Jürgen Ploog; Florian Vetsch

Ploog Tanker : Texte von & zu Jürgen Ploog

Anthologie; Biographie; Briefe; Essay; Kunst; Kurzprosa; Roman; Sonstige. Rohstoff-Verlag, Herdecke. ISBN: 3935346239

Bis weit nach Mitternacht

Jürgen  Ploog; Florian  Vetsch: Ploog Tanker : Texte von & zu Jürgen Ploog

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Kaum ein Autor ist so independent wie Jürgen Ploog, der Ex-Pilot - und Bekämpfer jeglicher Hegemonialkultur.

In Kindlers Literaturgeschichte der Gegenwart sucht man ihn vergeblich, in den Daten deutscher Dichtung kommt er so wenig vor wie bei Elke Heidenreich. Sogar in Buchhandlungen muss man lange stochern, suchen und zumeist bestellen, bis man mal einen Blick in ein Buch von Jürgen Ploog werfen kann. Das, diesen Blick auf Ploogs Worte, hinein in den von ihm beschworenen „Raum hinter den Worten“ vergisst man dann nicht so schnell wie das allermeiste, das man via Bestsellerliste in die Hand gedrückt kriegt. Ob man Ploogs Zeilen als abstoßend empfindet, als verstörend oder als so anziehend wie alles Verborgene und Verbotene, schnell wird klar, weshalb dieser Autor im Einerlei des massenkompatiblen Tagesgeschäfts kaum vorkommt. Bei Gottschalks ZDF-Pop kommen ja auch Velvet Underground nicht vor. Als Ausgangspunkt, als Abschussrampe nicht schlecht: Velvet Underground, Warhols Darlings in Manhattan, Ende der Sechziger. The trip starts here. Wie alle Trips begann auch dieser lange vorher und geht er immer noch weiter und weiter.

Lange bevor Popliteratur durch Joachim Lottmann, Rainald Goetz’ Rave oder Soloalbum neu erfunden wurde, tastete Jürgen Ploog nach neuen Tönen zwischen Zeilen und hinter Worten. Im Hauptberuf Langstreckenpilot der Lufthansa schrieb er nebenher mehr als ein Dutzend Bücher, Meditationen über das Dahinter. Du hebst ab, die Welt unter dir wie eine Landkarte, Stunden später steigst du in Bangkok aus, checkst ein im Hotel, und in den Knochen fühlst du Frankfurt, im Geist New York... Schon die Titel seiner Bücher (Groschennavigation, Motel USA, RadarOrient) und Stories („Die Verdammten des Planeten“, „Café Nirwana“) lassen erahnen, nicht wohin die Reise geht, wohl aber, auf was für einen Trip einen Ploog mitnimmt. Entsprechend seine Rezeption: Im Internet seit langem und angemessen schräg vertreten (mit www.ploog.com, aber auch der 3D-Installation raumagent.net), in Kinos mit Daniel Guthmanns hervorragendem Cut-Up Connection präsent, gibt es nun einen Reader, der Texte von Ploog mit Texten über ihn vereint. Gleicht die Ploog-Lektüre oft einer Technonacht, bei der Loops und Hartes und Schräges gemixt werden, immer einladend zum Querlesen, beim Wiederlesen so viel Neues offenbarend wie der Blick in ein auf eine andere Galaxie gerichtetes Kaleidoskop, so ist Ploog Tanker nun die 4-CD-Box, zugleich Tribute und Sammlung. Briefe und O-Töne von Ginsberg, Brion Gysin, Rainbirds’ Katharina Franck und etlichen anderen wechseln mit Schnipseln, Essays und Auszügen aus dem so wilden wie unvorhersehbaren Werk Oeuvre Ploogs.

An die 400 Seiten lang kreist Ploog Tanker um eine Literatur, die dem Mainstream und dem, was Focus empfiehlt, so nahe ist wie Karel Gott den Velvet Underground; miteinander so verwandt wie Phil Collins mit Psychic TV. Ein Buch wie ein Backstein. Ist das bei einem so marginalisierten Autor gerechtfertigt? Und ob / und wie / und was ist das überhaupt für eine Frage! Ploog, Jahrgang 1935, war dabei: als Pop-Lit noch Schock-Pop war, bei Rolf Dieter Brinkmann in Rom, mit Hadayatullah Hübsch und Wolf Wondratschek und Jörg Fauser in Frankfurt, wo in Ploogs Wohnung mit Skalpell und Tonbändern Neues kreiert wurde, anderes mit Rizla und Orientalischem angeheizt, mit Schreibmaschine und Leim und den Burroughs-Freunden und -Übersetzern Carl Weissner und Udo Breger Legenden geschaffen wurden. Abseits von Simmel, Böll und Grass pfiffen sie auf das Elfenbeintürmchen des bürgerlichen Kulturgewerbes und gaben in Zeitschriften wie Gasolin 23 Neuen Stimmen wie der Bukowskis ein Forum; suchten auch immer nach neuen Formen, die dritte Nummer von UFO erschien 1972 schon nicht mehr auf Papier, sondern als Cassette. Zudem war Ploog eben nicht nur im „Brachland BRD“ unterwegs, inmitten dieser „Bewusstseins- & Kulturwaschmaschine“, er jettete um die Welt, konnte (wie Wondratschek im Tanker hervorhebt) gerade deshalb die kommerziellen Zwänge des Kulturbetriebs ignorieren, sein Ding kompromisslos durchziehen; und Burroughs treffen. Mehrfach. Den Godfather der Beats, der noch im hohen Alter mit Kurt Cobain und HipHop-Künstlern aufnahm, interviewte Ploog für Sounds, später auch für Tempo...

Tanker-Herausgeber Florian Vetsch, nach Büchern über Tanger und Paul Bowles als fleißiger Rechercheur geschätzt, ist hier ein Buch gelungen, das nicht nur seine Qualitäten als Steuermann demonstriert, sondern immer wieder, wie lohnenswert diese so wahnwitzige wie umfangreiche Odyssee ist.

© Matthias Penzel, 2005. Original erschien dieser Artikel in Rolling Stone 1/2005






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