Philippe Djian

Autorenporträt / Interview

Bestseller; Roman; Sonstige. Diogenes, ISBN: 3257064691

„Man kann doch Pornographie nicht denen überlassen, die keine Ahnung davon haben, wie man Action kreiert!“

Philippe  Djian: Autorenporträt / Interview

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Mir erging es wie Tausenden anderen:

Philippe Djian knallte in mein Leben mit Betty Blue. Sicher eine der wahnsinnigsten Lovestorys, voller Lust und Witz, Verzweiflung und Leiden. Andere Romane überzeugten mit einer nur Büchern eigenen Qualität: Wenn da Highway-Piraten auf Raststätten und in Supermärkten agierten, wenn über Küstenstädte geschimpft wurde, bei denen alles so kommerzialisiert ist, dass man sich wundert, nicht noch für die Stadtdurchquerung eine Mautgebühr zu bezahlen, dann waren die Emotionen so echt wie im Leben, wobei die Location vage blieb, ein Mix aus Südfrankreich, Spanien und den USA. Wiederum gar nicht ungewiss: Djians Sprachgewalt, eine Wut, diese tolle Wut, bei der Kommas und Interpunktion auf der Strecke bleiben, geht es erst hart auf hart, bei der die Action das Steuer übernimmt, atemlos, und manches für Schulaufsätze Erlerntes verschwindet im Rückspiegel...

Dazu dann immer wieder diese Protagonisten, die Faust in der Tasche, voller Witz und Weisheit, auf Parties und mit Freunden immer wieder von Lust angezogen, von Dummheit getrieben. Wie im wirklichen Leben. Da verwundert eskaum, dass auch Philippe Djian im Echtleben viel und gern und fast aus Prinzip aneckt. In Frankreich geht er - was wie kommerzieller Suizid anmutet - der Literatur-Bohème konsequent aus dem Weg, gibt keine Interviews, Lesungen oder TV-Auftritte.

Die eher salopp formulierte Äußerung, wir könnten uns über die Möglichkeit eines Interviews unterhalten, löste entsprechendes Freudengeheul aus. Nächstes Treffen: Im Frankfurter Hof, ein dermaßen aufgeblähtes Hotel, dass Stilgecken es nur "Nobelherberge" nennen würden. Mon dieu! Nach Freudengeheul also ein anderes: Das, dachte ich mir bei der Parkhaussuche, das ist nun der für dich in deinem Leben bestimmte Untergang des letzten Glaubens an Würde und Wahrheit, das letzte Fünkchen Hoffnung an eine Art Underground, Rebellion als Lebensprinzip. Ausgerechnet Djian, der in seinen Romanen so schön schimpft über Champagnerflöten und hohles Getue auf solchen Empfängen. Nun. Es kam anders, in abgegriffener Jacke, weder einer Jugend hinterhereilend noch sonstigen Trends folgend, war klar, dass er zu der spaßigen Intelligenzija nicht dazu gehört, nie dazu gehören würde. Und dass er eine Idee hat, wie man würdevoller altert als Mick Jagger.

In Ihrem Roman Heißer Herbst sagt Luc Paradis: "Es reicht nicht, eine gute Figur zu haben, um eine gute Stripperin zu sein. Nimm zum Beispiel einen Schriftsteller. Reicht es, dass er eine gute Geschichte hat?" Was ist nötig für einen guten Strip, was für eine gute Story?

Djian: Stil! Sie muss nicht perfekt aussehen. Was zählt, ist das Wie... Das gilt genauso für Schriftsteller wie für eine Stripperin. Was gerade angesagt ist, das gerade gängige Schönheitsideal oder was allgemein als Hohe Kunst gilt, ist vollkommen belanglos, damit muss man sich nicht weiter beschäftigen. Denn deine Gefühle werden dich schon mitnehmen, und du wirst die richtigen Worte finden, wenn du nur lange genug danach gräbst. Die Sprache muss sich dem angleichen, was wir um uns herum vorfinden. Sie muss in den Zeugenstand, als Reflektion. Und das ist verdammt schwer.

