Viktor Pelewin

Generation P

Roman. Volk und Welt, München. 42.00 DM . ISBN: 3-353-01172-2

Viktor  Pelewin: Generation P

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Ein wilder Bildungs-Roman des russischen Kult-Autors Viktor Pelewin über die Karriere des Werbetexters Babilen Tatarski
Ein junger Mann bricht aus seinen erstarrten Verhältnissen aus und lernt eine spannende Scheinwelt kennen, ist dort erfolgreich und erfährt am Schluss, dass seine gesamte Karriere von einer mysteriösen und geheimen ‚Turmgesellschaft’ gesteuert und beobachtet wurde.

Wer das nun für eine Nacherzählung des Plots von Goethes „Wilhelm Meister“ hält, der liegt nicht ganz falsch. Es ist aber auch der Plot des Romans „Generation P“ von Viktor Pelewin (*1962).

Während Wilhelm Meister aus der bürgerlichen Existenz flieht, lässt Pelewins Held Babilen Tatarski ein Studium der Lyrik und einen ‚McJob’ bei der tschetschenischen Mafia hinter sich. Wo Goethes Held zum Theater geht, hat Babilen den Weg durch die erwachende Werbeagenturszene von Moskau zu machen.

Babilens Werbekonzepte und Kritzeleien in sein Notizbuch sind vor allem Gelegenheit zur bildhaften Reflektion über den Zustand der russischen Gesellschaft. Die Ergebnisse sind vor allem dann treffend, wenn Babilen unter Drogeneinfluss steht. Und die russische Volksdroge Vodka ist da nur das wohldosierte Gegenmittel, das hilft, den dicken Kopf des nächsten Morgens zu bekämpfen. Von Fliegenpilzen (sie fungieren als Rahmen-Droge) über LSD zu Kokain spannt sich die Drogenkarriere Tatarskis. Eine Einsicht in die Strukturen der Realität und deren kreative Veränderung durch die Bildsprache der Werbung sind offenbar nur im und aus dem Rausch heraus noch möglich. Nicht zu schaffen ist es allerdings die ‚russische Idee’ darzustellen, an dieser Aufgabe scheitert Tatarski - was nicht schlimm ist, denn der Auftraggeber wird, wie Tatarskis Chefs und Mentoren (fast) durchweg, per Mord aus dem Weg geräumt.

In solchen „running gags“ nähert sich Pelewin der Satire; als Nicht-Kenner der realen Verhältnisse in der russischen Werbebranche kann man sich nicht immer ganz sicher sein, wo Pelewin karikiert und wo er den täglichen Wahnsinn nur abbildet. Die Wirklichkeit ist von ihrer Verzerrung nicht mehr unterscheidbar.

Dies gilt erst recht dort, wo neben Drogen und Werbung der dritte Handlungsstrang greift: babylonische Religion, Esoterik und die Verschwörung der Geheimgesellschaft.

Da gräbt Tatarski aus einem Bücherregal ein Manuskript über einen Lotteriekult um die babylonischen Tempeltürme aus, erinnert sich an mesopotamische Mythen und eine magische Planchette produziert - einem Oujia-Board gleich - ein vom Buddhismus inspiriertes rund 20-seitiges Paper des seligen Che Guevara (dessen Portrait die russische Ausgabe des Buches ziert) über die Psychologie des moderenen Homo-Zappiens. Herr Goethe, Ihr Auftritt: Dieses Paper steht natürlich strukturell an der Stelle der ‚Bekenntnisse einer schönen Seele’.

Babylon und Homo Zappiens dominieren dann auch nicht nur die folgenden Drogen-Visionen, stellen auch zentrale Inhalte des Geheimkultes dar, mit dem „Baby“ Tatarski in Kontakt kommt. Ein ominöses „Institut für Bienenzucht“, in dessen Hierarchie Tatarski im letzen Teil des Romans aufsteigt, füttert das Fernsehen mit simulierten Computer-Bildern von Duma und Regierung (Wilhelm Meister? Puppentheater!), alle Politiker sind nur digitale Simulation, wer die Fäden im Hintergrund zieht, wissen nicht einmal die Figuren des Romans. Realität und Simulation verschwimmen auch für die Macher ineinander. - Hier hat Pelewin fast etwas von Cyberpunks wie Gibson oder Sterling, aber offenbar keine Lust, aus so einer Idee gleich einen ganzen Roman zu machen.

Ein wesentlichen Unterschied zu Goethe noch: Frauen kommen im Roman Pelewins und im Leben Tatarskis keine vor. (Mir ist gerade nur eine Frau erinnerlich, die minimal mehr als Staffage ist, und auch sie bleibt sehr blass.) Nur die ‚Göttin’ des Kults, Ischtar, ist eine - wenn auch körperlose - Frau mit tragender Rolle. Aber: Interpretieren mag ich das jetzt nicht.

Das Ende des Romans (keine Angst, verraten wird nichts) scheinen einige Rezensenten für bare Münze zu nehmen. Und übersehen, dass das vorletzte Kapitel, ab dem nochmals eine wilde Wendung die Geschichte erschüttert, den Titel einer Fernsehsendung trägt, von der der erneut massiv unter Fliegenpilzeinfluss stehende Tatarski im Kapitel davor liest. Und was passiert, erinnert wohl nicht ganz zufällig an James Bond-Versatzstücke. Das letzte Kapitel ist erst recht eine Montage aus Phantasiebildern und eine Leseweise, die die Pointe des Romans allein in einen Drogentraum Tatarskis vor einem (imaginierten?) Fernseher sehen möchte, hätte auch ihre Berechtigung.

Warum nun ist dieses Buch ein Kultbuch der Moskauer Punks? Wegen der Drogenszenen? Wegen Pelewins - manchmal an Douglas Adams gemahnenden - abgedrehter Einfälle? Weil Pelewin es geschafft hat, einen russischen ‚Wilhelm Meister’, einen Bildungsroman für das postsozialistische und para-mafiöse Russland zu schreiben? Weil der Plot des Buches genauso orientierungslos dahintorkelt, wie ihr eigener Alltag? Weil Pelewin ihren schwarzen Humor teilt und textlich trifft? Oder nur, weil an der Stelle, auf der das deutsche Cover eine dreiäugige Geldschein-Clara-Schumann ziert, ein Portrait von Che Guevara prangt? Wissen wir nicht. Aber vielleicht ein bisschen aus allen diesen Gründen.

 






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