Mikael Niemi

Populärmusik aus Vittula

Sonstige. BTB, München. 303 Seiten. 19.90 EUR . ISBN: 3442750717

Pop und Theorie zu Musik in Vittula
Mikael  Niemi: Populärmusik aus Vittula

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Als Erzähler war er in Skandinavien bereits eine feste Größe, da legte Mikael Niemi Populärmusik aus Vittula vor. Das Svenska Dagbladet war völlig aus dem Häuschen, der Roman schoss in Polepositionen der Verkaufscharts, erhielt Preise, ging eine halbe Million mal weg - und wurde mehrfach übersetzt. "Tjus lätmi isamatö råckönråll mjosik!", schwärmen die einen. Inwiefern eine Geschichte aus einer der nordischsten Provinzen Europas weltweit zu verstehen sei, fragen sich andere. Der Augustpreis (Schwedens Booker Award) war dem taz-Rezensenten nicht genug, er orderte gar den Literaturnobelpreis für Niemi.

Der Autor aus der Einöde Tornedalfinnlands im äußersten Eck Schwedens, bleibt cool. Und humorvoll. Gewitzt und voller Lakonie und Melancholie. So ist das halt, wenn man vom Land in die Stadt kommt. Populärmusik aus Vittula ist sein erster Roman.

Mikael Niemi: Mein erster Roman für Erwachsene. Vorher habe ich einige Sachen für ein junges Publikum geschrieben, mehr als ein Dutzend Bücher für Kinder und Jugendliche. Außerdem habe ich viel fürs Theater geschrieben, aufgeführt wurden auch um die zwanzig Stücke; geschrieben habe ich mehr. 1988 habe ich damit angefangen, mit dem Roman ein paar Jahre später.

Aus Skandinavien kamen bereits einige Rock & Roll-Romane: Zum einen Tredje Stenen från Solen (auf Deutsch My Generation, 1996) von dem Schweden Claes Holmström...

Niemi: Nie gehört.

Außerdem Lars Saabye Christennsen...

Niemi: Kenne ich, ja.

...dessen 1984 veröffentlichter Roman Beatles (auf Deutsch Yesterday) im Jahr 1964 einsetzt... Niemi: Davon habe ich gehört. Aus Norwegen, das müsste ich also gelesen haben. Habe ich aber nicht. Du?

Teilweise.

Niemi: Und?

Mich ödet es an, wenn Rock&Roll als Hintergrundrauschen für eine Coming-of-Age-Geschichte herhalten muss - und dann auch noch alles mit den Beatles beginnt.

Niemi: Aha! Du hast was gegen die Beatles? Okay, okay, okay, kein Problem.

Nein. Es ist mir nur zu vorhersehbar.

Niemi: Okay, okay. Für mich ist Musik einfach Musik. Sie ist wie das Thema in einer Art Tagebuch. Und sie ist echt. So zum Beispiel Jailhouse Rock: das kennt man weltweit, auch wenn es vielleicht kein so großartiges Stück Musik ist. Aber ich kann mich genau daran erinnern, wie ich es das erste Mal im Radio gehört habe. Genauso Rock & Roll Music, gespielt von den Beatles: die haben mir den Rock'n'Roll näher gebracht, speziell John Lennon. Obwohl das Stück von Chuck Berry war. Als ich das zum ersten Mal gehört habe, als kleiner Junge, da habe ich zum erstn Mal richtig zugehört. Vorher hat man bei Musik nie so genau hingehört, sie ief halt, und das war's. Aber dann, so um 1967, hat man sich einen Plattenspieler gekauft, zum ersten Mal, und dann ist man los, Schallplatten kaufen. Weil es bei uns im Dorf keine gab, musste man dafür in die große Stadt reisen. Auch deshalb war für uns Radio von ungeheurer Bedeutung, vor allem Radio Luxemburg. Und ich wollte immer mehr und mehr davon, es gab kein MTV. Und diese rohe Energie... die war es, was die Gesellschaft verändert hat. Für mich war es der eine Song, der das alles in Gang gesetzt hat, darauf geht es zurück. Heute, inzwischen spiele ich selbst Gitarre, höre ich na klar auch andere Sachen, aber dieser eine Song ist immer noch etwas ganz Besonderes.

Was hörst du heute so?

Niemi: Ich habe mir gerade eine CD einer deutschen Band gekauft: Rammstein, ha ha ha! Gefallen mir wirklich gut. Diesen Sommer habe ich die zum ersten Mal gehört, und zwar im Radio, wo sie Mutter spielten, was mir auf Anhieb gefallen hat. Ich mag Gitarren, nicht nur Heavy Metal, sondern auch Punkrock und so Sachen. Ich werde älter, klar, aber diese Energie ist es immer noch, die mir besonders Spaß macht. Aber wenn Bruce Springsteen kommt, sehe ich mir den natürlich auch an, keine Frage. Als er im Jahr 2002 kam, hatte ein Freund im Internet sofort Tickets gekauft. Zum Glück: Das war in zwanzig Minuten ausverkauft! Ich habe Springsteen 1981 zum ersten Mal gesehen, und das war unvergesslich. Genauso 1985...

Es gibt doch auch eine Menge gut dröhnender finnischer Bands...

Niemi: Oh!

...wie Hanoi Rocks, Havana Blacks...