Und es gibt keine Perfektion, man kommt niemals an. Denn der richtige Stil ändert sich ständig. Genauso wie die Welt. Wahrheit ist im Stil, nicht in der Anhäufung von Details und Fakten. Knapper Ausdruck, auf jeden Fall kürzer als Proust, klar, denn wir leben heute ja nicht mehr in der Zeit von Flaubert und so... Knapper Ausdruck, aufs Mindeste reduziert und ehrlich - das ist für mich guter Stil.

Aber Betty Blue - die Geschichte von der Wahnsinnsfrau und dem Klempner, Pizza-Kellner und Klavierverkäufer - lässt sich doch nicht nur auf den Stil reduzieren...

Djian: Natürlich nicht. Stil ist aber ein wesentlicher Teil - der der mich interessiert. Eine Geschichte erzählen kann jeder. Die Kunst besteht für mich darin, eine Story gut zu erzählen. Salinger sagte, er schreibt die Bücher, die er lesen will. Dasselbe gilt für mich. Wahrscheinlich haben wir eine ähnliche Kultur um uns herum. Es gibt vermutlich sogar einige meiner Landsleute, die das nicht verstehen - weil ihr Background ein ganz anderer ist. Im Figaro schrieb neulich jemand, ich würde mit Absicht nicht "Französisch" schreiben. Klingt nicht französisch, meine Schreibe? Nun, in meinen Augen und Ohren klingt das schon französisch.

1986 wurden sowohl Blau wie die Hölle und Betty Blue verfilmt. Obwohl Betty Blue extrem erfolgreich war, kam seither keiner Ihrer Romane ins Kino. Warum?

Djian: Als ich die Filmrechte verkauft hatte, ging es für mich ab. Großer Erfolg, große Sache... Und dann... Und dann traf ich keine Regisseure mehr, die mir interessant genug schienen, um ihnen die Filmrechte zu verkaufen.

Doch Jean-Jacques Beineix war für Sie interessant, seine Version von Betty Blue gut genug?

Djian: Er ist ein Freund.

?

Djian: Ja: Ein Freund.

Das Ergebnis war schon gut, brachte mir so viel Geld ein, dass ich weiterschreiben konnte. Später merkte ich, dass ich nicht mehr Geld brauche.

Und seine Adaption?

Djian: Als ich Betty Blue schrieb, war ich mir nie sicher, ob das zwei verschiedene Personen sind. Für mich waren das zwei Seiten von ein und derselben Person, wenn man so will von einer femininen und einer maskulinen. Die weibliche Seite sagte: 'Geh in die Welt hinaus, mach was...' In einem Buch kann man so was inszenieren, die Gespräche sind wie ein innerer Dialog. Aber im Film ist das nicht zu stemmen.

Das Medium Film ist für Sie seither erledigt?

Djian: Nein, mit Luc Bondy habe ich neulich das Drehbuch zu Ne fais pas ça! geschrieben. Fürs Schreiben empfinde ich Film, genauso wie Malerei und Musik als extrem inspirierend. Jean Luc Godard zum Beispiel: Der weiß exakt, wie man damit klarkommt, wenn man viele Charaktere auf dem Set hat. Da kann man sehr viel lernen. Bei Godard beobachte ich immer ganz genau, wie er diese ganzen Leute integriert. Er arbeitet mit Wiederholungen in deren Sprache, in ihrem Ausdruck und so weiter - aber auch mit anderen Kniffs. Für mich sind einige der Tricks übertragbar: Wenn jemand in einer Szene etwas in die Hand nimmt - und das dann in einer späteren Szene betrachtet. Außerdem gefällt mir bei anderen - zum Beispiel diesem japanischen Regisseur - die Kameraführung, wie wir die Welt aus unterschiedlichen Perspektiven sehen, je nach dem, wie die Kamera mit verschiedenen Blickwinkeln unsere Wahrnehmung manipuliert. Wenn so etwas gut gemacht wird, wird einem schlagartig bewusst, dass es einem Künstler doch darum gehen muss, die Sichtweise des Zuschauers oder Lesers zu verändern. Wie man Perspektiven effektiv wechselt, habe ich vom Film gelernt. Meine Frau ist Malerin. Andere Künstler, Maler und Regisseure sind mir oft eine Hilfe beim Lösen von Problemen in meiner Arbeit. Schriftsteller bieten mir da selten Hilfe, die Arbeiten von anderen Künstlern dafür umso mehr. Warum, weiß ich auch nicht, aber ich lerne auch von Musikern, nur eben nicht von Schreibern. Experimentalmusik zum Beispiel: hilft mir, Probleme zu lösen.

