Peter Hahne

Schluss mit lustig

Bestseller. johannis, Lahr/Schwarzwald. ISBN: 3-501-05180-8

Wenn der Hahn kräht auf dem Mist …
Peter  Hahne: Schluss mit lustig

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Wer wollte es Peter Hahne verdenken, wenn er sich gegen eine Beliebigkeit der Werte und für mehr Bildung und Arbeit einsetzt. Außerdem erscheint ihm die Jugend zu verweichlicht und benötigt wieder eine straffe Hand – idealerweise die seine. Deutschland komme ihm vor wie ein riesengroßer Pornoladen, lässt er einen seiner zahlreichen Zitate-Hersteller tönen. Und da hätte Herr Hahne gern züchtigend hingelangt. Als Dungeon-Ritus im bourgeosen Gewande, so kann man wohl seine im Bild-Kolumnen-Stil dahingeschriebene Sammlung „Schluss mit lustig“ am besten verstehen.

Wer „Bild“ liest, der liest auch so was, und da ich immer mal wieder zu Deutschlands beliebtester Bauwagen-Zeitung greife, weil sie es unerreicht schafft, komplizierte Dinge einfach ausschauen zu lassen, habe ich mir auch Hahnes Opus angetan. Manchmal sind solche Vereinfachungen ja auch genial – aber bei „Schluss mit lustig“ ist Schluss mit lustig. Das Buch ist, mit Verlaub, so leichtfertig geschrieben, dass man Herrn Hahne selbst die „Bild am Sonntag“-Lizenz entziehen möchte. Dass es dennoch Wirkung, sprich hohe Verkaufszahlen zeitigt, hat sein Autor dem zu verdanken, was er zu bekämpfen vorgibt: dass sein Publikum einen intellektuellen Anspruch aufgegeben hat.

Dennoch gilt Herr Hahne vielen Menschen als Gesprächspartner, was wohl daran liegen mag, dass er sich gleich einem Parasiten an jedwedes Thema anklebt und selbiges mit einer Art von Halbwissen anreichert, die schlimmer ist als gar kein Wissen. So etwas wird man schlecht wieder los.

Wenn Deutschland es schaffen sollte, aus seinem Bildungsloch herauszukommen, wird Herr Hahnes Buch in doppeltem Sinne überflüssig: Sein Bildungs-Anliegen ist erfüllt, und den Schrott würde eh keiner mehr lesen.

Denn Peter Hahne liebt den Widerspruch. Nicht etwa den mutigen Widerspruch zu allgemein existierenden aber falschen Ansichten. Den täuscht er nur vor. Was da von ihm kommt, ist heute Mainstream in rechtsgerichteten Kreisen. Herr Hahne liebt vielmehr den Widerspruch zu Bildung, Logik und Vernunft.

So erscheint es ihm als richtig, dass er gleichzeitig einen angeblichen altenverachtenden Jugendwahn der Gesellschaft beklagt, und andererseits thematisiert, dass Kinder und Jugendliche in Deutschland zu kurz kämen. Tja, lieber Herr Hahne und Co.: eins von beiden geht nur! Entweder man nimmt den Alten etwas von ihren Pfründen, die sie sich allein verdient zu haben glauben, oder man füttert die Jungen weiterhin lediglich mit werbender Aufwertung und unmündig haltenden Belehrungen. Deren leichtlebige Spaßgesellschaft hat selbstredend auch damit zu tun, dass ihnen keine Verantwortung gegönnt wird.

Von soziologischen Untersuchungen, nach denen die Nachkriegsgeneration der heute über 60jährigen ihre ganze Politik nur zugunsten der eigenen Generation gemacht hat, hat Herr Hahne natürlich nie etwas gehört. Dass bei gleichbleibendem Fonds den Jungen etwas zu geben natürlich heißen muss, den Alten etwas zu nehmen – über diese Binsenweisheit sind jüngst einige nassforsche Politiker gestolpert. Da wird sie doch ein Herr Hahne nicht aufgreifen! Und der Fakt, dass die heutigen Alten schon in jungen Jahren die Plätze der Kriegsgefallenen eingenommen haben und diese seither auch nicht räumten, so dass sie (unschuldig) auf Kosten ihrer Väter und (schuldig) auf Kosten ihrer Kinder sämtliche Entscheidungsebenen mit sich voll machten, bleibt weiterhin tabu.

Auch bei der zweiten deutschen Hauptschwäche, dass hierzulande wie in keiner anderen Industrienation die berufliche Laufbahn inklusive Bildungschancen und Karriereaussichten von der sozialen Schicht abhängt, in die man hineingeboren wird, sieht Peter Hahne lieber vorbei. Wenngleich seine Forderungen nach härteren Leistungskriterien hier Beifall finden. Denn solange 90% der Absolventen einen Einser kriegen, wird der Personalchef immer denjenigen von ihnen einstellen, dem er sich seiner eigenen sozialen Herkunft nach am nächsten wähnt.

