Andreas Maier

Wäldchestag

Roman. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main. 39.80 DM . ISBN: 3-518-41172-1

Andreas  Maier: Wäldchestag

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Die Lesungen seien "nie ein Problem" gewesen, erzählt Andreas Maier später unter vier Augen im wieder leeren Lesesaal unseres örtlichen Literaturzentrums. Im Gegenteil: Schon damals in Klagenfurt sei er bei der allerersten Lesung außerordentlich gut angekommen. Und seitdem – und dabei lächelt er etwas verschmitzt – werde er wie von einer Welle getragen, die würde vermutlich anhalten bis zum Lebensende. Einmal drinne, immer drinne.

Es ist ihm zu gönnen, einem der Newcomer der jungen deutschen Literaturszene; mit Preisen bedacht und nicht nur im literarischen Quartett einhellig gelobt für seinen Debütroman „Wäldchestag“. Ein ganz wunderbares Buch, in dem eigentlich nicht viel geschieht, es wird nur viel geredet. Unablässig wird geredet, wird erzählt, was andere erzählt haben, was diese wiederum von anderen gehört haben. Über einen gewissen Adomeit wird sich der Mund zerrissen, einem offensichtlich kauzigen Zeitgenossen aus einem kleinen Ort im Südhessischen, geplant gestorben zu Pfingsten. Und er war nicht einmal versichert! Was nun passiert, berichtet einer namens Schossau, den eigentlich etwas anderes umtreibt: Er schreibt einen Bericht „zur Vorlage an die Kommission zur Bewilligung von Kuren auf Beitragsbasis der hiesigen Kassenstelle“, nachdem er kurz zuvor in der AOK-eigenen Zeitung einen Artikel mit dem Titel „AOK-Kuren: Existenzen einen neuen Sinn geben“ gelesen hat.

Auch ein halbes Jahr nach dem großen Medienecho und bisher gut sechzig Lesungen füllt Andreas Maier mit diesem Stoff mühelos die Reihen. Entschlossen schreitet er durch den Mittelgang, wirft mit lockerer Geste seinen Schal auf das Fensterbrett, klopft wie ein Rockstar gegen das Mikro und räuspert sich kurz. Nur den Titel will er vorneweg noch erklären: Der Wäldchestag, das sei im Hessischen der Nachmittag des Dienstages nach Pfingsten, wo man erschöpft von einem halben Tag des ungewohnten Arbeitens nach einem so langen Wochenende hastig Bänke ins Freie stellt, grillt, trinkt und eben redet, redet, redet. Und er liest die Passage, wo sich alle nach der Beerdigung in Adomeits Haus treffen: etwa Herr Rudolf, die Enkelin Katja Mohr, Adomeits Schwester Jeanette, zu der Adomeit seit Jahren keinen Kontakt mehr unterhielt, der Zeitungsbreitinger und das Tante Lenchen, deren Heinzgeorg damals am zweiten Tag des Polenfeldzuges gefallen ist, wie sie immer wieder hervorheben wird; vom Likör beschwipst möchte sie von ihrer Zeit beim Reichsarbeitsdienst erzählen, denn der Reichsarbeitsdienst war ihre schönste Zeit in ihrem Leben, doch die anderen lassen sie nicht von ihrer Zeit beim Reichsarbeitsdienst erzählen. Und wo ist ihre Handtasche mit dem Parteiausweis geblieben?

Im Publikum wird viel gegrinst, wird viel gelacht über dieses intrigante, redundante, komische Reden, das kein Ende nehmen will. Schließlich findet sich eine Textstelle, wo die aufeinander Einredenden eine kurze Pause machen, Luft holen. Maier nutzt diese, um aufzuhören und aufzublicken. Niemand will aufstehen, niemand eine Frage stellen, von wegen ob er das alles selbst erlebt habe und an was er derzeit schreibe und wie es sich so leben lässt, mit dem Ruhm. Und nun? Ob er vielleicht noch etwas lesen könne? „Wie lange machen Sie denn hier?“ fragt er entgeistert sein Publikum. Und als keine klare Antwort kommt, fast flehentlich: „Ich weiß jetzt nicht, wie ich mich verhalten soll!“ – „Weiterlesen“, tönt es aus einer Ecke und er liest weiter, der Andreas Maier.

Später unter vier Augen, erzählt er vom Schreiben, vom Gefährlichen des Redens, vom Vorzug des Schweigens und dass Sprache keinesfalls etwas mit Wahrheit und Wirklichkeit zu tun haben müsse und ... Aber, er hätte jetzt wirklich genug geredet, er würde immer zu viel reden, das sei nicht gut. Nur noch erzählt er, dass man ihm erzählt habe, wir hier oben im Norden wären so zurückhaltend, so spröde und steif. Da schüttelt er den Kopf, das seien wir gar nicht. Und er redet für einen Moment wirklich nicht mehr, sondern geht die Treppe hinunter in Richtung des zu unserem Literaturzentrum gehörenden Cafe, wo schon andere auf ihn warten, die bestimmt mit ihm reden wollen.

Textauszug:
„Wiesner habe sich von dem großen Eindruck, den Katja Mohr beim Frühschoppen des Schützenvereins auf ich gemacht habe, nicht mehr lösen können. Noch Stunden nach dieser Begegnung sei er verwirrt gewesen. Er sei lange herumspaziert, zum Schützenstand und an den Horloff, dann habe er den Grünen Baum aufgesucht. Wieso er nicht in die Linde gegangen sei, habe er später nicht mehr sagen können. Möglicherweise habe er einfach nachdenken und allein sein wollen. Im Grünen Baum habe er erfahren, dass dort die Familie Mohr zu Gast sei, wegen der Beerdigung des alten Adomeit. Auch von einer jungen Tochter sei die Rede gewesen, aber der Name des Mädchens sei nicht gefallen, nur dass sie in Würzburg studiere.“


 

 






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