Hadayatullah Hübsch
Macht den Weg frei
Roman. Horlemann, 92 Seiten. ISBN: 3-895-02076-1
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Beginnen wir mit einem Zitat: "...Aber ein Dichter ist eben nur dann ein Dichter, wenn er nicht ganz dicht ist,...". So steht es auf Seite 58 im neuen Hübsch´schen Buch. Und verbinden wir nun diesen Satz mit dem Titel, dann kommen wir bereits in die Nähe dessen, worum es hier geht.
Jeder kennt das: Man sitzt in einem Café oder als Beifahrer in einem Auto, läßt völlig ziellos seine Gedanken schweifen, und ehe man sich versieht, wird man in sich selbst hineingesogen, in jene Welt der Phantasie, die wir als Kinder erforschten, die wir als Erwachsene aber kaum mehr betreten. Unsere innere Wahrnehmung verselbständigt sich, reiht Assoziation an Assoziation, und es entstehen liebenswerte bunte Hirngespinste, mit denen wir spielen. Wir lassen uns für eine Weile in dieser Welt treiben, und wenn wir anschließend von diesem kleinen Ausflug zurückkehren, dann bringen wir immer etwas mit. Ein kleines Stückchen farbiger Phantasie, das uns hilft, unseren Alltag ein bißchen distanzierter zu sehen und ihn ein bißchen weniger ernst zu nehmen.
Leider sind den meisten Menschen ihre gelegentlichen Ausflüge nach innen offenbar unangenehm. Kaum jemand ist bereit, über die eigene Innenwelt zu sprechen, seine wild zusammenfabulierten Phantasmen mit anderen zu teilen. Vermutlich aus der (leider oftmals begründeten) Angst heraus, für "nicht ganz dicht" gehalten zu werden. Und das ist schade, denn unsere Alltagswelt könnte viel zwangloser, bunter und lebensbejahender sein, wenn wir Menschen nicht ständig versuchen würden (zum Teil leider auch gezwungenermaßen), unsere ungezügelte Phantasie zu unterdrücken. Hadayatullah Hübsch wagt den Schritt zur Offenheit und läßt andere teilhaben an seinen bunten Hirngespinsten. Sein Buch "Macht den Weg frei" greift die Losung "Phantasie an die Macht" aus den Zeiten des Pariser Mai ´68 auf und setzt sie dreißig Jahre später in dreißig Prosagedichten konkret und konsequent um, ohne dabei auch nur ein Wort lang den sprachlichen Faden zu verlieren. Phantastisches Begreifen und begreifbare Phantasie - ein schwieriger Spagat, der Hadayatullah Hübsch einmal mehr geglückt zu sein scheint.
Gerald Brandt
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