Carmen Posadas
Kleine Infamien
Roman. Suhrkamp, Frankfurt/Main. 281 Seiten. 19.80 EUR . ISBN: 3-518-41653-7
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Gleich am Anfang gibt es eine Leiche – tiefgefroren. Néstor Chaffino, Kochkünstler und Besitzer eines exquisiten Catering-Services, ereilt dieses Schicksal, als ihm um vier Uhr morgens einfällt, seine köstlichen Schokotrüffel in die Kühlkammer zu stellen. Plötzlich schließt sich die Tür hinter ihm. Erst ganz am Schluss wird man wie bei Agatha Christie erfahren, wer der Täter war und warum er dem eigentlich harmlosen und freundlichen Néstor ein derart eiskaltes Ende bereitet hat.
Zwischen diesen beiden essentiellen Bestandteilen eines Krimis (Tathergang, Täter) lernt der Leser eine Reihe illustrer Menschen kennen, die in vielfältiger Weise in Beziehung zu einander stehen, ohne zu Beginn davon zu wissen. Da ist zunächst einmal das schmucke Ehepaar Ernesto und Adela Toldi, die Gastgeber der Party, zu deren Erfolg Néstor und sein Team beitragen. Ernesto hat es mit Tricks und Ehrgeiz zu einem der reichsten Kunsthändler Spaniens gebracht. Aber er hat einen dunklen Fleck in seiner Vergangenheit, der ihn in Form von Erpressungsbriefen eingeholt hat. Auch Adela hat ein schlechtes Gewissen und Enthüllungen zu befürchten. Aber das interessiert sie im Augenblick nur am Rande, sind doch ihre Gedanken ständig bei ihrem jungen Geliebten Carlos, der von Néstor wie ein Sohn behandelt wird und eine wichtige Stütze der Catering-Firma ist. Nach und nach kommen die beiden Liebenden dahinter, dass sie weitaus mehr verbindet als ihr heißes Abenteuer.
Ebenfalls zu Néstors Team gehört der junge Tscheche Karel und seine punkige Freundin Chloe, die durch Piercings und unausgegorene Gefühle über ihre Schuld am Unfalltod ihres Bruders auffällt. Schließlich vervollständigt noch ein Hausfreund, der die Aufdeckung seiner schwulen Neigung fürchtet, den Kreis derer, die als Täter in Frage kommen. Denn fast alle sind sich sicher, dass Néstor von ihren Verfehlungen weiß und sie demnächst ausplaudern wird.
Der in Uruguay geborenen und inzwischen in Madrid lebenden Autorin ist ein Roman gelungen, der die niederen Gefilde eines Whodonit-Krimis weit hinter sich lässt und dem Leser eigentlich eher eine schwarze Satire auf die Scheinmoral der oberen Schichten bietet. Eine perfekt gewürzte Mischung aus Spannung, Ironie und anspruchsvoller Unterhaltung. Unverzeihlich ist es jedoch, dass die Autorin keines der genialischen Kochgeheimnisse Néstors verrät.
Dietmar Adam
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