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Reise in die Wirklichkeit
Für den Erzähler wird die Suche nach seiner vergangenen Liebe zum Irrweg zu sich selbst.
Warum brauchen einige von Haruki Murakamis Bücher 10
bis 15 Jahre, bis sie in deutscher Übersetzung vorliegen?
Rechnet man noch die Dauer von der Textfertigstellung bis
zum Erscheinen in Japan dazu, kommt man sogar auf über
15 Jahre, die vergehen - man kann bei „Tanz mit dem
Schafsmann“ in einer etwas anderen Hinsicht als üblich
quasi von einem `historischen Roman´ sprechen. Verliert
der Roman dadurch an Aktualität? Nein! Denn einerseits ist
es wohl auch das Verdienst der Übersetzerin Sabine
Mangold, dass Sprache und Inhalt keine Patina angesetzt
haben, andererseits läuft Murakami in seiner zeitlosen
Phantastik zur Höchstform auf.
Flüssig und eingängig erzählt, zieht uns Murakami in den
Bann einer manchmal mystisch schillernden, manchmal
thrillerhaften Geschichte, die ein Labyrinth sowohl im Kopf
des namenlos verbleibenden Erzählers bzw. Protagonisten
als auch in dessen Umwelt entstehen lässt. Seine
Schwierigkeit ist es, diese zwei Welten zur Deckung zu
bringen, um wieder in einer greifbaren Wirklichkeit
anzukommen. Sein unwirklicher Mentor auf diesem Weg ist
der Schafsmann. In Murakamis Roman „Wilde Schafsjagd“
(1982 / dt. 1991) war er noch eine in der Außenwelt
lebende, reale Figur, sogar eine Zeichnung von ihm ist
diesem Roman beigefügt. Nun aber ist er ein unwirklich
anmutender, schattenhafter Bewohner einer Innenwelt, die
allerdings nur wenige Menschen wahrnehmen.
Eigentlich ist unser Erzähler, 34 Jahre alt, von Beruf
Journalist, `nur´ auf der Suche nach einem vergangenen
lustvollen Abenteuer. Um Kiki auf die Spur zu kommen und
den Kontakt zu ihr wieder aufzunehmen, begibt er sich von
Tokyo aus an den Ort ihrer letzten Begegnung, nach
Sapporo, wo er das alte Hotel Delfin sucht, das man, wie
auch Kiki, schon aus „Wilde Schafsjagd“ kennt. In Sapporo
steht jetzt aber das moderne Hotel Dolphin. Nichts scheint
mehr auf das alte Gebäude hinzuweisen und Fragen nach
dem Verbleib des alten Hotels und seines Besitzers werden
nicht gerne gehört. Doch für den Erzähler ist es, als wäre da
noch mehr als nur die Übernahme des Namens, und schon
dieser ist gleichsam eine Botschaft an ihn, zu verweilen. Es
gibt noch so etwas wie eine Schwingung, eine Stimmung,
die nicht durch den Abriss weggeschafft werden konnte. Als
er sich in dem Hotel einmietet, trifft er dort eine Frau an der
Rezeption und ein junges Mädchen, die seine Eindrücke zu
teilen scheinen – Good Vibrations, um auf den dem Roman
unterlegten Sound anzuspielen.
Die Fahrt mit dem Fahrstuhl durch die Stockwerke des
Hotels scheint gleichsam dem Potterschen
Hogwarts-Express von Gleis 9 ¾ verwandt zu sein, denn
urplötzlich tut sich im 16. Stock eine andere, phantastische
Welt auf: ein dunkler, modriger Gang, wo sonst ein normaler
Hotelflur ist. Dort, in den Resten des alten Hotels, irgendwo
zwischen Traum und Realität, wohnt nun der Schafsmann in
einer Kammer voller Bücher und lehrt den Erzähler, seinen
Weg zu suchen. Er nimmt suggestiv Besitz von ihm mit der
Idee vom Tanz durch den Alltag, und nur die gewählten
Bewegungen mit der dreizehnjährigen, hypersensiblen Yuki,
mit der Hotelangestellten Yumiyoshi und mit dem gleichsam
als alter ego erscheinenden alten Schulfreund und nun
erfolgreichen Schauspieler Gotanda lassen den Erzähler
seine vormals begonnene „Wilde Schafsjagd“ nun in einen
„Tanz mit dem Schafsmann“ überführen, vom Totentanz über
menschliche Abgründe hin zum Walzer des Lebens, der
Liebe.
Was in diesem Roman nicht gesagt wird, wohl aber in
seinem Vorgänger: „Daß Schafe in den menschlichen
Körper eindringen, ist im Norden Chinas, in der Mongolei,
gar nichts Außergewöhnliches. Die Leute dort glauben, es
sei eine Gnade Gottes, wenn ein Schaf in einen Menschen
fährt.“ Das Schaf macht den Menschen unsterblich und gibt
ihm die Kraft einer Idee: seiner Idee. Dieser Mythos sei in
Japan nie angekommen, mokiert Murakamis Erzähler in
„Wilde Schafsjagd“. Man habe wohl versucht, Schafe zu
züchten, aber ihr Wesen missachtet. Deswegen sei beides
zum Scheitern verurteilt: die Aufzucht der Schafe und die
Verwirklichung einer Idee. So kann man den neue(re)n
Roman „Tanz mit dem Schafsmann“ auch vor dieser Matrix
lesen als - zumindest in europäischen Breiten -
verschlüsselte Kritik am materiellen Wesen der japanischen
Gesellschaft und als Suche nach dem Weg zum
verborgenen, mythischen Wesentlichen.
Man kann aber auch auf der Oberfläche des Romans
entlang gleiten, geleitet von langen Autofahrten mit endlosen
Strömen von Beat- und Popmusik - und hier machen sich
die 15 Jahre Verspätung nun doch ab und zu bemerkbar -,
mit Junk-Food, Bier und Cocktails, mit Liebe, Sex und Tod.
Textauszug:
„Ich träume oft vom Hotel Delfin.
Im Traum bin ich ein Teil davon. Und zwar als eine Art
Dauerzustand. Der Traum suggeriert das ganz deutlich.
Das Hotel Delfin ist verzerrt und schmal wie ein Schlauch.
Es wirkt eher wie eine lange, überdachte Brücke. Eine
Brücke, die sich von uralten Zeiten bis in die Endzeit des
Universums erstreckt, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Und
mittendrin bin ich. Jemand weint. Weint um mich.
Das Hotel umhüllt mich. Ich kann seinen Puls fühlen,
seine Temperatur spüren. Im Traum bin ich ein Teil des
Hotels.
Das ist mein Traum.“
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