Robert Holdstock

Mythenwald

Fantasy. Bastei Lübbe, Bergisch Gladbach. ISBN: 3-404-13080-4

Robert  Holdstock: Mythenwald

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Expedition ins Unbewußte

Daß Holdstock, Jahrgang 1948, ein in Kent geborener Waliser, einen starken Hang zum Okkulten hat, zeigt sich nach seinen Romanen "Erdwind" und "Necromancer" (Geisterbeschwörer) auch in "Mythago Wood", das 1985 mit dem World Fantasy Award ausgezeichnet wurde.

Handlung

Als der Soldat Steven Huxley 1946 aus dem Krieg nach England in sein Elternhaus zurückkehrt, bemerkt er an seinem Bruder Christian, der dort abgeschieden und allein lebt, eine merkwürdige Veränderung. Chris ist, wie schon seit vater vor ihm, in den Bann des nahen Ryhope-Forsts geraten, eines Überrests der Urwälder aus der Frühzeit des Menschen. Dort treiben seltsame Gestalten ihr Unwesen und verwehren jeden Zutritt. Diese töteten auch Christians Geliebte, eine keltische (!) Frau namens Guiwenneth, die aus dem Wald stammte.

Das Tagebuch von Stevens Vater, der geheimnistuerisch den Forst erkundete, berichtet ihm, daß dieser Wald ein Ort der Magie und des Mythos sei, an dem die Zeit ihren eigenen Gesetzen folge. Durch die menschliche Imagination entstehen dort die sagengestalten der Menschheit wie Artus und robin Hood als Nothelfer, aber auch viele weilt ältere und schrecklichere Wesen. All diese nennt Stevens Vater "Mythagos", d.h. Mythos-Imagos – abbilder, wie sie den Archetypen im kollektiven Unbewußten des Menschen gemäß C.G. Jung entsprechen.

Nachdem Chris in den Wald zurückgekehrt ist, taucht eine rothaarige, keltisch sprechende junge Kriegerin auf: Guiwenneth, die von Stevens Unterbewußtsein geschaffene Mythagofrau, die als Urbild immer neu aufersteht, als Urbild der "Weißen Göttin" (Ranke-Graves und James Frazer), der Mutter der Erde. Zur glücklichsten Zeit seiner Liebe zu Guin, wie Steven sie nennt, kehrt jedoch Chris als Anführer einer Kriegerschar zurück, raubt die die Dame und läßt Steven zum Sterben zurück. Nachdem er und sein Freund Harry wieder auf den Beinen sind, folgen sie Chris, um Guin zurückzuholen und ihn zu töten (Troja läßt grüßen!).

Von den verborgen lebenden Waldbewohnern, die wie im 4. Jahrhundert hausen, wird Steven als der erwartete Widersacher des widernatürlich handelnden "Außenseiters" (Chris) willkommen geheißen. Auch in den Geschichten, die die "Lebenssprecherin" eines solchen Stammes erzählt, spielen die zwei Blutsverwandten (im Mythos stehen sie für das lebensbejahende und das –verneinende Prinzip) eine festgelegte Rolle.

Dem schließlich gestellten Chris, dem Guin entflohen ist, gelingt es, bei Steven trotz seiner verbrecherischen Handlungen Verständnis zu erwecken. Gehetzt vom Rachegeist ihres Vaters, sehnt er sich nach Frieden im gesegneten Land jenseits der "Feuermauer". Doch als Steven ihm zum Abschied ein Glücksamulett zuwirft, verursacht er damit Christians Tod in den Flammen.

Später findet er seine Geliebte tödlich verwundet. In diesem Augenblick von Glück und Tragik erscheint wieder der Rachegeist seines Vaters, nimmt Guin, die auch dieser einmal liebte, in seine Arme und geht mit ihr durch die Flammen ins dahinter liegende "Reich der Zeitlosigkeit" – nicht ohne Steven mitfühlend angedeutet zu haben, daß Guin eines Tages zu Steven zurückkehren werde. Und wenn er nicht gestorben ist, dann wartet Steven noch heute dort.

Fazit

Obwohl Holdstock versucht, die Entstehung von Mythengestalten mit Jungs Theorie von den Archetypen halbwegs rational zu begründen, herrscht doch eindeutig das Irrationale, nicht empirisch erklärbare vor, wie es in der Charakterisierung des Waldes auftaucht – ein Wald wie Tolkiens "Düsterwald" und der "Alte Wald".

Allerdings tritt bei Holdstock der Urwald in bedeutsame Interaktion mit den Menschen, und das führt zu zwei verschiedenen Deutungsmöglichkeiten der Geschichte: 1) Der Wald schafft Mythengestalten nach den Bedürfnissen der Menschen. Auch Steven könnte für die Waldbewohner eine solche Retter- und Erlösergestalt sein; er bzw. seine Rolle paßt in ihre Geschichten.Welche Seite der Realität ist nun Einbildung, die erfundene Story, und welche wirklich? Doch beide bedingen einander, erfahren das jeweils andere als subjektive Einbildung. Das zeigen auch der Prolog und die Coda, sagenähnliche "stories", in denen der gottähnliche Jäger Mogoch z.B. auf den Krieger, Steven, trifft, der auf die Rückkehr seiner Liebsten wartet. Die Geschichten enden niemals und nirgendwo.

Die zweite Deutungsmöglichkeit setzt voraus, daß man die Mythagos durchweg als imaginäre Produkte der Phantasie ansieht, ohne jedes Eigenleben. Demgemäß hätte sich Steven, indem er sich als Antagonist zu Christian in den Wald begab, mit dem reich der Mythagos und ihrer legenden von einem kommenden Retter seine eigene Erklärung für sein So- und Da-sein in der Welt geschaffen. Für seinen verstehensprozeß hatte er sich kreativ mit der Welt auseinanderzusetzen und bevölkerte sie mit Mythen und legenden, die sie erklärten und ihm seinen platz darin zuwiesen. Dies ist die klassische, ewige Funktion des Mythos (im Sinne von verbaler Ikonographie) für den menschen, der sich dem universum, dem geheimnis von leben und Tod, gegenübersieht und verstehen will.

Wer tiefer in das Gewebe dieser wunderbaren Erzählung von der reise in den Mythenwald eindringen will, der lese Ranke-Graves' grundlegende Untersuchung des poetischen Mythos, "Die Weiße Göttin" (Rowohlt). Mt "Mythenwald" hat Holdstock selbst einen kleinen Mythos geschaffen, zu dem er immer wieder zurückgekehrt ist: in "Lavondyss", "The Hollowing" und zuletzt in "Gate of Ivory". "Lavondyss" wurde von Bastei-Lübbe als "Tallis im Mythenwald" auf den deutschen Markt gebracht, allerdings in einer lediglich mittelmäßigen Übersetzung und Ausstattung.

Michael Matzer / michael@matzer.de © 1999ff

Info: Mythago Wood, 1984; Nr. 13080, 346 Seiten, aus dem Englischen übertragen von Karin Koch






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