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Bekannt wurde Heiner Müller als Dramatiker und Zeitkritiker aus der DDR. Er bearbeitete griechische Tragödien und Stoffe von Shakespeare, fiel aber schon 1961 mit der Komödie "Die Umsiedlerin" in Ungnade. Der Autor, dem es immer um Geschichte und die "deutsche Misere" ging, kam erst durch die Wende wieder zu Ehren. Von 1992 bis zu seinem Tod im Dezember 95 leitete er das berühmte "Berliner Ensemble". Als Lyriker wurde dieser Autor erst drei Jahre später sichtbar – mit dem ersten Band seiner gesammelten Werke. Die vorliegende Auswahl von Gedichten, darunter viel aus dem Nachlaß, hat Durs Grünbein getroffen und kommentiert: einer, den Heiner Müller gefördert hat, auch Sachse, auch Lyriker, und mit Anfang 30 schon Büchner-Preisträger obendrein.
Ein Gedichtbuch ist da entstanden, mehr für zeitkritisch-wache Leser kurzer Texte, die lieber mal öfter ins Theater gehen als sich gesammelte dramatische Werke zu kaufen. Dieses Büchlein kann man sogar mehrmals lesen – von vorne, von hinten, oder einzelne Texte zum Widerkäuen. Wie zum Beispiel das Titelgedicht "Ende der Handschrift", geschrieben mit 65 Jahren, kurz vor dem sicheren Krebstod:
"Neuerdings wenn ich etwas aufschreiben will / Einen Satz ein Gedicht eine Weisheit / Sträubt meine Hand sich gegen den Schreibzwang / Dem mein Kopf sie unterwerfen will / Die Schrift wird unlesbar / Nur die Schreibmaschine / Hält mich noch aus dem Abgrund dem Schweigen".
Zum einen stirbt hier einer öffentlich den THEATERTOD, "ein letztes Solo, das um Beifall wirbt", wie es an anderer Stelle heißt. Doch zum zweiten tut er das höchst intelligent, in schönen, strengen Rhythmen und in kraftvollen, dicht gedrängten Bildern. Da wird das Gedicht zum persönlichen Kern der Weltaneignung, zur Schrumpfversion ganzer Theaterstücke, wie zum Beispiel in folgenden Versen:
"In den Buchläden stapeln sich / Die Bestseller für Idioten / Denen das Fernsehn nicht genügt / Oder das langsamer verblödende Kino / Ich Dinosaurier nicht von Spielberg sitze / Nachdenkend über die Möglichkeit / Eine Tragödie zu schreiben Heilige Einfalt / Im Hotel in Berlin unwirklicher Hauptstadt / Mein Blick aus dem Fenster fällt / Auf den Mercedesstern / Der sich im Nachthimmel dreht melancholisch /Über dem Zahngold von Auschwitz und anderen Filialen / Der Deutschen Bank auf dem Europacenter / Europa Der Stier ist geschlachtet das Fleisch / Fault auf der Zunge der Fortschritt läßt keine Kuh aus / Götter werden dich nicht mehr besuchen".
Und zum dritten stirbt der Dichter Heiner Müller durchaus historisch. Drei Staaten hat er untergehen sehen: Die Weimarer Republik, Nazideutschland und die DDR. Auch der Lyriker Müller versteht sich als Chronist der Geschichte. Auf diese Tradition greift er ständig zurück, etwa mit den Zeilen über SENECAS TOD auf Kaiser Neros Befehl:
"DIE FRAU INS NEBENZIMMER SCHREIBER ZU MIR / Die Hand konnte den Schreibgriffel nicht mehr halten / Aber das Gehirn arbeitete noch die Maschine / Stellte Wörter und Sätze her notierte die Schmerzen".
Seit der Krebsdiagnose 1991 sind alle Gedichte datiert. Das geschieht aber nicht einfach nur mit dem eitlen Blick auf Nachruhm und Größe. Auffallend auch die konzentrierte Zuwendung für die Schönheit der kleinen Dinge: Ein Insekt, das übers Papier läuft, das Gesicht der Frau, der Tochter. Freilich, ein Abgesang; nur, was war zu erwarten bei diesem 20. Jahrhundert? Freilich, ein Lästermaul, wer die "Trauer der Experten" in scheinheiliger Rührung vorwegnimmt. Doch dem Scharfblick dieses Dichters entgeht weder die eigene Eitelkeit noch die Scham darüber. Für Heiner Müller war Optimismus immer bloß Mangel an Information. Vor dem Zynismus bewahrte ihn nur das Mitleid für jedes Opfer von Verrat an der Mitmenschlichkeit. Widmar Puhl, SWR 2
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