Wolfgang Jeschke (Hg.)

Heyne SF Jahresband 1997

SF. Heyne, München. ISBN: 3-453--

Wolfgang  Jeschke (Hg.): Heyne SF Jahresband 1997

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Ernüchternde Zukunft, digitale Romantik

Dieser Jahresband vereint Geschichten und Kurzromane von Michael Flynn, Elisabeth Vonarburg, Ben Bova, Stephen Baxter, Lucius Shepard, Charles Sheffield und – last but not least – Marcus Hammerschmitt. Insgesamt bietet der Band eine sehr gehalt- und niveauvolle Sammlung erstklassigen Materials, das von den Illustrationen ideal ergänzt wird. Die Story von Lucius Shepard über "Muschelkratzer-Bill" landete zum Beispiel bei zahlreichen Awards auf den vordersten Plätzen.

Flynns Erzählung "Auf den Flügeln eines Schmetterlings" (anders als auf der Umschlagrückseite angegeben) ist eine Variante auf die Ereignisse bei der Eroberung des Inkareiches durch den spanischen Conquistador Hernando Pizarro im 16. Jahrhundert. Gesehen aus der Perspektive eines Zeugen des Geschehens, das zur Gefangennahme des Inka führt, nimmt die Geschichte einen alternativen Verlauf: Der Führer der Spanier ist nämlich ein Zeitreisender, der den Rebellen des "Leuchtenden Pfads" im Peru des 20. Jahrhunderts angehört. Durch sein Eingreifen scheitert die Eroberung.

Elisabeth Vonarburg berichtet in ihrer Novelle "Mane, Tekel, Phares" vom Besuch zweier Angehöriger eines Paralleluniversums im Kanada der nahen (alternativen?) Zukunft. Der Künstler Todd, in den sich die Berichterstatterin und Kunstagentin Petra verliebt, erweist sich als Menetekel (siehe den Titel!), als Prophet, der in seiner Kunst auf die Mißstände in der Seele der Zeitgenossen hinweist und damit heftige Kontroversen auslöst. Schade, daß Vonarburg die geheimen Regierungsbehörden bemüht, um Todd zu einer Art verfolgter Jesusfigur aufbauen und dann zum Verschwinden zwingen zu können.

Religiöse Bezüge hat auch die Handlung in Ben Bovas "Dein Reich komme". Die Gangsterbosse im Ghetto von Phildelphia kidnappen den Führer des Weltrats, der doch nur den armen Unterprivilegierten helfen will. Durch das Eingreifen eines Helfershelfers dieser Bosse kann der Weltratführer allerdings freikommen. Der Sinneswandel dieses Helfers, eines Elektrikers, wird in einem Augenblick möglicher Hoffnung herbeigeführt, der in der Rezitation des Vaterunsers gipfelt. Über die Botschaft dieser Story kann man sehr geteilter Meinung sein.

Ohne solches Brimborium kommt der Wissenschaftler Stephen Baxter aus. Er erzählt von Leben auf dem Merkur, dem sonnennächsten Planeten, eine recht heiße Gegend. Dennoch entdeckt eine menschliche Expedition in den Tiefen der Merkurschichten Wasser – der Merkur hat einen geschmolzenen Kern. Dort unten leben sogar Organismen mit einem Bewußtsein, Wesen wie "Goldwimper", die der Story den Titel liefert. Sie führt ihr Volk zu besseren Nahrungsplätzen und in den Kampf gegen feindliche Organismen. Doch getrieben von einem Parasiten drängt sie an die Oberfläche, wo die Menschen sie finden und sich gewaltig darüber wundern.

"Muschelkratzer-Bill" ist wahrscheinlich die Story mit der meisten Action in diesem Band. Die Hauptfigur ist ein geistig zurückgebliebener Bursche, dessen einziger Job im Entfernen von muschelartigen Dingern von der Außenhaut der Raumstation der Menschen ist. Von hier sieht er den Starts der die Sterne erkundenden Schiffe zu, doch bislang hat noch keines davon Erfolg gehabt. In der frustrierten Stimmung auf der Station ist er stets das erste Opfer der Spannungen. Die Lage verschärft sich, als eine Sekte der "unsichtbaren Herrlichkeit" die Station übernehmen will. Bill greift ein, als er merkt, daß "seine" Muscheln die Station verlassen.- Geschickt und anrührend erzählt, bietet die Story einen ernüchternden Ausblick auf eine nicht so leuchtende Zukunft im Weltraum.

"Wind" von Marcus Hammerschmidt ist ebenfalls eine Dystopie. Die deutschen Lande sind von einem dichten elektronischen Sicherheitsnetz überzogen, und die abweichenden Kultursprengsel wie Ökos und Autonome sind in kleinen Freistaaten eingepfercht. Als dem Windgeneratorwärter Eddie eine brisante Botschaft über eine effizientere Energietechnik zugespielt wird, beginnt quer durch diesen Nachtwächterstaat eine Hetzjagd, die es in sich hat, ein veritabler Thriller, bei dem mächtig "Wind" entsteht. Das wird nicht kitschig oder klischeehaft erzählt, sondern in der Szenesprache schnoddrig daherberichtet. Der Schluß ist angemessen: eine seltsame Art von Happy-end.

Charles Sheffield, der grand old man der Hard SF, beschließt den Band mit einer versöhnlichen Geschichte. Der Viktorianer Charles Babbage versuchte den ersten Computer zu bauen, scheiterte aber. Doch seine Unterlagen und Bauteile gingen nicht verloren, sondern fanden ihren Weg in ein winziges Kaff in Neuseeland, eine ehemals britische Kolonie. Zwei Burschen, die über Computer Bescheid wissen, finden hier erstens eine tragische Liebesgeschichte und zweitens Hinweise auf den Verbleib der von Babbage geplanten und in Neuseeland realisierten Rechenmaschine. Und auf Aliens! Sage noch einer, Wissenschaft und Computer seien keine romantischen Themen!

Michael Matzer / michael@matzer.de ©1998ff

Info: Originalausgabe, 573 Seiten, DM 16,80, verschiedene Übersetzer






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