In Ihrem gerade auf Deutsch erschienenen Roman Reibereien geht es wieder um eine Liebesbeziehung, die...

Djian: Nicht nur um eine.

Im Zentrum steht die Liebesbeziehung eines Mannes - zu seiner Mutter.

Djian: Reibereien beschreibt ein paar Lebensabschnitte eines Mannes. Es handelt sich dabei um fünf Sequenzen in seinem Leben, die jede für sich alleine stehen können. Im ersten Part ist er elf Jahre alt, im zweiten zwanzig... insgesamt gibt es fünf solcher Parts. In der einen Story steht er also gerade in der Küche, am Herd, als sich seine Frau an ihn ranmacht, ein paar Seiten später fangen sie gerade an zu vögeln, da kommt seine Mutter rein, das Gesicht blutüberströmt - hatte eine Autounfall. Reibereien, das ist für mich der Versuch, über das Leben als Ganzes zu sprechen, in diesem Fall das Leben eines Mannes. Allerdings arbeite ich schon am folgenden Buch. Im amerikanischen Fernsehen schaue ich mir viele dieser Serien an, deren Struktur mich zunehmend fesselt - also solche Sachen wie Six Feet Under. Bei mir geht es um zwei Bruder, die eine Kfz-Werkstatt besitzen. Außerdem gibt es da noch eine Frau, die zurückkehrt. Alle sind um die vierzig, und dann findet sie heraus, dass beide Brüder in sie verknallt waren - als sie mit einem anderen fortging. Zwanzig Jahre später kommt sie zurück, weil ihr Leben mit dem anderen vorbei ist, und jetzt ist sie zurück, ihre Kinder sind groß geworden, also sagt sie sich: "Jetzt bin ich frei, was stellen wir nun an?". Es geht da um das gesamte Leben der zwei Brüder, ihrer Mutter, dem Vater und so weiter. Das wird zu mehreren Büchern führen. Das wird dann wie diese Fernsehserien; über die Leben unterschiedlicher Individuen. Macht Spaß.

Zurück zu Stil und Striptase: Zwischen Buchdeckeln begegnet einem vermehrt eine nouvelle pornographie - da gibt es Nabel- und Vagina-Betrachtungen der Pornodarstellerin Raffaela Anderson in Hard, natürlich Das sexuelle Leben der Catherine M., Christine Angots Autofiktion Inzest... In Ihrem Roman Schwarze Tage, weiße Nächte versucht sich nun ein abgewrackter Schriftsteller an einem Porno - inwieweit war es Ihre Motivation, den 'brand new heavies' mal zu zeigen, wie Erotik auf Papier wirklich auszusehen hat?

Djian: Oh nein, so würde ich das nicht ausdrücken. Zwischen erotischer und pornographischer Literatur besteht ein großer großer Unterschied. Ich habe ein Buch mit ein paar pornographischen Passagen geschrieben, weil mich erotische Literatur zu Tode langweilt. Die ganze Welt der Erotik, und dazu gehört erotische Literatur, geht mir völlig am Arsch vorbei. Mich berührt das nicht die Bohne. Wenn ich lese, wie jemand eine Szene aus erotischer Sicht beschreibt, komme ich nicht mit, weil ich nicht verstehe, was das Personal nun eigentlich macht. Wie im Kino: Zwei Leute gehen ins Bett, dazu die übliche Musik, man sieht, wie sich die Sonne über das Gras senkt... für mich sind das böhmische Dörfer. Mein Problem mit so genannten erotischen Stilmitteln ist, dass einfach nicht klar ausgedrückt wird, was die Charaktere machen. Das gibt mir doch nichts, wenn Sachen im Dunkeln bleiben. Bei einem Drehbuchautor ist das nicht anders als bei vielen Schriftstellern: Ohne Klartext soll der Eindruck geweckt werden, eine Erwartungshaltung, hier finde nun etwas Hochkompliziertes statt. Das nervt mich. Bei pornographischer Darstellung ist das Gegenteil der Fall: Man sagt dem Leser haargenau, was abgeht. Da gibt es keine Barrieren, Verkomplizierungen zwischen Autor und Leser. Wenn ich erzähle, wie ich etwas sehe, muss ich mir keine Sorgen machen, ob mich der Leser versteht.

