Peter Dale Scott

Die Drogen, das Öl und der Krieg. Zur Tiefenpolitik der USA

Sach. Zweitausendeins, Frankfurt/Main. 384 Seiten. 14.90 EUR . ISBN: 0-0000-0000-0

Verschwörung, Thorie und Praxis
Peter Dale  Scott: Die Drogen, das Öl und der Krieg. Zur Tiefenpolitik der USA

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Spannender als jeder Krimi: Peter Dale Scott führt einen in die Metaebenen des Weltgeschehens ein

Ob es um den Komplott gegen JFK geht, um Außerirdische oder die in einem TV-Studio simulierte Mondlandung - Verschwörungstheorien werden behandelt wie Glaubensfragen. Sie polarisieren. Wer sie aus der Realpolitik ausklammert, ignoriert meist den Inhalt der jeweiligen These, ganz einfach weil er Verschwörungen aus Prinzip ablehnt. Zugleich ist jedem klar, dass es für offizielle Ansprachen - vor Wählern, den Vereinten Nationen oder transkribierenden Agentur-Journalisten - nur eine lohnenswerte Lesart gibt, nämlich die zwischen den Zeilen. Genauso weiß jeder, dass Politiker neben dem von ihren Wählern gewünschten Auftrag noch andere Interessen, Posten und Budgets kontrollieren. Das Dilemma jeder Verschwörungstheorie besteht darin, dass sie, indem sie einen Teilaspekt auszuleuchten versucht, simplifiziert. Doch nihil fit sine causa - nichts geschieht ohne Ursache, und der Ursachen gibt es mehr als eine. Konsequent weitergedacht, und für den Wechsel von Theorie in Praxis essenziell: Bei der Kraftwirkung eines Körpers A auf einen Körper B treten außer einer dritten, entgegenwirkenden Kraft auch Splittergruppen auf, die das, was in Bewegung geraten ist, in ganz andere Richtungen vorantreiben wollen.

Womit wir bei Peter Dale Scott wären. Nach dem Zweiten Weltkrieg für Kanada im diplomatischen Dienst tätig, später Politikwissenschaftler an der Universität Berkeley, beschäftigt er sich seit mehr als dreißig Jahren mit versteckten Agenden und Undercover-Operationen. Konspirationen, das weiß er, setzen voraus, dass eine Gruppe Leute ein gemeinsames Ziel verfolgt. Scott, Jahrgang 1929, hat in Deep Politics and the Death of JFK aufgezeigt, dass diese Sicht nicht der Realität gerecht wird. Was für verschiedene Gruppen noch das eine gemeinsame Ziel sein mag, ist für andere lediglich ein Ziel von vielen, ein gemeinsamer Zwischenstopp auf völlig unterschiedlichen Routen. Diesem Phänomen ist Scott nachgegangen und hat so den Begriff der deep politics geprägt. "'Parapolitik', die geheime Ausübung von Macht, artet leicht in 'Tiefenpolitik' aus, in ein Wechselspiel unerkannter Kräfte, über die der ursprüngliche parapolitische Akteur keine Kontrolle mehr besitzt." Mit den Bestsellern über Konspirationen haben Scotts Bücher wenig zu tun: Peter Dale Scott bleibt immer seriös, in der Methodik akademisch. Und er macht das schon lange: Anfang der siebziger Jahre zeigte er, wie die Laos-Krise aufgebläht, dann als Vorwand für den Krieg in Vietnam ausgeschlachtet wurde - und welche Interessen CIA und Nixon verfolgten, wenn sie Allianzen mit Air America und der Guomindang schlossen und so die Bemühungen von Neutralisten wie Souvanna Phouma und Kong Le systematisch torpedierten. Indochina, Kolumbien, Afghanistan, Irak - es sind immer wieder die gleichen Mechanismen. Und sie sind extrem komplex.

