eine Reihe von Romanen von Jungautoren, die sich so in den
Vergessenen Reichen ihre ersten Sporen verdienen durften, wie Richard Lee Byers
mit dem ersten Band
"Zersetzung" in der Dunkelelfen-Metropole
Menzoberranzan.
Der Altmeister selbst legt eine neue Trilogie vor, die bezeichnenderweise "Die
Rückkehr des Dunkelelf" (US: "The Hunter's Blades") heißt und mit den dank der
Verfilmung des Herrn der Ringe derzeit sehr populären Orks aufwarten
kann… sogar gleich mit tausenden davon:
"Die Invasion der Orks" / "The Thousand Orcs"
Drizzt zieht mit seinen Freunden und Bruenor Heldenhammers Zwergensippe heim,
nach Mithrilhalle. Alle sind froh über Wulfgar, der sein seelisches
Gleichgewicht wiedergefunden hat. König Bruenor plant, auf dem Heimweg die
Konkurrenz von Mithrilhalle, die Stadt Mirabar, aufzusuchen und den dort
zusammen mit Menschen lebenden Zwergensippen einen Besuch abzustatten, Kontakte
zu knüpfen und ein wenig Spionage zu betreiben – denn der Markgraf Elastul ist
wegen der wirtschaftlichen Einbußen, die Mirabars Bergwerke und Schmieden wegen
der überlegenen Qualität der Waffen und Erze aus Mithrilhalle erleiden,
ausgesprochen feindselig gestimmt.
Der Besuch verläuft friedlich, jedoch verursacht er einen Bruch zwischen den
seit Jahrhunderten mit den Menschen Mirabars zusammenlebenden Zwergen und dem
Markgrafen, der ihnen auf unkluge Weise vorwirft, mehr auf ihre Verwandten aus
Mithrilhalle zu achten denn auf die Interessen Mirabars.
Während Drizzt und Bruenor weiterziehen, wird dessen Wunsch, die geheimnisvolle
Zwergenfeste Gauntlgrym zu suchen und so der Langweile des Herrschens in
Mithrilhalle zu entgehen, auf ihm nicht unliebe Weise von Orks vereitelt:
Eine Schar Orks und Frostriesen hat einen Trupp Zwerge überfallen, und das
Menschendorf, in dem die Überlebenden gepflegt wurden, niedergebrannt. Bruenor
persönlich zieht mit einer kleinen Truppe Zwerge und seinen kampferprobten
Gefährten den Orks entgegen, während er die anderen Zwerge nach Mithrilhalle
schickt.
Doch alle haben die Gefahr unterschätzt: Der Ork Obould und die Frostriesin
Gerti haben dank der Hilfe abtrünniger Dunkelelfen eine unheilige Allianz
gebildet, die ein gewaltiges Heer in Richtung Mirabar entsendet hat. Die Orks
überrennen das Dorf, in dem Bruenor sich verschanzt; der alleine hinter den
feindlichen Reihen kämpfende Drizzt kommt zu spät und findet nur noch Leichen
unter von den Frostriesen geschleuderten Steinen und eingestürzten Gebäuden,
hält seine Freunde fälschlicherweise für tot. Während Bruenor verschüttet und
abgeschnitten von seinen Zwergen ist und Drizzt ihren Tod betrauert, schickt
Markgraf Elastul seine fähige Beraterin Shoudra Sternenglanz zwecks Sabotage
nach Mithrilhalle …
Ein Schritt in die richtige Richtung …
Besondere Überraschungen und Finessen bietet die Handlung nicht gerade,
andererseits zeichnet sich "Die Invasion der Orks" durch viele der alten Stärken
Salvatores aus, die vorhergehenden Bänden leider völlig abgingen.
So hat Salvatore angenehm vielfältige Handlungsebenen miteinander verknüpft, von
dem Ork Obould und seinem dümmlichen Sohn Urlgen und ihrem Bündnis mit den
Frostriesen bis hin zu den vier Dunkelelfen, die aus verschiedenen Gründen das
Unterreich verlassen und Asyl an der Oberfläche suchen mussten, wo es vor allem
den in ihrer Heimat von den Drow-Frauen unterdrückten Männern ausgesprochen gut
gefällt. Dabei kommt der Humor nicht zu kurz, schon der Prolog, der Überfall auf
die kleine Zwergenschar, liest sich sehr angenehm, wie auch spätere Dialoge der
Orks recht kurzweilig sind.
"'Warum kämpfen wir überhaupt gegen die verdammten Zwerge?' wagte ein anderer
aus der Gruppe zu fragen. Obould drehte sich um und versetze ihm einen Hieb, der
ihn zu Boden warf. So viel zu diesem Diskussionspunkt."
