Cornelia Köster legt in einer zweisprachigen Ausgabe im Engstler
Verlag ein Fundstück aus der russischen Avantgarde vor: Aleksej Gastevs
<>. Aleksej Gastev (1882-1941), ein ehemaliger
Berufsrevolutionär und späteres Opfer von Stalins „Säuberungen“,
gab 1921 in Riga sein Poem <> in einem schmalen
Bändchen im Schulheftformat heraus. Die zehn Gedichte poetisieren
die „Herrschaft der Mechanisierung“; ihre Zahl 10 paraphrasiert die zehn
Gebote, deutet sie um für eine Welt der metaphysischen Entleerung,
in der nicht mehr der Mensch die Maschinen steuert, sondern diese ihn in
Massen regulieren, ihn herausfordern und stellen; als perfekter Automat
aber überwindet der Mensch die Maschinenversklavung und unterwirft
sich das Weltall, als ein übermenschlicher Terminator. Velimir Chlebnikov
bezeichnete Gastev, dessen Ansatz an den Futurismus erinnert, als „Kirchenkünstler
der Arbeit, der in den alten Gebeten das Wort Gott durch das Wort Ich ersetzt.“
Das radikale Brechen mit der Tradition und die gewandelten Bedingungen
der modernen Lebenswelt spiegeln sich auch in Gastevs „technischen Anweisungen“
für den Vortrag seiner zehn „Ordern“: „<>
ist in einheitlichen Blöcken vorzutragen, als ob man einen Apparat
bedient. / Der Vortrag soll ausdruckslos sein, ohne Pathos, pseudoklassische
Rhetorik und besonders betonte Stellen.“ Während die einen Gastevs
Poem als Gipfel der „Maschinenvergötzung“ sahen, anerkannten es andere
als neue objektivistische Poesie, in der sich der Mensch durch die vollkommene
Verschmelzung mit der Maschine ins Zeitalter der Arbeit und der Technisierung
einschwinge. <>, in literarischen Kreisen
noch lange zitiert, war Gastevs letztes Werk; er gründete das „Zentralinstitut
für Arbeit“ und – arbeitete, ein Bruch, mit dem er sein poetisches
Programm konsequent in die Wirklichkeit überführte; anlässlich
eines späteren Wiederabdrucks seines Poems meinte er, dass er, sollte
er je wieder zur Feder greifen, dies nie wieder tun würde, „ohne
gleichzeitig den Meissel des Ingenieurs, einen Monteurschlüssel und
einen Zeitmesser in die Hand zu nehmen.“
Florian Vetsch
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