Hanna Johansen
Halbe Tage, ganze Jahre
Bestseller. Carl Hanser Verlag, 212 Seiten. ISBN: 3-446-19487-8
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Virginia, eine "entsetzlich schlanke" junge Frau, raucht "das
stärkste Zeug", das sie finden kann. Obwohl sie die Büroluft
verpestet, ist sie bei den Kollegen beliebt. An ihrem 30. Geburtstag stürzt
sie sich in den Treppenhausschacht. "Virginia" ist eines der kurzen
Portraits in Hanna Johansens neuem Band mit Erzählungen. Es ist der
innere Monolog einer Kollegin, die das Geschehen nicht fassen kann. Monologe
oder innere Monologe bestimmen auch die anderen Texte. Eine alte Frau erinnert
sich an ihren Großvater, der immer "Aufpassen" sagte, auf
einer Parkbank saß und Halbkreise in den Sand malte, bis er eines
Tages nicht mehr nach Hause kam. Liebevoll umkreist die Erzählerin
ihre Erinnerungen und erzählt, was ihr vom Großvater geblieben
ist. In einigen Geschichten gelingen Hanna Johansen Miniaturen und Portraits
seltsamer Menschen mit eigenartigen oder gescheiterten Beziehungen. Doch
oft erklären sich die Protagonisten ihr Leben und ihre Erfahrungen.
Quälend lang ist die Geschichte zweier alter Männer, die sich
mittwochs treffen, um einander die Nägel zu schneiden. Bartels Monolog
über sich selbst, über seinen Freund Röben und das Altern
enthält seltsame Weisheiten: "Bartels war immer jung gewesen, erst
einfach jung, dann immer noch ziemlich jung, und in dem Augenblick, als
sein altes Leben nicht mehr weiterging, hatte sich daran nichts geändert."
Über die verqueren Erkenntnisse der Johansen'schen Figuren ist man
bisweilen verwundert, oft auch verärgert, weil der Eindruck bleibt,
man selbst sei gar nicht in der Lage, die Fülle des Lebens und seiner
Eindrücke wahrzunehmen. Barbara S. beispielsweise, die sich an eine
Liebesnacht ihrer Jugend erinnert, nimmt plötzlich die Qualitäten
des Lichtes wahr: "Es ist gebräuchlich, vom Licht zu sprechen,
das auf die Dinge fällt, und vom Augenblick, in dem es wechselt, und
wie es gilt, diesen Augenblick wahrzunehmen und gebührend zu achten,
statt ihn verstreichen zu lassen, als wäre er ohne Bedeutung und seine
Aufgabe keine andere als die, uns zum nächsten Augenblick zu führen,
der selber nichts ist als ein Sprungbrett in das, was wir Zukunft nennen."
Dieses Zitat offenbart alle Schwächen und Ärgernisse der Erzählungen.
Sie sind umständlich, besserwisserisch und gaukeln eine Tiefe vor,
die nicht vorhanden ist.
Matthias Kehle
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