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Mit morsch legt der 1957 in Bingen geborene, heute in Köln und Hombroich lebende Schriftsteller Thomas Kling seinen sechsten Gedichtband vor. Er gehört zu einer neuen deutschsprachigen Dichtergeneration, die mit Ulrike Draesner, Yoko Tawada, Peter Waterhouse, Marcel Beyer, Oswald Egger u.a. weithin Resonanz findet. Im Editorial zum Oktoberheft 96 der Zeitschrift AKZENTE, einer von Thomas Kling betreuten Anthologie seiner "Kumpaninnen und Kumpanen", schrieb er: "Diese Dichtergeneration ist nicht bereit, hinter die Standards einer kritischen Sprachbehandlung und also Wirklichkeitsauffassung zurückzufallen. (..) Eine unheroische, im Windschatten aufgewachsene Generation, deren Sensorien, in Langsamkeit geschult, sehr genau funktionieren. Deren Gedichte, oft in Zyklen angelegt, über langen Atem verfügen, deren Gedichte auf genaues Lesen vertrauen müssen. Die von einer Leserschaft Reaktionsvermögen verlangen. Kenntnis von Gedichttraditionen und Gedächtnis. Leser und Leserinnen, die über Blick - und Gehör - verfügen, um Bestehendes, Unverhofftes und, klarerweise, die unsentimentale Schönheit der Poesie der 90er Jahre wahrnehmen zu können."
Solche Erwartungen hegt Kling auch an die Leserschaft von morsch. Sie muss nicht nur offen sein für unkonventionelle Wortschreibungen und den "SOUND" von Klings Sprache, sondern auch Sinn für subtextuelle Anspielungen in einem semantisch fluktuierenden Textgeschiebe mitbringen. Z.B. wenn Kling in Manhattan Mundraum, dem Eröffnungszyklus von morsch, die New York Bücher von Lorca und Majakowskij, "mondriaens subwayfahrplan, palermos widmung" oder den tragischen Suizid von Ernst Toller, 1939 im Hotel "Mayflower", mit dem Text verzahnt. Um diese Namen brandet eine weite, feingestickte Textur, in der sich leitmotivisch der Stadtraum mit dem Mundraum des Dichters verknüpft: "blitzsaubre höhle, durch die der seewind geht, / durch die inselwind faucht: polylingual. poly- / linguales geschau. granitplatte der zungngrund".
Ständig wachgehaltene Luzidität ist typisch für Klings transzendentale Poesie, die über die Reflexion ihrer selbst zum Wort kommt; dabei bricht sie aus der konventionellen Schreibung eines Wortes ganze Buchstaben, Vokale zumeist, heraus und sprengt die Wörter von alteingesessenen Assoziationen frei, um den Blick aus der Vogelperspektive freizugeben auf ihre Geschichte. Diese erscheint als eine Folge von signifikanten irreversiblen Epochen - "nix kehrt wieder" -, von Epochen, über deren Erinnerungsspuren die dichterische Fantasie lauernd schwebt, ohne Ziel, disjunktiv - "es handelt sich um ankunftlosigkeit" -, ohne Rührseligkeit, hellwach: "stilmittel. zündung / und vorbildliche demontage. / unterm gegenlicht, über fauchnde / narbn und schädel der speichel. / der speichel, der fliegt." Dichtung wird zum Ort der Verflüssigung und der Kristallisation von Wortbedeutungen, zur lustvoll de- und konnotierenden "speichel"-Maschine, die von ihrem Leser eine "dunkle kennung schnäbelnder / schnabelhaltnder frequenzn" einfordert.
Obschon Thomas Kling eine sinnige Schwäche für "hirngärten" besitzt, findet sich in dem Band manch gelungenes Liebesgedicht, und selbst das Leichtfüssige, Bukolische, Verschmitzte vergibt sich Kling nicht - bei aller Wachheit für das Morsche, das Späte, Gebrochene, trashig Bizarre unserer Tage.
Florian Vetsch
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