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Virginie Despentes'
Buch "Wölfe fangen" erinnert stark an "Thelma und Luise", den amerikanischen
Kultfilm mit Geena Davis und Susan Sarandon. Nadine hat einen Mord begangen.
Eher zufällig. Manu auch. Die beiden begegnen einander und machen sich
gemeinsam auf die Flucht durch Frankreich. Daraus entwickelt sich ein
rasantes Road-Movie, die Bilder im Kopf sind kaum zu stoppen. Beide Frauen
kommen aus hoffnungslosem Milieu, durch die Morde hat sich ihre Situation
jedoch noch dramatisch verschlechtert. Ihr Leben eskaliert in jeder Beziehung
zur Hemmungslosigkeit. Nach dem Motto: Schlimmer kann es nicht werden
und am Ende ist man sowieso tot, sitzt die Waffe von nun an ausgesprochen
locker. Anfangs bringen sie Leute um die Ecke, um an Lebensmittel und
ähnliche Dinge zu kommen. Später reichen Kleinigkeiten aus, um vor allem
Manu zum Ausrasten zu bringen:
"Der Kleine zieht
eine Schnute, er möchte noch nicht gehen. Er will noch ein Eis und wird
laut. Er muss ungefähr fünf Jahre alt sein. [...] Sie holt ihre Knarre
raus, eine Bewegung folgt der anderen, ohne Nachdenken. Sie atmet tief
durch, lässt das Kind nicht mehr aus den Augen. Das Kind, das schmollt
und auf nichts hören will. Der Revolver verlängert ihren Arm, funkelt
im Vordergrund, mitten im Gesicht des Kleinen. Unmittelbar vor dem Knall
schreit die Alte los [...] Beim ersten Schuss stiert sie den Kleinen an.
Treffer. Genau über den großen braunen Augen, die er verdrießlich zusammenzieht,
weil er schmollt. Ihm bleibt keine Zeit, den Gesichtsausdruck zu ändern.
Ihm bleibt keine Zeit, zu verstehen."
Manu und Nadine sind
auf ihrer Flucht keine Tabus geblieben. Sie wollen die letzten verbleibenden
Tage auskosten. Jedoch zielt ihre Lust dabei weniger auf materielle Genüsse,
hier geben sie sich mit reichlich billigem Whiskey und flüchtigem Sex
ab - bei dem sie, schwarzen Witwen gleich, die männlichen Partner nicht
davonkommen lassen und ihnen dementsprechend das Hirn aus dem Kopf blasen
-, vielmehr trachten sie danach, möglichst viele Spuren der Auslöschung
zu hinterlassen. Diese Sprache ist dem Milieu, aus dem sie stammen gemäß,
in dieser Sprache, so hoffen sie offensichtlich, würde man sie verstehen.
Die Verwüstung würde bleiben als Dokument zweier Leben, die von Anfang
an ohne Chance waren. Je mehr das Netz sich um Nadine und Manu zusammenzieht,
denn davon gehen sie natürlich aus, desto schneller wird die Aktionsgeschwindigkeit
der beiden:
"Sie fahren ziemlich lange, begegnen einem Kerl, der gerade in ein Feld
pinkelt. Kugel ins Knie, Kugel in den Nacken. Fahrzeugwechsel, könnte
ja sein, dass ..." Töten ist wie Atmen, das Vernichten von Menschen wie
der routinierte Gang aufs Klo.
Die Wahllosigkeit ihrer Gewalttaten wird nur unterbrochen durch die Bekanntschaft
mit Fatima, die sie überredet, das Haus eines Architekten, für den sie
früher gearbeitet hat, zu überfallen. Der Architekt versucht, nachdem
ihm klar geworden ist, mit wem er es zu tun hat, mittels Gesprächen die
Lage noch zu seinem Gunsten umzudrehen. Natürlich ist er machtlos gegen
den unumstößlichen Willen der Frauen, sich selbst zu vernichten, indem
sie konsequent Vernichtung ausüben und zwangsläufig irgendwann unentrinnbar
in die Falle geraten.
"Er sackt schluchzend auf dem Boden zusammen, sie geht von ihm weg
und meint im Vorübergehen zu Nadine: 'Dicke, leg mir mal diesen Arsch
um.' Nadine visiert ihn im Profil an, mit ausgestrecktem Arm. Die Kugel
trifft ihn am Nasenansatz. Der Körper wird durchgeschüttelt, bleibt reglos
liegen. Er ergießt sich wie ein versehentlich aufgerissener Müllbeutel,
roter, glänzender Müll quillt aus ihm hervor."
Virginie Despentes, 1969 in Nancy geboren, erregte schon mit ihrem Debutroman "Die Unberührten" Aufsehen, der das Innenleben der Sexmafia von Lyon seziert. "Baise-moi" (= "Fick mich"), wie "Wölfe fangen" im bezeichnenden Original heisst, legt sogar noch einiges an pornografischen Ausführungen und Gewaltbildern dazu, die Autorin erzählt lakonisch, engagiert sich nicht für die von ihr erfundenen Figuren. Lässt sie durch die Städte und übers Land irren und im Dreck sterben. Findet so vielleicht eine Entsprechung zu jener Wirklichkeit, vor der sich keine Kamera mehr abwendet, und die übers Fernsehen allgegenwärtig und demnach alltäglich geworden ist.
Virginie
Despentes,: Baise-moi. Wölfe fangen, französ. Ausgabe. Roman. (Nouvelle
Generation). J'ai lu Nr.5294. 1999. 248 S. 18 cm.
ISBN: 2-290-05294-9,
- PETERSEN, HAMBURG; EDITIONS J'AI LU-
Zwei
Tage nachdem der Film "Baise-moi" in den französischen Kinos angelaufen
war, wurde er vom Staatsrat verboten und mit "X" klassifiziert: Erlaubt
nur noch in Pornokinos.
Das "Nationale Zentrum für Film" (CNC, eine Körperschaft des Kulturministeriums)
ist eigentlich für Altersfreigaben zuständig. Das CNC hatte "Baise-moi"
als Autorenfilm mit "frei ab 16" klassifiziert, in Frankreich zur Zeit
die höchste Altersbeschränkung. Das nun ein Film vom Staatsrat verboten
wurde nachdem ein Film schon angelaufen war, hatte es schon seit 20 Jahren
nicht mehr gegeben. Das Quasi-Verbot hat in Frankreich einen regelrechten
Kulturkampf ausgelöst. Der Verbotsantrag geht nämlich auf die Initiative
der Organisation "Promouvoir" zurück, die den rechtsextremen Parteien
nahe steht. Um in Zukunft zu verhindern, dass ambitionierte Autorenfilme
dem Porno-X zum Opfer fallen, wird das Kulturministerium die Freigaberichtlinien
revidieren. Für Filme wie "Baise-moi" soll die Beschränkung "ab 18" wieder
eingeführt werden.
Mehr zum Film bei CINEMA
http://www.cinema.de/archiv/themen/0008/baise_moi/
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