James Patterson

Die Wiege des Bösen

Krimi. Bastei Lübbe, Bergisch Gladbach. 333 Seiten. ISBN: 3-404-14504-6

Und den Papst... holt der Teufel?
James  Patterson: Die Wiege des Bösen

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Mit diesem religiösen Thriller dringt Patterson in das Territorium von William Peter Blatty vor, dem Autor des Kultromans "Der Exorzist". Und der Teufel tritt auch höchst persönlich auf - vielleicht nicht ganz sichtbar, aber immerhin. Diesmal geht es wieder um junge Frauen, genauer: Jungfrauen, die wie weiland Maria von Nazareth ohne Anlass schwanger geworden sind.

Wer Patterson kennt (und, wie ich, liebt), weiß, dass der Autor auch diesmal wieder völlig schnörkellos drauflos erzählt. Die Kapitel sind wie immer superkurz: zwischen zwei und vier Seiten. Bei der Lektüre entsteht der Eindruck, sich in einer dahinschießenden Achterbahn zu befinden, deren Kulissen aus einem Film bestehen, den der Autor auf die Leinwand des Geistes projiziert. Alles anschnallen, damit niemand aus der Kruve fliegt!

Handlung

In einer Frauenklinik in einem heruntergekommenen Vorort Bostons schneidet sich die 16-jährige Kathleen Beavier die Pulsadern auf. Sie stammt aus einer reichen Familie, die einen kleinen Palast in Neuengland bewohnt. Kathy kam in die Frauenklinik, um abzutreiben. Sie ist schwanger, aber sie weiß nicht, von wem. Doch eine innere Stimme bringt sie dazu, sich die Adern zu öffnen. Zum Glück wird sie rechtzeitig gefunden. Die innere Stimme sie stellt sich im Laufe der Geschichte als die des Teufels heraus ist nicht an Kathy interessiert, außer an ihrer Rolle als Trägerin eines Kindes: Ist es der Sohn des Teufels?

Mit Schrecken vernimmt die katholische Kirche in Gestalt des Papstes, dass auch in Irland eine Jungfrau schwanger geworden ist. Colleen ist erst 14 Jahre alt, sie sieht sich in ihrem Hinterwäldlerdorf in Connemara den Verhöhnungen und Belästigungen ihrer Altersgenossen ausgesetzt. Doch immer, wenn ihr ernste Gefahr droht, tauchen Vögel auf, die sie beschützen. Colleen ist sich sicher, dass sie den Sohn Gottes empfangen hat. Auch sie kann sich nicht erinnern, wie sie schwanger geworden sein soll.

All dies wurde längst prophezeit. Papst Pius eröffnet dem erschütterten Chefermittler der Glaubenskongregation, Pater Rosetti, dass bereits im Jahre 1917 im dritten Wunder von Fatima vorausgesagt wurde, dass dereinst zwei Jungfrauen erscheinen würden, von denen eine den Sohn des Erlösers (=Jesus) und eine den Sohn Satans gebären würde. Kurz davor würde die Welt am Rande des Untergangs stehen. Und in der Tat breiten sich unbekämpfbare Seuchen in allen Weltregionen aus: Das Ende ist offenbar nahe.

Die lebenswichtige Frage, die sich Pater Rosetti nun stellt, ist: Welche der beiden Jungfrauen wird den Erlöser und welche den Teufel gebären? Viel Zeit bleibt nicht, denn beide sind bereits im achten Monat. Schon versammeln sich die von den Medien unterrichteten Menschenmassen zu zehntausenden vor den Kirchen der Welt. Der altersschwache Papst Pius stirbt ein düsteres Omen.

Rosetti hat ein schweres Amt übernommen. Es wird nicht gerade leichter, als ihn eine offenbar allgegenwärtige, aber unsichtbare Präsenz niederstreckt und ihm grausame Drohungen einflüstert. Doch Rosetti steht nicht allein. Der Kardinal von Boston stellt ihm die Privatdetektivin Anne, eine ehemalige Dominikanernonne, zur Seite. (Wir lesen den Roman aus ihrer Ich-Perspektive.) Und da ist noch der tapfere, männlich-schöne Priester Justin O'Carroll, für den Anne einiges empfindet, den sie aber wegen seines Keuschheitsgelübdes weder seelisch noch körperlich lieben darf. (Nun, das gibt sich.)

