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‚Es war die letzte Septembernacht, aber es war warm wie im Sommer. Ich stellte die Musik lauter und griff nach der Kerze, schlich die Treppe zum Dachboden hinauf, öffnete leise die Luke und kletterte über die brüchige Leiter aufs Dach. Ein flaches Dach, mit morscher Teerpappe bedeckt, aber es trug mich. Die Stadt lag im Dunkeln, nur hier und dort irrten matte Lichtaugen durch das schwarze Labyrinth der Straßen. An den Kreuzungen kamen sie zum Vorschein und entpuppten sich als Polizeifahrzeuge, die mit abgeblendeten Scheinwerfern im Schrittempo durch die schweigenden Viertel schlichen und den Schlaf der ordnungsgemäß ruhenden Bürger bewachten...' Jankowski hat nicht vergessen, daß es zu DDR- Zeiten verbreitet war, laue Sommernächte mit viel Rotwein auf morschen Dächern zu verbringen. In seinem Roman Rabet beschreibt er letzten vier Jahre der DDR aus der Sicht eines Klampfe spielenden Einzelgängers. Ben zieht aus dem kleinen Provinznest Elblingen ins großspurige Leipzig, das sich zweimal im Jahr dank seiner Messe in eine Stadt mit beinahe internationalem Flair verwandelt. Diese Schizophrenie der Stadt überträgt sich auch auf die Gruppe von Intellektuellen, in die Ben durch seine Freundin Gesa hineinwächst. Man sitzt nächtelang an Küchentischen, diskutiert und singt, lacht und trinkt- bis die erste Verhaftung den Kreis in Aktionisten verwandelt. Jankowski hat den Mut bewiesen, sich dem Thema der 'Heldenstadt' aus interner Sicht zu nähern. Er beschreibt, wie die ersten Gedenkgottesdienste ins Leben gerufen wurden, was die Menschen dabei gefühlt und gesagt haben könnten. Die Beherztheit, die diese Handvoll Unzufriedener damals antrieb, hat letztendlich das ganze Land zum Wackeln gebracht. Rabet ist ein packendes Zeugnis einer Phase des Kräftemessens mit ungewissem Ausgang. Die Studenten, Briefträger und arbeitslosen Bergmänner leben in den halb zerfallenen Häusern der Gründerzeit Leipzigs und brüten an der Stagnation des sozialistischen Realismus. Ben schreibt Lieder über den Grau und läßt sich nicht lange bitten, sie in der Nikolaikirche vorzutragen. Beim ersten Treffen singt Ben ...wir pfeifen auf die Diktatur der mehrheit/ die hoffnung als prinzp ist ein verlust/ wie lange sollen wir uns vertrösten/ auf paradiese die dann irgendwann/ mal kommen sollen während leise/ und ungenutzt die beste zeit/ verann. Das trifft den Nerv der gespannt Lauschenden. Die Polizei wird auf die Gruppe aufmerksam, Spitzel werden in die 'Küchentischguerilla' infiltriert. Was nun beginnt, ist eine Geschichte von Courage und Unsicherheit, Zweifeln und Übermut, Liebe und Aderlaß. 'Eine zähe Spannung durchtränkte die Luft mit Wurzelgeruch und beißendem Rauch. Die Passanten bemerkten sie kaum, schlugen die Kragen hoch, dachten seufzend, es wird wieder Herbst und vergaßen alles bisher Geschehene wie jedes Jahr.' Jankowski zieht den Leser unaufhaltsam in den Strudel einer verwirrenden und verworrenen Zeit hinein. Er spricht vom 'Service für offene Fragen', den Ben und seine Freunde für Besorgte und Ängstliche einrichten. 'Unsere nicht genehmigten Umtriebe waren uns selbst nicht geheuer'. Sie suchen verlorengegangene Ehemänner und Töchter, geben dem Deutschlandfunk Namen und Fakten zu humanitären Fällen durch, machen Kontrollbesuche bei Verhaftungskandidaten. 'Die Lücken zwischen den Käfigstäben wurden plötzlich sichtbar. Wir hatten ein Telefon, über dessen Gebrauch wir niemandem Rechenschaft schuldig waren...' Jankowski, 1965 in Greifswald geboren, lebte ab 1987 in Leipzig. Von Reiseverboten und Auftrittsbehinderungen betroffen, konnte er seinen Ich- Erzähler Ben aus eigenem Erleben gestalten. Als Sprecher des 'Trägerkreises' an der Leipziger Nikolaikirche und Mitarbeiter des Kontaktbüros war Jankowski gewiß weniger grüblerisch, als er seinen Ben darstellt. Mit Ironie und schwebender Leichtigkeit fängt er den gefährlichen letzten Herbst der DDR ein. Den Rahmen und roten Faden der Aufbruchsgeschichte bildet Bens Liebe zu Gesa und ihr Scheitern, ihr ungeborenes Kind und das kleine Mädchen von heute. Gesa verlangt seinen vollen Einsatz, aber Ben träumt weiter. 'Man muß nicht immer in der ersten Reihe stehen. Dumme und Märtyrer gibt es schon genug auf dieser Welt.' - empfiehlt Bens Mutter, als sie ihren Sohn bei der Auflösung der Stasizentrale ihm Fernsehen erblickt. Die Ambivalenz der Hauptfigur zeugt von Jankowskis Skepsis. Vor neugierigen West - Kameras sagt Ben am Ende des Buches: 'Die Verwand-lung von Sehnsüchten in Realität bedeutet vor allem Desillusionierung. Das kann befreiend sein. Oder vernichtend.'
Anne Hahn
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