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In die Rolle einer anderen zu schlüpfen und wenn es ja auch nur die eigene Zwillingsschwester ist, ist nicht einfach und gleichzeitig die träge Idee der Story vom modernen doppelten Lottchen. Claudine ist Claudine bis sie sich umbringt, dann ist Pauline Claudine und keiner merkt was.
Claudine geht nach Paris, um von der großen Stadt einen ganzen Mund voll abzubeißen. Sie ist schön, etwas dumm, hat einen faszinierenden Arsch und beherrscht die Schlampen-Schliche, weil sie genau weiß, worauf Männer abfahren und will vor allem eins, gefallen. Zu mehr als einem Pornofilm bringt sie es nicht. Alles an ihrem Leben ist künstlich und oberflächlich, es spielt sich zwischen Sex und Tabletten ab. Irgendwann wirkt sie verloren. Weil sie unbedingt eine Platte machen will, aber nicht singen kann, soll Pauline für sie singen. Das tut sie und hat, weil sie begabt ist, als Claudine-Pauline Erfolg. Paulines misanthropisches Wesen steht vollkommen im Gegensatz zum exzessiven Verhalten Claudines, sie ist intelligent und hat einen Freund, den sie liebt.
Nach Claudines Tod nimmt sie deren Wohnung in Beschlag, läuft bald perfekt in Stöckelschuhen und verquickt zusehends ihre Persönlichkeit mit der Claudines. Jetzt entdeckt sie die schönen Dinge (Les jolies choses, so der Originaltitel), legt ihren Zynismus ab, lässt sich verführen. Zwei unterschiedliche Charaktere, die sich, wie soll es anders sein, doch im Grunde ähnlich sind.
Mit dem Aufstieg Paulines in der verlogenen Musikbranche, der brutalen Preisgabe ihres Körpers als Objekt, der Lust am Betrug, den Gängen in die Swingerclubs, den Enttäuschungen, beginnt auch die Geschichte ihre Mechanismen offen zu legen und sich im Kreis zu drehen. Aber vielleicht will sie das ja und den Leser immer stärker an ihre Protagonistin binden, um zu zeigen, hier geht es ja tatsächlich um etwas. Der Blick wird schamlos auf alles gerichtet, alle sind so unersättlich und obszön, dass die Produktion hinter ihrer klebrigen Authentizität doch nur ihre eigene Sentimentalität offenbaren kann: eine bange und hoffnungslose Suche nach Sinngebung und Liebe. Das Abbild einer zwiegespaltenen Frau von heute, die sich Unabhängigkeit und Macht erträumt und zugleich ihre Sehnsucht nach Zuneigung erfüllt sieht, hat ihre rebellische Vertreterin in Pauline.
Wie Ballast werden Normen und Werte abgeschüttelt zu Gunsten einer Marktlogik, in deren Gefüge die Teilnehmer einen sexuellen Daseinskampf führen. Man kennt das von Houellebecq, den Schönen gelingt alles, die Häßlichen müssen selber Hand anlegen. Aber Despentes ist viel ruhiger als ihr Kollege und wird kaum moralisch.
Sie schreibt drauflos, es gibt nichts was sie nicht in den Mund nimmt. Schnell, treffend, roh und ätzend formuliert sie ihre Gedanken. Da die Sprache wie gesprochen ist, hämmert sie noch schneller (und lustvoller) an einem vorbei. Sie sagt, ihre Texte, das wäre der in Buchform gebrachte Rap und Punk. Stimmt schon, im Französischen noch viel mehr. Wie sie ihre Umwelt beobachtet, Augen für das soziale Elend hat, hier einen Supermarkt, da das Leben auf den Pariser Trottoirs beschreibt, das ist durchaus (post-)naturalistische Gepflogenheit. Und damit hat sie doch eigentlich ganz berühmte Vorfahren. Wer ihren Stil nicht möge, höhnt sie, der muss sich klar machen, dass mehr sprächen wie sie, als wie die anderen. Da mag sie Recht haben und deshalb sollte man sie auch lesen, ehe sie zum Saison-Happening verkommt, womit wir wieder bei der Aussage Beigbeders angelangt wären.
Ja, gut so, Baby, jetzt komm nochmal.
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Danke.
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