Hans-J. Massaquoi

Neger, Neger, Schornsteinfeger

Sonstige. Knaur, 9.90 EUR . ISBN: 3-42661-854-0

Zur Weißheit bestimmt
Hans-J.  Massaquoi: Neger, Neger, Schornsteinfeger

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Schon an der Übersetzung des englischen Titels "Destined to Witness" (also: "Bestimmt zum Weiß-Sein") in den zitierten Kinderreim "Neger, Neger, Schornsteinfeger" wird deutlich, dass sich sowohl Thematik als auch Erfolg der deutschen Übersetzung am eigentlichen Thema des Werkes von Herrn Massaquoi vorbei bewegen.

Für die schwarze Befreiungsliteratur der USA war und ist es ein Thema, das farbige Identität nicht durch "weiße" Erziehung gewonnen werden kann. Solange Santa Claus aus jedem Kamin immer noch weiß herauskam..., solange eine Barby keine schwarze Entsprechung hatte, wurde farbigen Kindern ein weißes Ideal eingepflanzt, an dem sie sich messen, dem sie aber nie (und das unterscheidet sie zum Beispiel von am Barby-Ideal verkümmernden, da Bulimie-gefährdeten weißen Kindern) entsprechen konnten. So entsteht in ihnen, wenn schon nicht eine Sklaven-Mentalität, so doch die Mentalität einer B-Person. Eines Menschen, der den Idealen der A-Personen treu verschrieben, dieselben stützend, sie doch selbst qua Geburt nie erreichen kann.

Vierzig Jahre war Herr Massaquoi Journalist führender afroamerikanischer Zeitschriften, die dieses Thema immer wieder gemeinsam mit Spitzenautoren und -autorinnen von Haley bis Morisson beackerten.

Und unter dieses Thema hat er auch sein Buch gestellt: Erzogen zum Weiß-Sein.

Sein Thema, sein Leiden aus dessen Überwindung er seine Persönlichkeit formte, ist die falsche Identität, die ihm vermittelt wurde. Die den schwarzen Jungen voll Stolz das Hakenkreuz an der Weste tragen ließ. Die ihn verzweifeln ließ, dass er kein Hitlerjunge werden durfte. Eine Erziehung an seiner eigenen Identität vorbei. Eine Erziehung allerdings, der seine weiße deutsche Mutter aufopferungsvoll und ebenso genial wie erfolgsbegrenzt gegenzusteuern suchte.

In der deutschen Lesart dagegen geht es um plumpes Bemitleiden eines dem ebenso plumpen Rassismus ausgesetzten Knaben. Und es ist mir als Deutschem regelrecht peinlich, gerade dieser weinerlichen Sensibilität den Erfolg des Buches zuschreiben zu müssen.

"Der arme Negerjunge! Wenn man ihn "Schornsteinfeger" nennt, ist das doch böse! Aber wenn ich "Negerkuss" sage, dann ist das lieb gemeint. Ich mag ihn nämlich und streichel ihm nur zu gern über’s Kraushaar!"

So ungefähr. Das ist das "gute" kryptorassistische Deutschland. Das kapiert so ein Buch einfach nicht. Aber immerhin: Es zahlt dafür.

Zeit also, sich kritisch mit dem Anliegen von Herrn Hans J. Massaquoi zu beschäftigen. Warum nennt er sich eigentlich nicht Hans-Jürgen, so, wie er getauft wurde? Hat das nur mit einer gängigen Amerikanisierung der Schreibweise zu tun? War ihm das Hans-Jürgen zu brav? Warum legte Herr Massaquoi so sein deutsch bürgerliches Ich ab? Gibt ihm das Amerikanisierte mehr Halt, wo doch dies auch "weiße" Sprache und Namensregel ist? Fand er seine Identität zwischen anglo-weißem Vor- und franko-schwarzem Nachnamen?

