Cardini Franco

Europa und der Islam

Sach. C.H. Beck Verlag, 308 Seiten. ISBN: 3-406-46387-8

Cardini  Franco: Europa und der Islam

Dieses Buch Freunden weiterempfehlen.

Dieses Buch kaufen bei Amazon.de

Buy Cardini Franco: Europa und der Islam at Amazon.com (USA)

Weitere Buchbesprechungen bei Amazon.de.

Treffend heißt es im Vorwort des französischen Historikers Jacques Le Goff: Ein Europa, das in seiner Vielfalt geeint ist, läßt sich nur bauen, wenn man seine Geschichte kennt. Deshalb liest sich schon der Titel des Buches "Europa und der Islam – Geschichte eines Mißverständnisses" wie ein wichtiges und richtiges Versprechen. Das Versprechen des Autors, den Motiven im historischen Verlauf dieser seltsamen Begegnung nachzuspüren. Franco Cardini, Professor für Mittelalterliche Geschichte in Florenz, ordnet die Vielzahl der Vorstellungen, Vorurteile und Irrtümer übersichtlich, mit denen Europa im Lauf der Geschichte auf den Islam reagiert hat. Es heißt ja, der erste Eindruck bleibt. Und tatsächlich waren die ersten Vertreter der islamischen Welt, die Europa kennenlernte, nicht Prediger, Kaufleute oder Künstler, sondern Krieger.

Der Überquerung der Straße von Gibraltar durch den Berberfürsten Ibn Tariq im Jahr 711 folgten die Invasion ganz Spaniens in kurzer Zeit und fast 800 Jahre Rückeroberung. Muslimische Hunnen und Mongolen versetzten Europa ebenso in Angst und Schrecken wie die osmanischen Türken, von der Eroberung Konstantinopels bis zur Belagerung von Wien 300 Jahre später. Der ganze Mittelmeerraum zitterte 1000 Jahre lang vor arabischen Seeräubern. Und doch: Das war nicht der Islam.

Es waren Herrscher oder Völker, die ebenso wie Ihre Religion und übrigens auch das Christentum aus dem Orient kamen, aus fremden Kulturen und Zivilisationen. Einer der folgenschwersten Irrtümer im Umgang mit dem Islam ist gerade diese Fixierung auf den Glauben. Wieso sehen zum Beispiel viele Europäer Europa immer noch als den Hort des Christentums und vergessen beharrlich die historische Bedeutung der östlichen Kirchen? Und warum reden wir immer noch von "Kreuzzügen"? Inzwischen weiß jeder, daß diese Feldzüge nur ganz am Rande die Befreiung des Heiligen Grabes aus der Hand der Ungläubigen betrieben haben. Viel mehr steckten Machtpolitik und Wirtschaftsinteressen dahinter. Nicht anders war es auch sonst in der langen Kette kriegerischer Konflikte zwischen Europa und der islamischen Welt.

Der Autor beschreibt Etappe für Etappe die Entwicklung einer europäischen Identität, zu der das Feindbild Islam ebenso gehört wie die Propaganda des Vatikans. Er beschreibt, wie sich die Methoden der Auseinandersetzung im christlichen und muslimischen Lager glichen – von der Seeräuberei bis hin zum Mißbrauch religiöser Gefühle zur Regelung quasi "interner" Konflikte. So wurden etwa die Kreuzzüge bald auf Hussiten und andere Ketzer ausgedehnt. Auch die Geschichte des Islam liest sich ja wie eine endlose Folge blutiger Macht- und Richtungskämpfe. Gleichzeitig aber, so legt Franco Cardini überzeugend dar, war diese ganze Zeit eine Zeit des Kennenlernens und der gegenseitigen Inspiration.

Zwar war auch die wohlwollende Hinwendung zum Islam oft von Vorurteilen geprägt, zwar entstanden etwa die ersten Übersetzungen des Koran mit dem Ziel, die Muslime zu bekehren. Zwar enthalten Moden wie der sogenannte "Exotismus" in Literatur, Musik und Malerei vom mittelalterlichen Heldenepos bis zu Goethes "West-östlichem Divan" und den "Geschichten aus 1000 und einer Nacht" zahllose Verzerrungen und Klischees. Trotzdem aber gab es immer mehr aufrichtige Neugier.

Trotzdem zogen viele Menschen seit dem 8. Jahrhundert das Gesetz des Korans dem Gesetz der Inquisition vor, auch wenn sie den christlichen Glauben behielten. Trotzdem wurde Europa durch arabische Poesie und Bewässerungtechnik, Architektur und Medizin reich beschenkt. Unsere Welt hat sich nicht nur durch das Papier verändert, das islamische Kaufleute von China brachten, sondern auch durch Kaffe oder Tee.

Umgekehrt hat die islamische Welt von Europa viel gelernt. Vor allem in der Kolonialzeit wurde viel exportiert – vom Schulwesen, einer modernen Verwaltung und modernem Ingenieurwissen bis zur Idee des nationalen demokratischen Rechtsstaates. Doch die islamische Welt profitiert kaum davon. Hier liegt eine Schwäche des Buches: Die ausschließlich europäische Sicht, der Verzicht auf die reichen Quellen islamischer Geschichtsschreibung, verschleiert das "Schließen der Tür" zum wissenschaftlichen Fortschritt im Islam seit dem 15. Jahrhundert. So fehlt ein wichtiger Punkt für die Auseinandersetzung mit den Islamisten, die in der Geschichte Europas nur dessen Fehler erkennen. Dennoch: ein wichtiger Beitrag für ein Europa, in dem von Tag zu Tag mehr Menschen nach dem Gesetz des Koran leben. Widmar Puhl, SWR 2

 






Bücher neu und gebraucht
bei amazon.de

Suchbegriff:


eBay


Bücher gebraucht oder neu bei booklooker.de
Autor:
Titel:
neu
gebraucht

Ihr Kauf bei unseren Shop-Partnern sichert das Bestehen dieses Angebotes.

Danke.


Weitere Rezensionen in der Kategorie: Sach  



Partner-Shop: Amazon.de

Europa und der Islam Amazon.de-Shop
Cardini Franco: Europa und der Islam

Partner-Shop: Amazon.com (USA)

Buy Cardini Franco: Europa und der Islam at Amazon.com (USA)

carpe librum ist ein Projekt von carpe.com  und © by Sabine und Oliver Gassner, 1998ff.

Das © der Texte liegt bei den Rezensenten.   -   Wir vermitteln Texte in ihrem Auftrag.   -   librum @ carpe.com

Impressum  --  Internet-Programmierung: Martin Hönninger, Karlsruhe  --  19.06.2012