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Amélie Nothombs absurde „Autobiographie“ der frühsten Kindheit
Was denkt ein Kind in jener Phase des Lebens, an die man sich später nicht mehr erinnern kann? Wie erlernt ein Mensch die Sprache? Wie sieht sie aus, die Welt eines 0 bis 3-jährigen Kindes? Bestimmt nicht so, wie Amélie Nothomb, Meisterin der außergewöhnlichen Perspektive, sie in „Metaphysik der Röhren“ beschreibt. Denn diese fiktive „Autobiographie“ der Jahre Null bis Drei verlässt von der ersten Seite an den Boden des Realen und spielt in den Gefilden einer herrlich grotesken, amüsant-unmöglichen Weltsicht. Die eines Babys, das die ersten zwei Jahre regungslos im Bett liegt und nichts tun und denken will, um sich mit einem Mal zu geflügelten philosophischen Sentenzen aufzuschwingen. Unmittelbar nach der Geburt vergleicht sich Nothombs absurder Baby-Erzähler mit einer Röhre: Einem durchlässigen Gebilde, dessen einzige Beschäftigung Schluck- und Verdauungsvorgänge und – als deren unmittelbare Folge – Stuhlgang sind. Einem Wesen ohne gezielten Blick, der lebenden Negation des Heraklit'schen „Alles fließt“. Die Eltern sind ratlos, versuchen alles, konsultieren Ärzte, spielen dem Kind Musik vor, entziehen die Nahrung, sorgen für Veränderung. Doch: „Die Veränderung veränderte nichts. Eine Zimmerpflanze hätte mehr Lärm gemacht.“ Erst ein „geistiger Zufall“ regt das Kind zur Bewegung an: „Eine Windung der grauen Masse des Gehirns gebiert absichtslos einen fürchterlichen Gedanken, eine entsetzliche Vorstellung – und binnen einer Sekunde ist es für immer aus mit dem inneren Frieden.“ Zum Leidwesen der Eltern fühlt sich das seiner paradiesischen Ruhe entrissene Baby irgendwie betrogen und beginnt zu schreien. Voller Zorn und pausenlos. Unzufrieden mit der Existenz als sprachloses Wesen hört das Kind erst zu schreien auf, als es von der Großmutter herrlich schmeckende belgische Schokolade zu essen bekommt. Mit diesem ersten erfahrenen Genuss entdeckt das Baby einen Sinn und seine Identität. Aus einem willenlosen „Es“ wird ein bewusstes „Ich“. Aber Vorsicht: das Kind ist auch jetzt kein normales Kind. Es kann bereits die kompliziertesten Gedanken spinnen, beherrscht die Sprache bis zur komplexesten philosophischen Idee. Kultu-relles Wissen wird durch den Kakao gezogen, das allseits be-liebte Zitieren berühmter Sätze wird ironisiert, wenn das Kind überlegt, ob es als ersten Satz „E=m.c2“ oder „Für wen sind die Schlangen, die auf euren Köpfen zischen?“ aussprechen soll. Letztendlich fügt es sich aber doch in die Rolle eines Kleinkindes und tut ganz bewusst so, als ob es ein Wort nach dem anderen lernt. „Eltern sind eine sehr empfindliche Art Menschen; man muss ihnen die klassischen Babywörter präsentieren, bei denen ihnen die eigene Wichtigkeit sinnfällig wird.“ Deshalb zuerst das klassische Mama, direkt gefolgt vom ebenso klassi-schen Papa, um niemanden zu verärgern. Die 1967 in Japan geborene Belgierin Amélie Nothomb erzählt schnell, wild, originell und respektlos. Mit einem Wortwitz, der Spaß macht und die absurde Perspektive unterstützt. Problemlos folgt der Leser der verqueren Sichtweise dieses Kindes. Der entscheidende Unterschied von „Metaphysik der Röhren“ zu anderen Romanen, die ein Kind als Erzähler haben, ist allerdings, dass Amélie Nothomb keinen Hehl daraus macht, dass ein Kind niemals so denken könnte, wie sie es beschreibt. Dadurch vermeidet sie die umständlichen und oft peinlichen Versuche anderer Werke, eine realistische Kinderperspektive nachzuahmen. Und schafft es trotzdem, unser Interesse auf das verspielte, naive Denken eines Kindes zu lenken. „Metaphysik der Röhren“ wird zu einer genussvollen Lektüre, sobald man die anfangs zu mühsam entwickelte Grundidee geschluckt hat. Spätestens wenn man der Erzählerin durchs dritte Lebensjahr folgt, wenn man mit ihr den Mund über seltsame japanische Bräuche wie das No-Singen nicht mehr zukriegt, wenn man sich über Eltern ärgert, die immer das falsche Geburtstags-geschenk aussuchen, wenn man mit ihr Lügengeschichten vor ihrer Schwester spinnt, wünscht man sich wie sie, dass sie immer ein Kind bleiben könnte. Denn viel zu schnell ist ihre schöne Erzählung vorbei.Bücher neu und gebraucht bei amazon.de |
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