Am Tag, als die beiden Jungfrauen zur gleichen Stunde niederkommen sollen, überschlagen sich die Ereignisse. Rosetti weilt mit Justin bei Colleeen in Irland, Anne steht Kathleen in einem Hospital des Vatikans zur Seite. Die Welt der Gläubigen hält den Atem an: Was werden die Geburten bringen? Den Untergang der Welt oder die Erlösung von den wütenden Seuchen?

Ich werde mich hüten, hier irgendwelche Details zu verraten. Auf jeden Fall darf der Leser mit einigen Überraschungen rechnen. Jeder ist selbst schuld, der die letzten Seiten zuerst liest.

Fazit

Diese Kombination aus "Der Exorzist", Dean Koontz und Endzeitstimmung mag zunächst die gläubigen Anhänger von Rationalismus und Wissenschaft ein wenig vor den Kopf stoßen. Aber man sollte verschiedene Tatsachen bedenken, bevor man das Buch als Fastfood-Horror verdammt.

Mit dem Papst geht es zu Ende. Mittlerweile 80 Jahre alt und ein Vierteljahrhundert im Amt, ist Johannes Paul II so schwach, dass er an Ostern 2001 nicht mehr sämtliche Aufgaben des Nachfolgers Petri übernehmen konnte. Er selbst erwartet sein baldiges Ableben, wie die Tatsache zeigt, dass er in den letzten Jahren rund 90 Prozent aller seinen Nachfolger wählenden Kardinäle selbst ernannt hat, davon ein Dutzend in den letzten Monaten. Er selbst hat außerdem das dritte Wunder von Fatima und dessen Voraussagen veröffentlichen lassen. Und Sekten in aller Welt erwarten eine Zeitenwende, wenn nicht sogar den Tag des Jüngsten Gerichts.

All dies dürfte nicht nur für amerikanische Leser im sogenannten Bibelgürtel des Mittelwestens von hohem Interesse sein. Patterson stellt auch wissenschaftsgläubige Leser auf die Probe: Welche Erklärungen haben sie parat, falls wirklich schwangere Jungfrauen auftauchen sollten? Durch rationale Erklärungen, auf die vor allem Anne stößt, stellt er diese Leser sogar zufrieden.

Patterson liefert also ein auf den ersten Blick unterhaltsames Garn, das allerdings für viele Leser von Brisanz sein kann. Das Thema steht in einer Reihe mit den Gentechnik-Thema in "Wenn der Wind dich trägt". Und es ist sicherlich berechtigt, einen Patterson über Kloning zu erwarten. Aber vielleicht lässt sich ja bereits "Wiege des Bösen" als eine Verarbeitung des Themas Kloning betrachten?

Mir persönlich gefallen Pattersons Romane um den Washingtoner Kommissar und Polizeipsychologen Alex Cross besser. Hier gibt es eine Entwicklung des Helden und seiner Familie. Und es gibt immer eine Handlung, die sich mit den besten Thrillern messen kann. Beispiele gefällig? "Wenn Mäuse Katzen jagen", "Denn zum Küssen sind sie da" und "Sonne, Mond und Sterne" sowie "Pop goes the weasel". Hier kritisiert Patterson aktuelle Mißstände in der Verbrechensbekämpfung in der amerikanischen Hauptstadt. Und das hat wesentlich mehr Hand und Fuß als eine Story über den Jüngsten Tag.

Michael Matzer © 2001ff

Info: Cradle and all, 2000; Bastei-Lübbe 2001, Nr.14504, Bergisch Gladbach; 333 Seiten, DM 16,90, aus dem US-Englischen übertragen von Karin Meddekis






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