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Wenn (angeblich) Haruki Murakami’s „Gefährliche Geliebte“ mit seinen erotischen Beschreibungen einst schon zum Zerwürfnis des literarischen Quartetts geführt hat, müsste HOTEL IRIS ein Übriges tun. Sexuelle Praktiken sadomasochistischer Ausprägung zwischen einem älteren Herrn und einem siebzehnjährigen Mädchen als zumindest vordergründiger Mittelpunkt des Buches - das riecht nach kalkuliertem Schielen auf Skandal, nach Aufguss dessen, was im täglichen „Erotikangebot“ der einschlägigen Sender längst gang und gäbe und deshalb beim bewegten Bild längst nicht mehr skandalträchtig ist. Kommt es aber im Gewand „seriöser Literatur“ daher, fühlen sich Kulturhüter und Sittenwächter immer noch schnell auf den Plan gerufen. Aber der Aufschrei wäre ebenso ungerechtfertigt wie bei Murakami. (Womöglich bleibt er auch schon deshalb aus, weil das Buch von einer Frau geschrieben wurde.) Hotel Iris ist das Gegenteil von einem Sich Ergötzen an trendiger Tabulosigkeit: es ist ein verführerisch verstörendes poetisches Meisterwerk.
Ausgangspunkt ist eine Szene im titelgebenden Hotel. Die Ich-Erzählerin Mari wird zusammen mit ihrer Mutter, die das Hotel leitet, und anderen Hotelgästen Zeuge davon, wie eine Prostituierte einen älteren Herrn lautstark beschimpft, ihn abartiger sexueller Neigungen bezichtigt. „Schweig, Hure!“ ruft der Mann ihr hinterher, und diese beiden Worte, vielmehr die Art und Weise ihrer Intonation sind es, die das Mädchen zutiefst beeindrucken. „Die Stimme hatte einen vollen, tiefen Klang, bar jeder Gereiztheit oder Wut, und einen überlegenen Tonfall. Wie wenn der erste Ton eines Cellos oder Horns sich aus der Stille erhebt... Noch nie hatte ich einen derart wohlklingenden Befehl gehört – gelassen, würdevoll und gebieterisch.“
Wochen später begegnet Mari dem Mann wieder. Sie geht ihm nach, sie kommen ins Gespräch, und sie erfährt, dass er zurückgezogen auf einer Insel wohnt und als Russischübersetzer arbeitet. Nach kurzer Unterhaltung verabschieden sie sich, der Übersetzer, wie er fortan nur noch genannt wird, fährt mit der Fähre zurück auf seine Insel. Einige Tage später erhält Mari einen Brief, in dem der Übersetzer - galant, freundlich, feinfühlig - seine Dankbarkeit über die Begegnung mit ihr ausdrückt und um ein weiteres Treffen bittet. Es entspinnt sich ein regelmäßiger Kontakt, der bald in eine intensive sexuelle Verbindung mündet, ein Spiel mit festen Regeln: Die symbiotische Luststeigerung aus Demütigung und Gedemütigtwerden, Strafe und Gehorsam, Macht und Unterwerfung.
Die Geschichte von Leidenschaft und Obsession dieses ungleichen Paares ist nicht Selbstzweck. Vielmehr ist sie zugleich Spiegelbild und Fluchtpunkt ihrer beider „offiziellen“ Leben, von denen man aus einer Vielzahl wundervoller kleiner Szenen mehr und mehr erfährt. Das offizielle normale und das heimliche außergewöhnliche Leben gehen eine zunehmend nahtlose und natürliche Verbindung ein, erklären sich auseinander.
Yoko Ogawa erzählt mit einer Authentizität, die dem Innenleben der Personen ebenso wie der sie umgebenden Szenerie eine ganz außergewöhnliche Präsenz verschafft. Sie tut es mit einer Poesie und lakonischen Sinnlichkeit, die einem den Atem verschlägt. Die Geschichte ist von der ersten bis zur letzten Seite perfekt komponiert. Kein überflüssiges Wort, kein Füllmaterial, keine störenden Erklärungsmuster. Dafür eine Fülle von Momentaufnahmen die unendlich viel offenbaren. Jedes Wort, jeder Satz ist Neuland.
Schon jetzt hat sich die Verlagsbuchhandlung Liebeskind zur Premiere ihres Verlagsprogramms mit der Erstübersetzung dieser in Japan vielfach ausgezeichneten Autorin große Verdienste erworben. Man kann nur danken und gratulieren!
Textauszug:
Es
war der Beginn der Sommersaison, als der Mann im Hotel Iris übernachtete.
Seit dem Morgen hatte es unablässig geregnet, und gegen Abend wurde
der Regen noch stärker. Das Meer war aufgewühlt und grau. Beim
Ein- und Ausgehen der Gäste wehte die Nässe ins Foyer, so daß
der Teppich einen unangenehm feuchten Geruch verströmte. Die umliegenden
Geschäfte hatten ihre Leuchtreklamen ausgeschaltet. Nur wenn gelegentlich
ein Wagen durch die menschenleeren Straßen fuhr, konnte man die
Regentropfen im Licht der Scheinwerfer sehen.
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Danke.
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