Durs Grünbein

Nach den Satiren

Lyrik. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main. 229 Seiten. ISBN: 3-518-41028-8

Durs  Grünbein: Nach den Satiren

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Durs Grünbein war schon immer ein Skeptiker der Gesellschaft, der mit satirischer Lust die gänzlich unsatirische Alltagsmonotonie scharfzüngig konterkarierte. Ihm ging es immer schon darum, sarkastisch die vor allem urbane Paralyse spätmoderner Zivilisation darzustellen oder die Seele als Ammenmärchen zu entlarven.
Dass sich das bittere Hohnlachen, getrieben von eigenen Schockerfahrungen, erhalten hat, zeigt sich in Grünbeins jüngstem Gedichtband, Nach den Satiren.  Der entgrenzte, aber mit-traumatisierte Dichter seziert eine ihm mittelmäßige Welt, ob nun in kleinen, das Morbide nur andeutenden Stills oder in ausgedehnten Reflexionsübungen.
Nach den Satiren ist der Versuch, zeitkritische Spannung über den Umweg des Abtauchens in halb verschollene Geschichte zu erzeugen. Durs Grünbein ist der conditio humana auf der Spur, den virulenten, zeitlosen Traditionen der zivilisatorischen Entwicklung.
Ausgangspunkt der literarischen Ermittlungen ist zunächst die Antike in der Form Römisches Reich. Grünbein gestaltet Szenen aus der Saturiertheit des alten Roms, spiegelt den Alltag eingeübter Hierarchien mit all seinen Chauvinismen und dem routinierten Masochismus im trostlosen Ganzen. Die Historien, die der Autor verfasst, stellen weitgehend hysteriefreie Schilderungen von der Kontinuität der Intrigen und der unerträglichen Trivialität des Seins dar.
Das Ich, das sich aus den Randbereichen einer früheren Diktatur meldet, ist mal bedenklicher Gast, mal stoischer Philosoph, imaginiert sowohl das Opfer als auch den Täter. Mittels rapidem ‘Identitäts-Hopping’ übt sich das Grünbeinsche Ich in Kontemplation oder fängt Smalltalk ein, werden Spielarten der vox populi vom anonymen Straßengänger bis hin zum Despoten realisiert.
Übergangslos führt der Autor Geschichte in akute Gegenwart. Das Ich schaltet um von Antike auf Konsumgesellschaft, zappt vom Panorama Rom in die zeitgenössische Avenue of the Americas, und führt die fernen Historien als ungleich plastischere Diagnosen der Gegenwart fort.
Grünbein widmet sich gern und fast exegetisch neben dem Bedeutungslosen der Vergänglichkeit. Der Mensch findet sich immer mal wieder zurückradiert auf den corpus passatus, einen vergehenden Körper. Was von ihm bleibt, Ich-frei zuletzt, ist nicht mehr als ein Fundstück für eine spätere Archäologie. Auch dieses Kinn, das du manchmal im Spiegel siehst,/ Wird man irgendwann finden, den Kiefer dazu,/ Unter anderen Knochen. Heute noch unrasiert,/ Wird es schon morgen abstrakt sein, ein weißer Bügel,/ Rein wie ein Notenschlüssel aus Draht.
Im Fundus Grünbeinscher Lyrik findet sich aber nicht nur die düstere Erfahrung der Kontingenz der menschlichen Natur in einer Art bitterer Nekrolog. Grünbein ist mehr als zynischer Nihilisierer hochgradig Sarkast, den das Design der Postmoderne nicht täuschen kann. Ihm geht es um die Beobachtung des konditionierten Menschen in den Routinen einer Potemkinschen Welt.
Obwohl hin und wieder dozierender Intellektualismus die Szene betritt, obwohl manches in Gedankenhektik zerflattert, manches in überbordender Sprache träge fließt und vieles wie eine nur neu ausgemalte Karte zu einem schon bekannten Atlas erscheint, muss man Nach den Satiren zugestehen: Stellenweise ist keine bessere Lyrik möglich.

Ron Winkler






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