Uwe Kolbe

Vineta

Lyrik. Suhrkamp Verlag, 72 Seiten. ISBN: 3-518-40990-5

Uwe  Kolbe: Vineta

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Vom Prenzlauer underground zur Vinetischen Form
Uwe Kolbe zieht Bilanz. Seiner vor wenigen Monaten erschienenen Essayanthologie "Renegatentermine", einer Aufarbeitung politischer, kultureller und persönlicher Brucherfahrungen der Wendezeit, läßt Kolbe, Jahrgang 1957, den nach "Hineingeboren" (1980), "Abschiede" (1981), "Bornholm II" (1986), "Vaterlandkanal" (1990) und "Nicht wirklich platonisch" (1994) fünften Gedichtband, "Vineta", folgen. "La bilancia", das erste Kapitel, schlägt mit dem eröffnenden Titelgedicht das Generalthema an: "Meine Stadt schweigt unter dem Tosen erneuten Aufbaus / [...] Die Stadt heißt Vineta, sie liegt weit im Osten Europas, die / Glocken läuten zur gewohnten Zeit, doch in dem Schweigen / kommt das Geläut nicht weit." Treibt Kolbe hier ein riskantes Spiel mit der Romantisierung politischer Themen? Sollte das versunkene Ost-Berlin zum Spree-Atlantis oder zu einer Art poetischer yellow submarine mutiert sein? Wenngleich Vineta für Kolbe noch in seinem 1990 erschienenen "Vineteser Nachruf" im verflossenen 'Berlin - Hauptstadt der DDR' aufging, so verläßt der vorliegende Gedichtband rasch diese konkrete historische Anbindung. Das pommerschen Sagen zufolge zwischen Wollin und Damerow in den kalten Fluten der Ostsee versunkene Urbs venetorum oder Jumneta wird zur melancholischen Metapher dichterischer Existenz. Sie löst ein, was die "poetologische Standortbestimmung Vinetas" im Gedichtband "Nicht wirklich platonisch" bereits als eine Landschaft beschrieb, "die nicht einmal so konkret wie ein Kartenhaus zu erscheinen vermag". Der langen literarischen Tradition utopischer Vineta-Metapher, vom romantisierenden Wilhelm Müller über den liberal demokratischen Jungdeutschen Ludolf Wienbarg bis zur apokalyptisch-feministischen "Rättin" von Günter Grass, vermag Uwe Kolbe eine neue poetische Facette hinzuzufügen. Doch gestaltet er sie keineswegs als lyrisches Fluchtidyll. Im Gegenteil! Kunst wie der Künstler befinden sich in heilloser Zeit auf verlorenem Posten. Ein "Sonett ohne Reime" endet im Lamento über das unstete Reisefieber der "Städtesammler", in die sich auch der Dichter, als "Fremder schließlich allerorten" einreiht. Angesichts von "Frauen mit Äxten" und "Fallbeilschenkeln" verkommt die einst mächtige Poesie des "verwirrten Orpheus" zum armseligen Stammeln. Zum Zeugen seines gebrochenen Kunst- wie Weltbildes, in welchem einzig die poetische Form Halt und Dauer verspricht, beruft Kolbe wie schon in den "Renegatenterminen" (und jüngst auch Durs Grünbein oder Reinhard Jirgl) Gottfried Benn, aus dessen Morgue-Zyklus das wohl berühmteste Oxymoron der modernen deutschen Lyrik, "dunkelhellila" ("Rätselhafter Sommer"), signalhaft zitiert wird. Doch auch Benns kalte Beobachtung erotischer Geschäftigkeit ("Vermutung über Birmingham 1997") wie dessen Ton der "Statischen Gedichte" ("Psychologisches Liebesgedicht") werden als Spiel mit dichterischen Identitäten variiert. Kolbe, zumindest phasenweise assoziiertes Mitglied der Prenzlauer Berg-Szene, schrieb sich seinen Zorn auf die Ost-Berliner Gewächshausavantgarde in den Renegatenterminen bereits essayistisch von der Seele. In den vier, dem Zyklus einer klassischen Sinfonie nachempfundenen Abschnitten von "Vineta" findet er zu einer lyrischen Sprache, deren Zeitbezug nicht linear in nostalgisch-rechthaberischer Betroffenheit sondern sublimiert in einer Objektivität der Form liegt, wie sie meisterhaft weil aristisch leicht in den Quintstrukturen der "Hibiskublüte" aufscheint. Im Vorwort der mit Lothar Trolle und Bernd Wagner 1988 herausgegebene Anthologie "Mikado oder Der Kaiser ist nackt", einer Auswahl von Texten aus der gleichnamigen von Kolbe und anderen in der DDR illegal herausgegebenen Zeitschrift, resümieren die Herausgeber: "Wir suchten die Brisanz der Gegenwart in der Sprache, diesseits und jenseits des Vokabulars der Macht und der Anpassung." Kolbe folgt in "Vineta" dieser Spur vom Prenzlauer underground zur Vinetischen Form.
Andreas Meier






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