Arno Fischer

Der letzte Polyhistor

Sach. Akademische Verlagsanstalt, 110 Seiten. ISBN: 3-905-01907-8

Arno  Fischer: Der letzte Polyhistor

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Prof. Dr. Fritz Fischer hat 1994 eine Rede gehalten. Anläßlich der Verleihung des Kultur- und Friedenspreises an seinen Freund und Kollegen, Prof. Dr. Arno Peters. Diese Rede nun liegt, in einer erweiterten Fassung, als kleines Büchlein vor. Die "historische Zuordnung" von Peters‘ Lebenswerk steht auf dem Programm, keine Biographie.

Den Titel hat Fischer Heinz Ohff entlehnt, der ihm bereits 1970 die Arbeit abgenommen hat, Peters einen (genialen) Polyhistor zu nennen und ihn in eine Reihe mit Aristoteles, Leonardo, Leibniz und Goethe zu stellen. Doch, und das erstaunt nun etwas, angesichts des anmaßend erscheinenden Titels: Arno Peters hat höchstselbst dafür gesorgt, daß er nicht der letzte Polyhistor bleiben muß. "Der im Zeitalter der Spezialisierung immer schwerer gewordene Weg zum Polyhistor [was sich irgendwie anhört, als ginge es um die Ausbildung zum Konditor] ist durch seine Arbeiten wieder für jedermann offen." (6)

Kostproben gefällig? Eines muß man Fischer lassen, er vermittelt ein umfassendes Bild von diesem Lebenswerk, das vor nichts haltmacht: Geschichte, Geographie, Musik, Ökonomie usw., ein wahres Multitalent, das hier am Werke ist.

Peters schuf zu Beginn seiner Laufbahn, in jahrelanger Kleinarbeit, die Synchronoptische Weltgeschichte. Sichtbarmachung des Gleichzeitigen, die ganze Weltgeschichte auf einen Blick. Für jedes Jahrhundert eine Doppelseite, dabei gleichberechtigte Berücksichtigung der kulturellen Errungenschaften aller Länder dieser Erde, weg von der politischen Kriegsgeschichte und der Geschichte(n) großer (europäischer) Staatsmänner. Endlich jemand, der Ordnung, Übersichtlichkeit und vor allem Vollständigkeit in das endlose Gewirr der Historie bringt. Vielen Wissenschaftlern hat das sehr gefallen (anderen nicht, die werden von Fischer unter die Oberbegriffe ‚Anfeindungen und Rückschläge‘ subsumiert). Beeindruckend ist das schon.

Fertig damit, konnte Peters beginnen, nach den Gesetzmäßigkeiten in der Geschichte zu suchen. Peters ‚entdeckt‘ die "dialektische Periodisierung", d.h. hier: Geschichte als ein "Miteinander von Prozessen". Objektiv und unbestechlich, wie Peters ist, unterscheidet er messerscharf die "postiven, vorwärtsweisenden" Geschichtsabläufe von den "negativen, restaurativen". Und, siehe da, der Weg zur Synthesis (alles wird gut!) ist gar nicht mehr weit: "Indem er [Peters] die seit 5000 Jahren die Menschheit zunehmend spaltenden Prozesse als überwindbar beschreibt, reduziert sich die historische Aufgabe unserer Epoche, in der diese spaltenden Prozesse sich selbst ad absurdum führen, auf die Wiederherstellung der verlorenen Ganzheit, mit der alle teilende Prozesse voll vereinbar sind." (28f.)

Was Peters mit der Synchronoptischen Weltgeschichte vorbereitet hat, findet seine Fortsetzung im Petersatlas. Wahrhaft revolutionär, soll hier die Erde endlich so dargestellt werden, wie sie wirklich ist, alle Länder paritätisch. Der Null-Meridian wird von Peters - gleichzeitig mit der Datumsgrenze - von Greenwich in die Beringstraße umverlegt, das herkömmliche Gradnetz über Bord geworfen und durch ein Dezimal-Gradnetz ersetzt und, man höre und staune: alle Karten werden in einem Maßstab gehalten, wenn das nicht beinahe automatisch paritätisch ist, was dann?

Peters zentrale Ziele und Grundbegriffe, Ideologiefreiheit, Objektivität, Globalität, Überschaubarkeit, Ordnung und Nutzbarkeit, eingefaßt von der sprichwörtlichen Ganzheitlichkeit, strecken dem unbedarften Leser überall ihre Fratze entgegen. Wer sich gegenüber dieser Form von Naivität, trotz mancher brauchbarer Ansätze, nicht aufgeschlossen zeigen mag, ist einfach noch nicht reif dafür. Dabei ist doch alles so naheliegend. Peters ersetzt zum Beispiel die traditionelle Notenschreibweise durch eine auf Klangfarben basierende Notation, weshalb "die einzelnen Noten nicht mehr gedanklich erfaßt und zugeordnet zu werden [brauchen]", man benötigt dann bloß noch Tastenaufkleber, und das Anschlagen von Tonfolgen wird "vollends zum Kinderspiel" (46). Und in der Ökonomie: die Marktwirtschaft hat verspielt, her mit der guten alten Tauschwirtschaft, aber bitte nach dem Äquivalenzprinzip, nicht zur Bereicherung auf Kosten anderer (vgl. 48ff.). Und am Ende wird bestimmt alles gut.

Man lernt Peters‘ Leben und Denken, wie gesagt, sehr umfassend kennen, die Freizeit zuletzt: hier hält er es mit der Malerei, der Dichtung und mit dem Musizieren sowieso: "Beim Segeln war es das Akkordeon, mit dem er seiner Lebensstimmung Ausdruck verlieh, [...]. Sport und Spiel haben ihn seit seiner Jugend begleitet und sind bis heute die Ruhepole in seinem regelmäßigen Arbeitsleben." (75) Wer will bestreiten, daß es für die "historische Zuordnung" (s.o.) des Petersschen Lebenswerkes nützlich ist, darauf hinzuweisen, daß er ("Arno = der Häusliche") mit 15 Juniorenmeister im Schwimmen war und als 71jähriger die 24jährige Malerin Majenna geheiratet hat?

Was man vom polyhistorischen Lebenswerk von Arno Peters halten möchte, bleibt jedem selbst überlassen. Dieses Buch jedoch liest sich wie eine überausführliche Verlagswerbung (die Akademische Verlagsanstalt brachte 1990 die deutsche Version des Petersatlas auf den Markt). Warum sich Fritz Fischer, ein nicht gerade unbedeutender Historiker, für derart unkritische Jubelrufe hergegeben hat, bleibt Spekulation. Wäre diese Rede geblieben, was sie ursprünglich einmal war, ein paar Seiten Manuskript - schade wäre es darum nicht gewesen.

Heide Kuhlmann






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