Außerdem hat mich an Pornografie immer ein weiterer Punkt interessiert: Es gibt heutzutage nicht mehr viele Schriftsteller, die sich damit auseinandersetzen. Früher gab es einige, also Sade, Henry Miller... Aber das Gebiet ist ein wenig vernachlässigt worden. Also fragte ich mich, wie man sich dem noch einmal literarisch nähern könnte; also nicht so wie in Porno-Zeitschriften oder so, sondern auf literarischer Ebene.

Statt in der Literatur wird heute mehr denn je in der Werbung damit gearbeitet. Fréderic Beigbeder hat das ja in 39,90 recht treffend dargestellt...

Djian: Erotische Abbildungen setzen bei mir nichts in Gang, sie kurbeln nicht meine Phantasie an. Sie langweilen mich. Erotik: verstehe ich einfach nicht. Ehrlich gesagt, glaube ich, dass das in zwischenmenschlichen Beziehungen überhaupt gar nicht vorkommt: Erotik! In Filmen und Büchern existiert sie, aber nicht in dem, was zwischen einem Mann und einer Frau stattfindet. Liebe ist pornographisch. Wenn ich eine Frau anziehend finde, dann brauche ich für dieses Gefühl in mir keine Musik, nicht eine bestimmte Sorte Licht, Bettzeug aus Seide, Sonnenuntergang...

Bei den Schriftstellern heutzutage hat man den Eindruck, alles sei schon vorher so gesagt worden, genau so beschrieben worden. Interessant wäre nun eine neue Perspektive. Und da habe ich mir gedacht: Pornographie, das könnte interessant sein. Das Vokabular von Pornographie, das emotionale Niveau ist sehr sehr stark. Das zu schreiben, ist nicht einfach. Es ist mit viel Arbeit verbunden, da die richtigen Worte zu finden. Erotisches Schreiben ist dagegen total simpel. Abseits 'erotischer Literatur' geht es aber auch um die Einstellung, darum, wie man als Autor auf die nackten Tatsachen schaut. Da geht es darum, so nah wie man nur kann an das heranzutreten, was man in seinem Inneren fühlt, und das dann in Worte fassen. Einfach ist das nicht. Ich meine, man kann doch Pornographie nicht denen überlassen, die Pornofilme und diese Heftchen produzieren! Man kann das doch nicht denen überlassen, die keine Ahnung davon haben, wie man Action kreiert! Ich meine, Pornofilme sind natürlich grauenhaft. Die Frauen sind nicht hübsch, die Typen unter aller Sau. Es ist doch zum Heulen, dass die die Bilder präsentieren, an die wir denken, wenn wir von Pornographie sprechen. Lies Henry Miller, Mann, das ist wunderbar! Dinge, die man nicht leicht in den Griff kriegt, finde ich einfach viel spannender als 'erotische Literatur'. Mit seinen pornografischen Passagen ist Schwarze Tage, weiße Nächte für mich der Schlussstrich, auf den ich mit anderen Büchern hingearbeitet habe.

In Ihrem aktuellen Roman, dem folgenden Sirenen, wird zwar immer noch wild und originell gevögelt, doch der um Worte und Existenz ringende Schriftsteller hat sich aus dem Staub gemacht...

Djian: Sirenen ist ein Krimi. Für einen Autor ist es immer interessant, sich anderen Genres zuzuwenden und daran zu versuchen. Richard Brautigan gefällt mir, weil er sich ständig über dieses Schubladendenken hinweggesetzt hat: Er hat so viel gemacht, Western, Krimis, Science Fiction, Gothic Novels, natürlich diese Beat-Sachen, wo er aber die Hippiebewegung so richtig schön schlechtmachte... Jedenfalls finde ich, dass sich Literatur mit allem befassen und überall zugegen sein sollte: in der Form von Pornografie, Detektivgeschichten... Sonst kann man doch gleich einpacken. In Frankreich, wo der ganze Literaturbetrieb völlig verbohrt ist, macht es umso mehr Spaß, dieses starre Schubladendenken ein bisschen aufzumischen. Ich finde, man soll ruhig hingehen und einen Roman für Gallimard schreiben, in deren collection blanche, und danach einen Krimi, der im Bahnhofskiosk mit lauter Schund angeboten wird. Warum nicht? Literatur kennt keine Grenzen. Ich lese auch Groschenhefte. So war es für mich also ganz natürlich, selbst auch mal Pulp zu schreiben.

