Ursula K. LeGuin

Ein Fischer des Binnenmeeres

SF. Edition Phantasia, Bellheim. ISBN: 3-924-95945-5

Ursula K.  LeGuin: Ein Fischer des Binnenmeeres

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"Ein Fischer des Binnenmeeres" heißt die Anthologie, die Anfang 1998 in der Edition Phantasia erschienen ist. Allein die Einleitung dieser Sammlung halte ich für einen ausreichenden Grund, sich dieses Buch nicht entgehen zu lassen, denn was Le Guin "Über Science Fiction und Leute, die sie nicht lesen" zu sagen hat, ist pointiert, voller Wortwitz und sanfter Ironie, kurz, ein Leckerbissen zum Aperitif. Außerdem läßt uns die Autorin einen Blick auf ihre eigene Sicht ihrer Geschichten werfen, was ich immer wieder sehr erhellend finde, gerade im Hinblick auf die mannigfaltigen Interpretationsmöglichkeiten.

"Erstkontakt mit den Gorgoniden" (1991) und "Die Besteigung der Nordwand" (1983) sind zwei nette kleine Pointengeschichten, die hier zu referieren ihre Kürze und mein Anstand verbieten - ich will Ihnen ja den Spaß nicht verderben!

Bei "Newtons Schlaf" (1991) handelt es sich um eine Geschichte, die der Autorin nach eigener Aussage mit am meisten Kummer bereitete, weil man sie "als antitechnologische Hetzschrift lesen" könnte (ich bin immer wieder erstaunt über die mögliche Anzahl unterschiedlichster Interpretationen ein und derselben Geschichte), als die sie nun aber ganz und gar nicht gemeint gewesen sei; ich erlaube mir noch ein weiteres Zitat aus Le Guins eigener Beurteilung: "Ich finde wirklich, wir sollten unseren Staub mitnehmen, wohin wir auch gehen. Wir sind Staub. Wir sind Erde."

"Der Stein, der alles veränderte" (1992) ist ein wunderschöner blaugrüner Kieselstein, der, wegen seiner perfekten Form in ein vorgeschriebenes Muster eingefügt, seiner Finderin die Augen öffnet für eine andere, bislang verborgene Wahrheit; nicht nur die Form, auch die Farbe spricht eine Sprache für die, die sehen können - und wollen. Eine feministische Parabel, die Wut in Mut wandelt, der aus der Überzeugung entsteht, daß eine Ordnung, die auf der Unterdrückung und Ungleichbehandlung eines Großteils ihrer Mitglieder beruht, keine Zukunft haben kann.

"Das Kerastion" (1990) ist das Ergebnis eines Workshops und das titelgebende besondere Musikinstrument die Erfindung einer Teilnehmerin, aber davon abgesehen eine typische Le Guin-Story, deren Wiedergabe ich mir ebenfalls verkneifen möchte, um Ihnen das Aha-Erlebnis nicht zu nehmen - an Ihrer Stelle würde ich auch zuerst die Story lesen und dann erst den Kommentar der Autorin in der Einleitung!

Die drei abschließenden Geschichten sind durch ihr Thema und einige Personen miteinander verbunden. Sie spielen im Universum der Ökumene, wie Le Guins große Hainish-Romane "Winterplanet" und "Planet der Habenichtse". Bereits 1969 bzw. 1974 erstmals veröffentlicht, haben beide Bücher im übrigen nichts von ihrer Faszination und der Wucht ihrer Bilder verloren, wenn man sie zum Auffrischen der Erinnerung jetzt wieder einmal zur Hand nimmt.