Kurz und nachvollziehbar: An Kriegen und Krisen lässt sich verdienen. Darum werden sie von Lobbys und Konzern-Managern und -Aktionären angeschoben. Darum werden sie von Desinformation begleitet, bisweilen forciert von Pannen und konspirativen Elementen. Anders als Territorialkriege sind die gegen Kommunismus oder den Islam offiziell vertretbar. Jenseits der öffentlichen Reden geht es um anderes: "Die Karte der Terroristenschlupflöcher im Mittleren Osten und in Zentralasien und der dortigen Ziele im Kampf gegen den Terror ist in bemerkenswertem Maße identisch mit einer Karte der weltweit größten Energievorräte des 21. Jahrhunderts." Die Drogen, das Öl und der Krieg. Zur Tiefenpolitik der USA - das erste auf deutsch erhältliche Buch Peter Dale Scotts - erklärt nun zum einen diesen Gedanken der Tiefenpolitik, aber auch einige der in der US-Außenpolitik wiederkehrenden Muster. Mit dem Kampf gegen Islam und Fundamentalismus nicht vereinbar, weniger bekannt als das geostrategische Interesse an Öl und Pipelines, ist das der Finanzierung von Kriegen und Konflikten durch den Rauschgifthandel. Im Zusammenhang mit dem Vietnamkrieg hatte man davon gehört, ebenso bei indirekten Interventionen Amerikas unter Reagan (Iran-Contra-Affäre) - und Scott belegt nun, dass das Muster schon viel älter ist. Denn er stellt nicht nur Thesen auf, beruft sich nicht auf die Websites durchgeknallter Paranoiker. Er belegt die Beziehungen aktiver und abtrünniger CIA-Chargen mit Drogenbaronen - in Laos, Vietnam, Afghanistan bis hin zum Kosovo und natürlich Kolumbien. Verbindungen zwischen der CIA und der mit Geldwäsche betrauten Bank von Meyer Lansky gab es schon 1950. Bereits damals wurden Territorialkämpfe zwischen konkurrierenden Fraktionen angeheizt - wobei sich die USA wiederholt auf die Seite rechts-orientierter Gruppen stellen, was regionale Konflikte verschärft, manchen Putsch unterstützt. Für solche Operationen subventionieren die USA dann auch schon mal das Übersetzen des Koran ins Usbekische (!), unterstützen paramilitärische Gruppen mit Stinger-Raketen und Training; die schützen im Gegenzug vor im Grunde marginaliserten Rebellentruppen, verteidigen nebenbei Öl oder Pipelines amerikanischer Konzerne, sichern so den Petrodollar, treiben aber auch die Ungleichheit in dem jeweiligen Land voran - und unterwandern damit jeden Fortschritt. Instrumente beim Justieren dieses Teufelskreises sind neben den Waffenlieferungen (erschreckend oft als Teil von Hilfsprogrammen an die Dritte Welt) der Aufbau von Fluglinien, die auch für die offizielle US-Außenpolitik von Bedeutung sind (dabei zumeist von ganz anderer Lobby unterstützt werden). Mitwirkende sind neben Geheimdiensten, der China-Lobby und Terroristenringen immer wieder das American Security Council sowie Banken und Anwaltskanzleien, die Scott auch beim Namen nennt. Viele sind einem vertraut - die Bank for Credit and Commerce International, immer wieder Nixon und die Bush-Familie, Unocal usw.. Nebeneffekte: Das Gros der Einnahmen fließt in die USA. Der weltweit wuchernde Drogenkonsum ist weder Wählern noch US-Präsidenten recht - dessen Bekämpfung bleibt aber verlogen, wie in Afghanistan, wo es den "Taliban gelungen war, die Opiumproduktion zu unterbinden" (laut Bericht der Vereinten Nationen im Oktober 2001), während die Nordallianz den Mohnanbau mithilfe von Warlords unterstützt. Allerdings, so räumt auch Peter Dale Scott ein, untersagte Talibanführer Mullah Mohammad Omar im Juli 2000 den Anbau von Mohn aus nicht ganz eindeutigen Motiven (und möglicherweise nur vorübergehend).

Womit wir beim Haken der Sache angekommen wären: Man kann nur staunen über Scotts Tiefenrecherche, sein Ringen um Transparenz bewundern. So angenehm anders als Michael Moore unterfüttert er die dargelegten Zusammenhänge mit Glossar und präzisen Fußnoten. Doch Die Drogen, das Öl und der Krieg, für den 75-Jährigen fast ein Lebenswerk zur Tiefenpolitik, bleibt in den besten Fällen extrem komplex, bisweilen wirr. Nicht selten erinnert die Lektüre an einen Marsch durch ein Spiegelkabinett - bei dem man sich immer wieder fragt, ob sich die etlichen vielen Fakten auch anders interpretieren ließe. Denn auch Scott beachtet und zitiert nur selektiv - was ein in sich geschlossenes System und Bild ergibt, ein erschreckendes, aber vielleicht auch nur ein teilweise zutreffendes.

© Matthias Penzel, 2005. Original erschien dieser Artikel in Rolling Stone 2/2005 als "Meister des Konspirativen"






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