Angenehm auch die differenzierte Darstellung des Zusammenlebens der Zwerge und
Menschen in Mirabar, bei der mir besonders die gelungene und glaubhafte
Darstellung der schönen und klugen Sceptrana Shoudra Sternenglanz, der
menschlichen Beraterin Elastuls, gefallen hat. Die Handlung ist kurzweilig,
humorvoll und in gewissem Sinne sogar originell, die Dialoge des Markgrafen mit
seinem überschätzten Alchemisten, dem Gnom Nanfoodle, sind gut durchdacht und
eine gelungene Umsetzung des Klischees des chaotischen Gnomen-Alchemisten, der
bei seinen Versuchen, die Qualität des Erzes zu verbessern, vermeintlich große
Erfolge erzielt, die sich bei genauerer Betrachtung aber als ganz gewöhnliche
Legierungen mit höherwertigen Metallen erweisen …
Salvatore packt aus, was die Vergessenen Reiche an Kulturen, Abenteuern und
Rassen zu bieten haben, was mir sehr gut gefallen hat, leider hat sich meine
Begeisterung im letzten Drittel merklich gelegt.
Neben zwei Mondelfen und ihren Pegasi konnte er es sich nicht verkneifen, Dick
und Doof, pardon, Pikel und Ivan, die lustigen Kameraden des Zwergenklerikers
Cadderly, ebenfalls in das Kampfgebiet zu schicken. An beiden scheiden sich die
Geister, jedoch hätte ich es begrüßt, wenn stattdessen den bereits vorgestellten
neuen Figuren mehr Raum eingeräumt worden wäre, als dieser das Buch unnötig in
die Länge ziehende Episode mit den Elfen und den beiden Zwergen. Diesen Platz
hätte man auf den Charakter des Markgrafen verwenden können, der nur selten
glänzt und oft inkonsistent als dümmlich die Zwerge vergrätzender Tyrann
dargestellt wird, was nicht zu der nachvollziehbareren Darstellung seiner klugen
Berater wie Agrathan und Shoudra passt, denen Salvatore wohl einen Maulkorb
verpassen musste, um ihren Herren unberaten ins Verderben rennen zu lassen.
Unpassend zu dem derben, einfachen Humor ist auch der leidige Versuch, Drizzt
und seinen Gefährten tiefere Gefühle verleihen zu wollen. Bei diesem
kampflustigen Haufen wirken tiefenpsychologische Erklärungsversuche einfach nur
lächerlich, zum Beispiel rettet Wulfgar seine ehemalige Liebe Catti-brie, die
nun die Gefährtin von Drizzt ist, wofür Drizzt ihm dankt, was ihn aber
beleidigt, weil es unter Gefährten ja selbstverständlich ist und es so wirkt,
als wäre das, was er getan hat, mehr, als er von ihm erwarten könne. Inklusive
der Befürchtung, Wulfgar könne wieder ein Auge auf Catti-brie werfen … Mit
diesen Liebesgeschichten und Wulfgars Alkoholproblemen hat Salvatore einige
seiner schlechtesten Romane verbrochen, warum wärmt er diesen alten Käse also
noch einmal auf, er stinkt zum Himmel.
Unterm Strich …
Nach dem überzeugenden, humorvollen und gelungenen Auftakt enttäuscht das Ende
leider sehr, ein Rückfall in bekannte Unarten. So leuchtet es nicht ein, wie
fünf Frostriesen Drizzt weit vom Kampfgebiet wegjagen können, hat er doch schon
ganz andere Monster mit dem Dönermesser zu Konfetti verarbeitet. Leichtgläubig
scheint der Elf auf seine alten Tage auch zu werden - stammt nicht von ihm auch
der Spruch, er glaube nicht an den Tod einer Person, solange er nicht ihre
Leiche mit eigenen Augen gesehen habe, und selbst dann gäbe es unter Umständen
noch Zweifel? Bruenors Helm und ein Haufen Steine überzeugen ihn jedenfalls,
dass alle mausetot und erschlagen sind.
Schade, einige hundert Seiten weniger, ein überzeugenderes Ende und der Roman
hätte fast wieder an alte Ruhmeszeiten anschließen können. So ist er zwar
empfehlenswert, aber auch nur für Fans der Vergessenen Reiche, als Einstieg ist
er schon wieder viel zu komplex, trotz der verlockenden "Orks" im Titel. Auf
ganzer Linie überzeugen können jedoch Lektorat und Übersetzung, Regina Winter
hat sich bis auf einen kleinen Lapsus (Aegis-fang statt Aegisfang für Wulfgars
Hammer) keinerlei Fehler geleistet und den Roman sehr flüssig und gut zu lesen
übersetzt, was besonders bei den lebendigen Diskussionen der Orks und des
Alchemisten mit Elastul angenehm auffällt.
Trotz der Wermutstropfen ist "Die Invasion der Orks" ein kurzweiliger,
unterhaltsamer Fantasyroman für Rollenspieler. Zwar, wie nicht anders zu
erwarten, kein anspruchsvolles Meisterwerk, aber ein Schritt in die richtige
Richtung und ein Beweis dafür, das Salvatore nicht umsonst der Altmeister der
Vergessenen Reiche ist.
Michael Birke [21.08.2004]
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