Dies bleibt aber fast die einzige Forderung des Buches, der man zustimmen mag. Denn weder der Ruf nach längeren Arbeitszeiten noch der nach weniger Urlaub oder Freizeit macht einen Sinn, solange die derzeitigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse so sind, dass als Folge solcher Mehrarbeit der Berufstätigen die Arbeitsuchenden noch weniger Chancen auf Einstellung bekommen. Eher schon dürfte die Richtung richtig sein, die in der deutschen Landwirtschaft durch Zwangspolitik eingeführt wurde: Qualität statt Quantität. Diese Wende wurde allerdings von der rot-grünen Chaos-Regierung geschafft, die beseitigen zu helfen sich Peter Hahne mit seinem Buch anscheinend fest vorgenommen hat.

Gern schielt er dabei auf amerikanische Verhältnisse, was nun wiederum verwundert, da er nahezu im gleichen Atemzuge immer wieder mangelnden deutschen Nationalismus beklagt. Die deutsche Lockerheit im Umgang mit Sexualität prangert er, wie gesagt, als Pornografie an – und blickt dabei sehnsüchtig über den großen Teich in jenes Amerika, in dem die Zahl der gedrehten (und dann natürlich auch gekauften sowie heimlich gesehenen) Pornofilme die Zahl der Unterhaltungsfilme um den Faktor vier übertrifft. In jenes Amerika, das mit seinen Bürgern dermaßen gespaltene Persönlichkeiten produziert, dass sie in der Lage sind, ihren erfolgreichen Präsidenten wegen ein paar Sex-Vorwürfen nahezu ein Jahr lang von der Arbeit abzuhalten. Dann wählen sie anschließend einen Puritaner, der das Land in Null Komma Nix wieder in die Miesen regiert, ohne dass es jemand interessiert, weil er mit seinen Kriegsspielen die Themen ausschließend besetzt.

Kaum jemand wird einen Kanzler Schröder lieben, aber seiner Regierung hatten wir neben einem sündhaft teuren Spritpreis und all den weniger wichtigen Dingen, die Herr Hahne beklagt, immerhin zu verdanken, dass unser Land Export-Weltmeister blieb, dass auf deutschen Konten soviel Geld lag, wie noch nie, dass die innere Sicherheit nach wie vor funktionierte und vor allem, dass sich unser Land aus dem Irak-Krieg herausgehalten hat.

Und – wenn wir einmal beim Krieg sind – bei aller moralischen und sonst welcher Verkommenheit, die Herr Hahne wie fast alle alten Männer bei der heutigen Jugend beklagt: In der Zeit, die er als die gute, alte besingt, war es in kurzen Zeitabständen üblich, die brav erzogene männliche Jugend zwecks Aggressionsabbau zum Morden nach außerhalb zu schicken. Welche – bitteschön – welche Werte soll man aus diesen christlichen Zeiten in die unseren herüberretten? Meine Antwort: Keine! Jede Generation muss aus den Werte-Ruinen der vorangehenden sich ihre eigenen Werte neu erschaffen. Da kann das Alte als Steinbruch durchaus herhalten. Als Ganzes darf man es getrost vergessen. Zuverlässigkeit, Verantwortung, Höflichkeit sind wichtig. Fleiss und Ehrgeiz bleiben lobenswerte Sekundärtugenden. Das kann alles auch gelten, ohne dass man ein abendländische angehauchtes Gesamtkonstrukt propagiert.
Logisches, in sich widerspruchsfreies oder zumindest widerspruchsarmes Denken und – wichtiger – Schreiben ist Peter Hahnes Sache auch an anderer Stelle nicht. So reklamiert er als abendländisch christlichen Wert auch den der Toleranz. Die, meint er, ist uns eigen – ganz anders als den bösen Muslim, die wir deshalb nicht länger in unserer Gesellschaft ihr Ding machen lassen dürfen. Abgesehen davon, dass der Toleranzgedanke gar kein explizit christlicher Wert ist, sondern ganz und gar im Gegenteil erst mit der Abgrenzung von der christlichen Lehre, nach der es nur eine und genau eine Wahrheit geben durfte, entwickelt wurde, hat Herr Hahne wohl nichts und auch gar nichts von ihr begriffen. Sicher darf Toleranz sich nicht den eigenen Todesstoss versetzen, indem sie das Feld den Intoleranten überlässt. Aber dazu gehören neben den Fundamentalisten islamischer auch jene christlicher Coleur. Und auch wenn sich Herr Hahne ausdrücklich dagegen wehrt: Man darf ihn getrost dazu rechnen.

An einer Stelle jammert Peter Hahne, dass man in Deutschland den „Gelben Engeln“ vom ADAC deutlich mehr Vertrauen schenkt, als den Vertretern der Kirchen. Nun, das hat Gründe. Vom ADAC wurde einem schon öfter geholfen. Auch wenn man dafür bezahlt, so steht doch das Preis-Leistungs-Verhältnis für beide Seiten in anständiger und vor allem übersichtlicher Relation. Von Vertretern der Kirche wird dagegen nur permanent schlechtes Gewissen verbreitet. Auch sie erwarten, dass man dafür bezahlt. Aber beidem kann man sich entziehen. Und da – das gibt Hoffnung – sind die Deutschen doch nicht so blöd, wie es Herr Hahne oder andererseits auch der Verkaufserfolg seines Buches glauben machen.

Fast möchte man da dieses land lieben!


Reinhard W. Moosdorf






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