Eckhard Henscheid
10;9 für Stroh
Kurzprosa. Alexander Fest Verlag, ISBN: 3-8286-0021-2
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Eckhard Henscheid ist "der unerreichte Meister präzisester Geschwätzigkeit" (so ein Kritiker), einer der bedeutendsten Gegenwartsautoren, einer den man begeistert liest oder schroff ablehnt. Die Gemeinde derer, die ihn ablehnen, könnte mit Henscheids neuem Buch "10:9 für Stroh" wachsen, denn in diesen drei Erzählungen erreicht die Geschwätzigkeit des Autors drei Höhepunkte. Die Titelgeschichte nimmt 130 von 190 Seiten ein und erzählt, wie Greif sein philologisches Rigorosum glanzvoll besteht und doch den Kürzeren zieht. Der Leser müht sich durch die Monologe des Doktoranten; Henscheid berichtet auf den Punkt genau jedes Detail der fachwissenschaftlichen Diskussionen, als habe er das Protokoll abgeschrieben. Ironisch springt er von Thema zu Thema und zieht die akademische Gelehrsamkeit von Petrarca bis Habermas durch den Kakao. Nur: Wer kann und will diesem Geschwafel folgen, die zahllosen Anspielungen und Andeutungen verstehen? Selbst für Henscheid-Fans dürfte der trockene Diskurs an der Reform-Universität Baden-Baden, wo es für den Prüfling nicht einmal ein Glas Wasser gibt, zu viel sein!
Ein gefundenes Fressen für die Henscheid-Hasser sind auch die beiden anderen Erzählungen, vielmehr Protokolle. Der Erzähler, im Falle von "Der Schmerz" mit dem Autor identisch, beschreibt wiederum minutiös, gewürzt mit endlosen medizinischen Fachtermini, die Krankengeschichte eines Schmerzpatienten, der sich selbst beobachtet, wann, warum, wohin, welche Art von Schmerz in welches Körperteil fährt. Punktum; mehr geschieht auf 40 Seiten nicht. "Poschiavo - Graz einfach" protokolliert, wie Wolfgang Hildesheimer mit seiner Frau von seiner Tessiner Wahlheimat mit Bummelzügen und den damit verbundenen Hindernissen zu einer Lesung nach Graz fährt, wie das Ehepaar hier in einen falschen Zug steigt, da die Landschaft beobachtet, wie Hildesheimer sein Pfeifchen raucht und an einer Weinflasche nuckelt.
Henscheids Ironie, sein Wissen, mit dem er nicht nur spielt, sondern kunstvoll jongliert, versetzt sicherlich manchen selbstverliebten Studenten in helle Freude, immerhin beweist sie, daß man alle Banalität der Welt intellektuell durchdringen kann. Die drei Erzählungen jedenfalls dürften die Kluft zwischen Henscheid-Liebhabern und Henscheid-Hassern noch ein wenig vertiefen.
(Matthias Kehle)
Eckhard Henscheid: 10:9 für Stroh. Drei Erzählungen. Alexander Fest-Verlag, 196 Seiten, 38 DM
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