Um der Frage nachzugehen, müssen wir ins letzte Drittel des Buches schauen, dorthin, wo der Autor auf der Suche nach seinen african roots in der Elfenbeinküste seinen Vater aufsucht. Dieser ist offenbar wirklich der alte schwarze Arsch, als der er im Buch beschrieben wird. Ich kenne solche Typen. Sie bedienen sich auf zwei, respektive drei Kontinenten der Vorteile der jeweiligen Werteskalen, ohne sich um die jeweils damit verbundenen Pflichten zu scheren.

Will heißen: In Europa nimmt man die weiße Frau mit (für viele Afrikaner einfach ein Statussymbol, da nicht zuletzt aufgrund der oben erwähnten defizitären Erziehung Weiß = Geld & Macht gesetzt wird). Anstandshalber wird wohl angeboten, sie nach Afrika mitzunehmen, aber das ist so ernst nicht gemeint. Denn das Selbstbewußtsein und die relativ sexuelle Eigenbestimmung, sprich das Sich-Zurückziehen vieler weißer Frauen ist denn dann auch nicht gewollt. Also lebt man in Afrika die dort übliche Promiskuität in ihren jeweiligen Facetten (muslimisch: o.k. / natural: teuer, da Familienansprüche / christlich: preiswert, da per Sündenbekenntnis zu erledigen) aus, benutzt Kinder lediglich als potentielle Einflussmöglichkeiten und sieht zu, dass möglichst einer von ihnen in die USA (im Notfall geht auch Europa) zum Studium und anschließendem Geldverdienen kommt, um möglichst viel von der investierten Kohle per Clan-Verantwortung wieder abzusaugen. Extrem sind die Töchter dran, die sich in den weißen Ländern zudem noch prostituieren müssen, um den finanziellen Mindesterwartungen der african family nachkommen zu können. Zu Hause dürfen sie indes diese Erwerbstätigkeit nie, aber auch wirklich niemals, zur Sprache bringen. "the fame of family" würde damit unwiderruflich beschmutzt.

Genau für ein solches System steht Massaquois Vater.

Aber weil Hans-Jürgen zuerst die Nazi-Scheiße und die Verleugnung seiner eigenen Identität durchgemacht, und weil er später danach afroamerikanisch ideologisiert ist, bringt er es nicht fertig, das afrikanische Zwischenspiel einzutakten. Er erzählt es zwar, doch ohne etwas Eigenes, ohne eine Position aufzubauen. Wie sollte er auch. Geht einfach nicht. Oder?

Wenn ich auf der Suche nach einem guten Kinderbuch für farbige Kinder bin, finde ich in Deutschland nur entweder diesen Hab-die-Negers-doch-bitte-auch-lieb-Mist oder engagierte Bücher, die letztendlich – ausdrücklich oder nicht – in der Aufforderung zur Auswanderung (Afrika oder USA) münden. Wo soll ein farbiges deutsches Kind oder ein solcher Jugendlicher Identität finden? Abgesehen noch davon, dass selbst ein Herr Massaquoi in betreff Deutschland nur den Westen und damit die GI-Kinder oder die älteren siebenundzwanzigeinhalb "Rheinland-Bastarde" aus der Zeit von WK I zur Kenntnis nimmt.

Für den Auf- und Ausbau einer farbigen Nische in Deutschland tragen affige Girlie-Bands wie Tic-Tac-Sonstwas oder Skandal-Talkerinnen aus k.k.-Landen leider immer noch deutlich mehr bei als magere Übersetzungen aus den USA.

Herr Massaqoi hat sein Schuldigkeit getan.

Als Unterhaltungsliteratur ist sein Buch sehr gut zu lesen. Aber es wird nicht wichtig. Ein zweitesmal nimmt man es kaum zur Hand.

Wenn er aber zurück zu seinem Hans-Jürgen fände, könnte er möglicherweise helfen, hier einen Platz für Menschen zu bereiten, wie er selbst einer war.

Reinhard W. Moosdorf






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