Klaus Modick
Weg ist weg
Roman. Isensee, ISBN: 3-89598-518-X
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Was tut ein Autor nicht alles, der völlig unerwartet um die Früchte seiner langjährigen Arbeit gebracht wird? Würde er nicht die wildesten Abenteuer aushalten, die schrecklichsten Torturen durchstehen, um sein Meisterwerk wiederzubekommen?
Dem Schriftsteller Lukas Domczik, dem Held des Buches "Weg war weg" passiert dieses, zugegeben Schlimmste, was Autor passieren kann. Mitsamt dem Auto, das ihm eines Tages gestohlen wird, ist auch das 624-Seiten starke Manuskript seines neuen Buches "Nachtexpress in Babylon" verschwunden. Er hatte es auf dem Beifahrersitz in einer Tüte mit der Aufschrift "Käse aus Deutschland" deponiert. Erst als Domczik völlig unvorbereitet Opfer einer Drogenrazzia wird, hat er eine erste Spur, die zum Manuskript führt. Auf der weiteren Suche nach seinem Manuskript hat Domczik unbeschreibliche Abenteuer zu bestehen und muß sich in die Niederungen eines Lebens begeben, das so gar nicht zu seinem bisherigen intellektuellen Selbstverständnis passen. Mit den Lehrlingen einer Autowerkstatt spielt er Skat, wird von der Frau eines Weinhändlers zuerst mit Sherry abgefüllt, dann fast verführt, begibt sich in den abenteuerlichen Dschungel einer alternativen Buchhandlung, geht einem Ofensetzer zur Hand und muß am Ende sogar noch eine Sitzung der merkwürdigen literarischen Gruppe "Satzbauhaus" über sich ergehen lassen. Nebenbei erfährt der interessierte Leser etwas über das völligen Fehlen von Kfz-Werkstätten in der Gegenwartslitartur und hört davon, inwiefern Weihnachtsbaumschmuck den postmodernen Roman wiederspiegelt. Wer immer schon mal erfahren wollte, warum die Kinderüberraschung Kinderüberraschung heißt bekommt in diesem Roman endlich eine kluge Antwort: nämlich wegen des immateriellen Lustmoments bei der Überraschung, die dadurch zustande kommt, daß ein das Ei zerbeißende Kind noch nicht weiß, auf welchen Gimmick es treffen wird. Während Domczik ahnungslos von einer Situation in die andere stolpert, erinnert er sich ständig an Passagen aus dem Roman, muß aber am Ende feststellen, daß er sich selbst wohl zu ernst genommen, den vermeintlich großen (Roman)wurf völlig überschätzt hat.
"Weg war weg" ist ein stellenweise saukomische Satire auf verkrampfte Intellektuelle, die sich selbst allzu wichtig nehmen und die Banalität des Lebens mit ihrem verkopften Denken völlig überfrachten. Modick setzt vor allem auf jene Situationen und Ereignisse, die so gar nicht zum literarisch verbildeten Intellektuellen Domczik passen wollen. Domczik wird genau mit dem konfrontiert, was er nicht ist. Es ist schon erfrischend zu lesen, wie Domczik, der selbstverständlich mit Literatur umgeht, z.B. erfahren muß, daß Kfz-Mechaniker oder Handwerker dieses Thema nicht die Bohne interessiert.
Modick arbeitet dabei mit denselben intellektuellen Mitteln, die auch die Gebildeten einsetzen, nur, daß er sie in aberwitzigen Situationen einsetzt. Durch diese Verbindung von völlig gegensätzlichen Lebensbereichen schafft Modick eine erfrischende Konfrontation und parodiert gleichzeitig das Rollenverständnis arroganter und auf sich selbst fixierter Intellektueller. Nichts gegen Intellektuelle, aber müssen sie sich selbst gleich so bierernst nehmen oder ihre mittelmäßige Schreibe gleich für eine Offenbarung halten?
Der Schriftsteller Domczik wird genau mit dem Leben konfrontiert, das er bisher vermieden hat. Für den Leser ist diese Horizonterweiterung Domcziks ein amüsanter Lesegenuß. Das Leben, so merkt Domczik dann, nachdem er das Manuskript wiederbekommen hat, ist viel interessanter als das ganze postmoderne Geschwafel (wobei auch in diesem Buch NICHT geklärt wird, was eigentlich unter "postmodern" zu verstehen ist!).
Klaus Modick: Weg war weg. Roman-Verschnitt, Rororo Taschenbuch
(Christoph Steven)
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