In Sirenen gibt es einen Mann und eine Frau, und sie arbeiten beide bei der Polizei. Es gibt eine Leiche, eine junge Frau, also ermitteln die beiden. Ihre privaten Probleme sind aber wichtiger als der Job. Die Polizeiarbeit ist eher nebensächlich. Polizeiarbeit finde ich nicht sonderlich aufregend. Viel spannender sind für mich die Probleme der Lebenden, in diesem Fall der Polizisten mit ihrem ganzen Kuddelmuddel. Mich interessiert es nicht, was für eine Waffe ein Kommissar benutzt. Krimikenner finden vielleicht, dass Sirenen kein richtiger Krimi ist, weil ich mich nicht mit dem Prozedere befasse, das im richtigen Leben zur Auflösung eines Falls führt. Aber ich kann nur über das schreiben, was mich interessiert: menschliche Beziehungen. Natürlich könnten die beiden ebenso gut in einem Hotel arbeiten, aber die Form des Kriminalromans hat sich angeboten, da das ein Genre ist, in dem man leicht das Gesicht einer Stadt vorführen kann, die Probleme, die in einer größeren Gemeinschaft heute existieren, in der Gesellschaft an sich.

Nach zwölf Romanen erschien mit In der Kreide erstmals ein Essayband von Ihnen - ein Buch über die "Bücher Ihres Lebens"...

Djian: Ein dünnes Bändchen - und doch das Resultat von mehr Jahren und Gedanken und Gesprächen als jedes andere meiner Bücher. Da muss ich weiter ausholen: Zum Schreiben bedarf es Talent und Arbeit. Viel Arbeit. Vor allem weil ich keine Message habe, die ich weitergeben will - unter dem Deckmäntelchen der Schriftstellerei irgendwelche historischen oder tiefenpsychologische Abhandlungen verhökern oder so... Mir geht es nur um Stil und Sprache. In Frankreich verweist beides auf unsere literarisches Erbe. Tradition. Jeder schätzt Schriftsteller. Jeder ist stolz auf dieses Erbe, so groß und gewichtig, so monumental, dass man es nicht vom Sockel kicken kann. Für mich war es wichtig, mal klarzustellen, welche Bücher mir warum wichtig waren. Ein paar davon sind als Klassiker bekannt, andere nicht. Mir ging es vor allem darum, nicht etwa einen alternativen Kanon zu propagieren, sondern einfach mal offenzulegen, warum ich mich in welche Bücher verknallt habe - mehr nicht.

Was mir an der amerikanischen Literatur gefällt, ist, dass da jeder Schriftsteller werden kann. Du kannst anfangen als Autoverkäufer und später Romane schreiben - wenn man in Frankreich aufwächst, hat das, die bloße Idee davon, etwas ungemein Befreiendes. Für mich - als heranwachsender Typ in Frankreich - war es unvergesslich, zu sehen, wie Kerouac und andere einfach aufschrieben, was sie draußen vorfanden, was das für eine Wirklichkeit war und was das in ihnen auslöste. Dass sie das machten, ungeachtet ihrer nicht-literarischen Hintergründe, das war für mich extrem ermutigend. Darum geht es in In der Kreide. Nur eben nicht als monumentaler Tribut oder so, einfach in Form einer Plauderei; die auch zeigen soll, dass man nicht vor lauter Ehrfurcht und Respekt erblinden soll, den Mut zur eigenen Meinung verlieren.

Dieses ganze literarische Erbe und das Getue darum ist eine Gefahr. Denn um zu überleben, muss Sprache sich immer weiterentwickeln. Die Gesellschaft ändert sich. Und genauso muss es mit der Sprache geschehen. Die Sprache eines Schriftstellers muss sich genauso entwickeln wie die Arbeiten eines Malers.

© Matthias Penzel, 2005. Original erschien dieser Artikel in der taz am 2. Mai 2005






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