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Das ist in Skandinavien
etwas anders. Hier gilt Lyrik als eine Kunst unter anderen, sie ist lange
nicht so belastet von der Vorstellung hymnischer Höhenflüge,
sondern darf sich auch in den Niederungen des Gemeinen bewegen. Und: Auch
gestandene Romanschreiber und Erzähler können - ja, müssen!
- eine handvoll Lyrikbände vorweisen und diese werden entsprechend
verlegt und verkauft. In Dänemark etwa kann für die letzten
Jahre ein regelrechter Lyrikboom verzeichnet werden.
Eine ihrer wichtigsten Vertreter ist Pia Juul. 1962 geboren, debütierte
sie 1985 mit ihrem ersten Gedichtband. Sie gehört zu der Lyrikgeneration,
die - beeinflusst von Inger Christensen und Paul Borum - sich wieder mehr
der Sprache denn der Botschaft widmet und dennoch nicht der reinen Form
und dem Klangexperiment jenseits einer möglichen, auch politisch
ausdeutbaren Botschaft verpflichtet ist. Nun hat man zwei ihrer Bücher
zusammengefasst und ins Deutsche übertragen. Aus "Das Niesen
des toten Mannes" (1993) und "sagte ich, sage ich" (1999)
wurde "Augen überall".
Pia Juuls Gedichte
kennen keine Überschriften. Sie heißen also nicht nach dem,
was sie am Ende aussagen sollen. Statt dessen geht es mitten hinein in
die Welt der Beobachtungen, der Schilderungen im Rhythmus der Sätze:
"Seine dürre Hand" oder "Wir suchen einen Platz zum
schlafen"; Anfangssätze, die einen sogleich auf die Spur setzen:
Hier wird das Zusammenleben oder auch das Nichtzusammenleben von Menschen
thematisiert. Mann und Frau, Frau und Mann, Kind und Eltern, das sind
Begegnungsstätten, wo es sich reibt, wo es knirscht und wo am Ende
einer zurück bleibt, der wenigstens in Worte zu fassen versucht,
was passiert ist, seitdem der andere weg oder nicht mehr ganz anwesend
ist. Und dabei ist die Dichterin durchaus parteiisch: "Sie hängt
an ihrer Mannes Lippe/ Eine Frau aus Haut und Knochen/ Im Dämmerlicht/
nimmt sie ihn auf den Rücken/ durchs Moor".
Das hat nichts zu tun mit angestrengter Bekenntnislyrik, wie wir sie aus
den späten Siebzigern kennen. Pia Juul rechnet nicht den gemeinen
Alltag von Männern und Frauen auf, um daraus pseudopoetische Ableitungen
fürs Allgemeingültige zu schmieden. Juuls Gedichte sind vielmehr
von einer gewissen enttäuschten Erotik geprägt; das Ergebnis
all der Bemühungen zwischen ihm und ihr desillusioniert, ist aber
frei von moralischen Grundsatzurteilen. Juul schreibt, sie argumentiert
nicht. Sie schildert und fragt noch im Schildern stets nach der Empfindung
der Betrachterin: "JA! Ruft ein Mann hinter der Wand/ nein, nein,
nein, haucht sie vermutlich/ Beide meinen dasselbe/ Ich stehe auf/ und
lege mich wieder hin/ als hätte mich einer verlassen/ Ich weiß
nicht/ was ich sage".
All das beschreibt
sie mit schmerzlicher Offenheit, mit einer Genauigkeit, die zuweilen erschreckt.
Oft schwebt aber auch ein Zug milder Trauer durch die Sätze; artikuliert
sich ein Wissen, das mit Zwang und auch mit Absicht und auch mit Wollen
nicht viel zu erreichen ist: "Der Nachtfalter will herein/ Aber er
will nicht herein/ aber er will gern/ aber er will nicht herein".
"Wir haben für alles Wörter, aber nicht für alles
Verständnis", so hat es ihr Übersetzer Peter Urban-Halle
einmal während einer Lesung mit ihr ausgedrückt. Und Pia Juul
nickte eifrig und setzte mit einem nicht minder klaren und zugleich uneinholbaren
Satz hinterher: "Jeder erinnert sich. Aber niemand erinnert sich
an das, so wie es wahr." Dann steckte sie sich eine Zigarette an.
Die Frauen sind Spione
ohne Mummenschanz
leibhaftig nackt in der Tat
vielleicht dünn bekleidet
Sie wispern und flüstern und
schmieren den halbtoten
Männern Honig ums Maul
Und untermischt mit
dumpfem Keuchen
kommt es herauf und
kommt es heraus
Doch nie ziehn sie
Nutzen aus dem
Geheimnis
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