Philippe Djian

Schwarze Tage, weiße Nächte

Roman. Diogenes, 421 Seiten. 21.90 EUR . ISBN: 3-257-86077-3

Sex und Literatur
Philippe  Djian: Schwarze Tage, weiße Nächte

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Ironischer Seitenhieb gegen die französische Literaturszene und haufenweise Sex – Djians 11. Roman

Philippe Djian hat einmal gesagt: „In einer kurzen, gutgeschriebenen Sexszene kann man mehr über seine Figuren sagen als auf 40 normalen Seiten.“ Wenn das stimmt, dann müsste sein elfter Roman „Schwarze Tage, weiße Nächte“ einer der aussagekräftigsten Romane aller Zeiten sein. Denn auf seinen 421 Seiten gibt es haufenweise Sex. In den verschiedensten Konstellationen.

Davon abgesehen hat der Roman (fast) alles zu bieten, was Fans von einem Djian-Roman erwarten. Einen kauzigen Helden: Francis ist ein abgewrackter Schriftsteller, dessen Bücher sich nicht mehr verkaufen, der in der Angst vor einem globalen Komplott lebt und seine Gesundheit mit importierten Algen und Vitaminen in Schuss hält. Eine außergewöhnliche Idee: Seine Ehefrau Edith schlägt ihm vor, der männliche Hauptdarsteller in einem Pornofilm zu werden, den sie drehen will, um die finanzielle Situation des vom Finanzamt geschröpften Paars aufzubessern. Eine verstrickte Figurenkonstellation: Francis’ Partnerin soll ausgerechnet die Ehefrau seines Schriftstellerfreundes Patrick sein. Die nötigen Komplikationen: Francis’ Verleger zwingt ihn, alles dafür zu tun, den erfolgreichen Patrick im Verlag zu halten. Und auf den besten Seiten den kristallklaren, unmittelbaren Djian’schen Stil: jene leichtfüßige Verquickung von außergewöhnlichen Bildern, Alltagsmetaphern und gesprochener Sprache, die hier leider nicht bis zum Ende durchgehalten wird.

Der eigentliche Clou von „Schwarze Tage, weiße Nächte“ ist allerdings, dass Francis’ Ehefrau Edith schon zwei Jahre vor Handlungsbeginn gestorben ist. Nur in Francis’ Phantasie lebt sie fort, ist dort präsenter als die anderen (noch lebenden) Figuren und der Motor aller seiner Handlungen. Ein Roman mit doppeltem Boden: Die Grenze zwischen buchinterner Realität und Figurenphantasie verschwimmt, da Francis die gesamte Geschichte als Ich-Erzähler berichtet. Es ist seine höchst subjektive Wahrnehmung, der wir folgen. Phänomene der sichtbaren Welt verblassen angesichts der wuchernden Phantasmen seiner Sichtweise.

Dieses Spiel mit der Grenze zwischen Wirklichkeit und Vorstellung wird auf anderer Ebene wiederholt. Etwa dann, wenn Anspielungen auf reale Schriftsteller und Medienstars den gleichen Status haben wie die Erwähnung fiktiver Figuren, wenn der nur im Buch existierende Erfolgsautor Patrick eine Beziehung mit Popstar Madonna hat, wenn reale Autoren wie Houellebecq, Angot oder Echenoz dem Erzähler keine Algen abkaufen wollen. So ist „Schwarze Tage, weiße Nächte“ in all seinen Verzerrungen und Überspanntheiten auch eine Satire auf den realen Literaturbetrieb, ein humoristischer Seitenhieb gegen die Pariser Literaturszene, der Djian schon immer skeptisch gegenüberstand. Wenn Affären, Verrätereien und die beschleunigte Kommerzialisierung des Buchmarktes nicht so sind, wie hier beschrieben, dann wenigstens so ähnlich.

Dass der Roman trotz überzeugender Elemente und einer bewundernswerten Stringenz in Aufbau und Inhalt nicht mit den besten Djian’schen Werken mithalten kann, liegt an stilistischen Schwächen und der Überpräsenz seiner Sexszenen. Klar, Djian hatte noch nie Hemmungen, den sexuellen Obsessionen seiner Helden nachzuspüren, aber immer wieder drängt sich bei „Schwarze Tage, weiße Nächte“ der Eindruck auf, er hätte sich von anderen französischen Schriftstellern anstecken lassen. Ob ihn die sezierende Detailfülle in der Beschreibung sexueller Akte bei Houellebecq (von dem man weiß, dass er kein Feigenblatt vor den Mund nimmt) nun angeregt hat oder nicht, ganz sicher ist sie hier übertrieben. Eine prägnante Sexszene mag aussagekräftig sein, vielleicht auch zwei, die vorliegende Häufung lässt höchstens vermuten, der Autor habe Angst gegen seine jüngeren Kollegen zu verblassen.

Textauszug:
Vor fünfundzwanzig Jahren hatte ich tatsächlich mit ihr geschlafen. „Geschlafen“ ist eigentlich nicht das richtige Wort. Die Sache hatte sich anlässlich eines Konzerts der Sex Pistols abgespielt, und zwar in den unsäglichen Toiletten eines Klubs, ich erinnere mich nicht mehr an alle Einzelheiten. [...]

Mir war nur noch eine dunkle Toilette ohne Klopapier (was die Sache nicht gerade erleichtert hatte) im Gedächtnis geblieben, und Wände, die wegen der Bässe vibrierten, während gleichzeitig jemand ziemlich unsanft gegen die Tür hämmerte. Ich meine, dass Nicole mir den Rücken zugewandt und sich mit flachen Händen gegen die Wand gestützt hatte. Ich sehe ihre beiden Hände noch genau vor mir, links und rechts vom Rohr der Wasserspülung, und leite daraus die Stellung ab, die wir eingenommen haben müssen. Es kann natürlich auch sein, dass sie auf die Klobrille geklettert ist und sich dort hingehockt hat oder dass ich sie hochgehoben habe, aber das sind nur Spekulationen, bloße Varianten, die im Grunde nichts zur Sache tun.

Porträt: Philippe Djian






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