Niemi: Die kennst du?!

...Gringos Locos...

Niemi: Na, da kennst du mehr als ich. In Schweden gibt es auch einiges, also nicht nur Roxette, sondern auch Hellacopters, die gehen gut ab.

Dann natürlich, bekannt wie Ikea: Abba. Mancher meint, die gehören in eine Liga mit den Beatles.

Niemi: Nein. Das bestimmt nicht. Sicher, sie haben einige gute Songs und Melodien geschrieben, aber... kein Vergleich. Und sie waren auch für Schweden sehr wichtig, weil sie zeigten, dass das geht, dass man aus dem hohen Norden kommen kann und weltweit einigermaßen für Aufsehen sorgen. So gesehen sind sie schon sehr wichtig, besonders für Schweden, aber ein Vergleich zu den Beatles wäre unsinnig.

Zurück zum Buch. Matti und Niilas Traumata, das Dilemma des Teenagerdaseins und Rock'n'Roll sind in den meisten Industrienationen ähnlich. Dagegen sind Geburt, erste Besäufnisse und Bumsereien in Saunen eher regional spezifisch. Wie lässt sich das in andere Territorien übertragen?

Niemi: Es wird interessant, zu sehen, ob das geht. Ich kenne mich mit anderen Territorien nicht sonderlich gut aus. So wie ich kommt meine Frau aus einer Gegend, die eher übersehen wird, aus Friesland. Von ihr weiß ich, dass vieles bei uns in Tornedal etwas ganz Besonderes ist, aber gleichzeitig ist das wohl bei jeder Kultur so, wenn man erst tief genug hineingeht. Was bei uns besonders ist, das ist die Kombination aus der schwedischen und der finnischen Kultur. Und die Landschaft. Schnee ist ein Teil des Alltags, in manche Gegenden während jeder Jahreszeit. Er nimmt auf jeden Fall einen Großteil deines Lebens ein. In Stockholm ist das ganz anders: da liegt nicht einmal im Winter richtig Schnee, da ist es einfach nur grau. Bei uns liegt Schnee, rund um einen herum, wo man auch hingeht. Was heißt 'geht'?, ich bin jede Woche auf Skiern unterwegs. Und die Sauna: In Finnland erfunden und Teil jedes Haushalts. Jeder einfache Arbeiter hat da seine eigene Sauna. In Schweden sind sie dagegen so etwas wie das Refugium für Yuppies, für Reichen. In Finnland kommt man schon als Baby in die Sauna, vor der Geburt sogar,also zur Geburt - und genauso vor dem Tod, in den letzten Phasen des Lebens, weil es den Körper reinigt. Da wird die Sauna zu einer Art Bestattungsinstitut. n der Sauna wird man geboren, und man stirbt - fast - darin. Das ist also auch ganz anders als bei den Schweden. Genauso die Mentalität der Leute. In Finnland ist man sehr ruhig, zurückgezogen, still außer beim Trinken. Deshalb trinken wahrscheinlich so viel. Nachdem ich lange in Finnland gewohnt habe, schätze ich auch den Humor, sehr trocken, oft sehr hart, fast brutal - aber auch sehr treffend.

Eine andere Sache ist, dass die Gemeinschaft in so einem finnischen Dorf natürlich auch sehr viel enger geknüpft ist als anderswo. Jeder kennt jeden. Geht man in den Supermarkt, dann ist es ein kontinuierliches 'Hallo, hallo, guten Tag, hi, hallo...'. Ich meine, wenn man in Frankfurt in den Supermarkt geht, ist das ganz anders, da gucken die Leute einen noch nicht einmal an. Deprimierend, wenn man so keines Blickes gewürdigt wird. Obwohl das auch Vorteile haben kann, ja, schon klar. Ich meine, in Finnland sind sie gegenüber abweichenden Lebensformen eher konservativ eingestellt. Man wird scheel angesehen, wenn man als Mann mit seinem Baby zum Bäcker geht, oder wenn man wie ich Gedichte schreibt. Sie denken dann nicht gleich, dass man ein Homo ist, aber es geht in die Richtung, he he.

Wie ging der Umstieg von Lyrik zu Prosa vor sich?

Niemi: Prosa habe ich schon vorher geschrieben, aber nie in so langer Form, also im Roman. Für mich ist das die schwierigste Disziplin, schwieriger auch als Dramen. Ich liebe die Kurzform, also Gedichte, Shortstories, auch Dramen machen richtig Spaß. Als ich an dem Roman saß, musste ich mein ganzes Leben und Denken umstellen. Ich musste sehr darauf achten, nicht so sehr... nicht so sehr ins Detail zu gehen. Wenn man sich, wie in einem Gedicht, in Details verliert, dann wird das Buch am Ende zu heavy. Das ist eine große Gefahr: dass man zuviel reinpackt. Beim Schreiben eines Romans muss man eine andere Perspektive einnehmen, mehr wie ein Vogel hoch oben in der Luft. Außerdem muss man anders Denken, man muss die Sprache anders einsetzen. Das fiel mir sehr schwer. Dieses Buch zu schreiben, fiel mir wirklich sehr sehr schwer. Es hat mehr als zehn Jahre gedauert, bis ich den Dreh raus hatte.

(c) Matthias Penzel, 2006.






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