"Die Geschichte der Shobies" (1990), "Tanzend nach Ganam" (1993) und "Eine andere Geschichte oder Ein Fischer des Binnenmeeres" (1994) schildern aus unterschiedlichen Blickpunkten Erfahrungen mit der "Churten-Theorie", dem Le Guinschen Pendant zum Hyperraumsprung. In diesem Zusammenhang sind die Ausführungen der Autorin über die naturwissenschaftlichen Hintergründe (nicht nur) ihrer literarischen Fiktionen besonders interessant, berauben sie mich doch nicht nur einiger liebgewonnener Illusionen, sondern lindern gleichermaßen meine Verzweiflung über meine vielleicht doch nicht so gravierende technisch-physikalische Begriffsstutzigkeit.

Die "Shobies" sind die zehnköpfige Besatzung eines Raumschiffes, das erstmals seit Entdeckung der Churten-Theorie intelligente Lebewesen in Nullzeit von einem Planeten zum anderen transportieren soll. Von diesem Experiment erhoffen sich die Wissenschaftler Erkenntnisse darüber, was eigentlich während des Sprungs passiert, denn es gibt niemanden, der die Churten-Theorie versteht, geschweige denn erklären kann. Doch auch nach dem erfolgreichen Sprung der Shobies sind die Rätsel eher größer geworden, denn die Wahrnehmungen aller Besatzungsmitglieder weichen so stark voneinander ab, daß sie nur unter größten Mühen überhaupt wieder eine gemeinsame Existenzebene - und damit den Rückweg - finden.

Als Folge dieser Erfahrungen ist die Gruppe, die "Tanzend nach Ganam" churtet, deutlich kleiner und scheinbar homogener geworden. Diesmal gibt es keine Wahrnehmungsdissonanzen beim Sprung, und die vierköpfige Gruppe macht sich daran, die unbekannte Kultur des fremden Planeten zu erforschen. Allerdings gehen die zwei Männer und zwei Frauen mit sehr unterschiedlichen Erwartungen und Vorstellungen in den Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung, und die nun auftretenden Wahrnehmungsdissonanzen haben nicht das Geringste mit Temporalphysik, umso mehr mit menschlichen Schwächen zu tun. Le Guin hat hier die Konsequenzen unserer Eigenart, nur zu sehen, was wir sehen wollen, bis zum bitteren Ende durchexerziert. Der Blick in den Spiegel kann manchmal wirklich zum Fürchten sein.

Eine andere Lösung für das gleiche Dilemma bietet "Eine andere Geschichte..." - übrigens die einzige Story der Sammlung, die bereits zuvor bei uns veröffentlicht wurde (in "Rabenschwarze Träume", Heyne 10108, 1997). Der Erzähler, Tiokunan'n Hideo vom Planeten O, verdrängt eine Wahrnehmung, die sein Leben in andere Bahnen lenken würde, um seinen Traum, das Studium der Temporalphysik, nicht aufgeben zu müssen. Doch die mißachtete Wahrheit findet einen Weg, sich in Erinnerung zu bringen. Ein Versuch mit dem Churtenfeld läßt ihn in der Zeit stranden, gibt ihm die Chance, das Leben, das er einst ausschlug, doch noch zu leben.

Auch wer sich nicht unbedingt als intimer Kenner der Churtenfeldtheorie ausgeben mag, kann dieser Geschichte dennoch so manchen Reiz abgewinnen. Allein das Konstrukt einer Vier-Personen-Ehe mit all ihren Im- und Komplikationen, die das soziale Grundgerüst des Planeten O bildet, versorgt den Leser mit reichlich Stoff zum Nachdenken.

Wenn Sie dieses Buch lesen, dann achten Sie nur darauf, sich nicht einer der von Le Guin angeprangerten Todsünden eines Kritikers schuldig zu machen und nach Botschaften zu forschen. Denn: "Es gibt keine Botschaften in diesen Geschichten. Es sind keine Glückskekse. Es sind Geschichten."

Ute Perchtold/Michael Matzer(c)1999ff

Info: A Fisherman of the Inland Sea, 1994; übersetzt von Joachim Körber, Hans-Jürgen Staudenmeier, Ute Thiemann und Andreas Kasprzak






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