Thomas Findeiß

Die Heimat der Schneestürme 

Roman. Volk und Welt, ISBN: 3-353-01158-7

Thomas  Findeiß: Die Heimat der Schneestürme 

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Verlag Volk & Welt, 1999, 345 Seiten, ISBN 3-353-01158-7

Der Roman von Thomas Findeiß beginnt in Istanbul, wo die Freunde Ruben und Carl nach ihrer mehrwöchigen Türkeirundreise noch einmal durch Bars, Clubs und das Rotlichtviertel streifen, Abschied nehmend von den exotischen Eindrücken ihrer Reise. Als sie am nächsten Tag im Flughafenrestaurant etliche Drinks genommen haben, kommt es zu einer Streitigkeit zwischen dem Barkeeper und Ruben, welcher leicht besoffen noch einen Whisky verlangt. Voller Wut über die Grobheit des Barmannes zerfetzt Ruben seinen letzten türkischen Geldschein demonstrativ in kleine Schnipsel – und wird dafür wenig später verhaftet. Einmal in die Fänge der türkischen Justiz geraten, nehmen die Dinge unaufhaltsam ihren Lauf. Ruben wird wegen angeblicher Mittäterschaft an einem geplanten Bombenattentat auf ein türkisches Zivilflugzeug zu zwölf Jahren Haft verurteilt und beginnt seine Odyssee durch verschiedene Gefängnisse.

Carl versucht indes vergeblich, Ruben freizubekommen. Es gelingt der deutschen Botschaft nicht einmal, seinen Aufenthaltsort zu ermitteln. Ruben ist verschollen. Er existiert nur noch in Carls Erinnerungen, und die sind auch nicht die besten.

Ruben paßt sich dem Alltag der Gefangenen ohne Auflehnung an. Die kalte Welt der Inhaftierten wird so unspektakulär geschildert, daß die Gefängnisbilder Findeiß‘ eine gruselige Realität entwickeln. Der gefangene Ruben mutiert zu einer angebeteten Figur, verfettet und behäbig wie ein Budda, gefürchtet und befragt wie ein Orakel. Und hier beginnt die Irritation, aus dem zunächst scheinbar rationalen Geschehen des Romans schält sich ein suerrealer, zweiter Kern heraus, der die zersplitternde Gedankenwelt Rubens wiederspiegelt. Durch die Jahre des Eingesperrtsein verzerrt sich die Wahrnehmung, aber dieser Prozeß ist schleichend. Dem Leser bleibt es überlassen, ob er die Fiktion als die des Rubens versteht oder auf den äußeren Handlungsrahmen bezieht. In einer Rückschau der Hauptfigur, die plötzlich in der Ich- Form erzählt, bezeichnet Ruben das Leben im Gefängnis als 'logische Fortsetzung des Zustandes innerer Verlassenheit, in der ich mich schon seit langem befunden hatte, ohne sonderlich darunter zu leiden.'

Verrückte Gefängnisdirektoren treten auf, zu nachtschlafender Zeit erhält Ruben in der Zelle Besuch von verschiedenen Verstorbenen und schönen Frauen, tagsüber spielt er Trompete und Schach. Die Mitgefangenen sind burleske Statisten für das abdriftende Geschehen. Ruben glaubt, ihnen als Ausgestoßener nützlich zu sein, 'als abschreckendes Beispiel vollkommener Verlorenheit. Mein Leben in dieser anderen Welt war sinnlos und überflüssig. Ich habe niemanden beglückt, bestenfalls überrascht, meistens gequält, nicht immer absichtsvoll, es lag in meiner Natur.'

Carl gibt die Suche nach dem Freund nicht auf, obwohl längst nicht mehr klar ist, ob Ruben eine Rückkehr wünscht.

Thomas Findeiß erzählt knallhart, ohne zuviel Sympathie für seine Helden aufkommen zu lassen. Der Filmfreak lugt aus den Zeilen hervor. Die Verwirrung steigert sich gegen Ende des Buches, die Spannung zerrt an den Nerven. Die Heimat der Schneestürme liegt in der Türkei, erfahren wir staunend. Und daß es dort kalt zugehen kann, zeigt Findeiß mit einem furiosen Ende, das einen anspringt wie ein Tiger.

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von Anne Hahn






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