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Wo sind wir, wenn wir schlafen? Was ist ein Versprechen wert? Warum
begehren wir? Sind die Dinge tatsächlich so, wie sie aussehen? Gehört
dieses eine Leben ganz sicher zu uns? Kennen wir unseren Tod? - Der niederländischen
Autorin Margriet de Moor, einer zierlichen Frau, wie man hört, ist
vor gewichtigen Fragen nie bange gewesen. Seit sie - vergleichsweise spät,
mit Mitte vierzig - zu Schreiben begonnen hat, sind ihre Geschichten diktiert
von einer Wissbegier, die zwar behände ihre Versuchsanordnungen aufbaut,
die Temperatur erhöht, auch eifrig beobachtet, wie etwas ins Reagieren
gerät, an Lösungen freilich nicht mehr interessiert ist. Kaltblütig
lässt diese Erzählerin ihren Leser sitzen; der sehe selber zu,
wie den Elementen beizukommen wäre. Diese Elemente haben in der Regel
Namen. Sie heißen zum Beispiel Vincent, Noor und Gemma.
"Nennen wir es mal die Geschichte einer Straße." So hebt
Margriet de Moors neuer Roman "Die Verabredung" an. Das Spiel beginnt -
zunächst sehr spielerisch; ich erzähle euch etwas, das könnte
auch ganz anders sein, verwechselt mal bloß die Erzählung nicht
mit dem Leben: dies ist die Haltung, sehr selbstbewusst, ein bisschen kokett,
da weiß eine, wie der postmoderne Hase der Illusionszerstörung
läuft. Das wird dann schnell anders, das Spiel wird ernst, todernst.
Also die "Geschichte einer Straße", denn "die Welt besteht
wahrhaftig nicht nur aus Geschöpfen mit Augen und Händen, das
weiß jeder", sondern auch aus einer Straße wie der Oude
Zeestraat, die auf ihrem scheinbar so harmlosen Verlauf vom Meer durch
die Hyazinthenfelder ins Binnenland buchstäblich Todesopfer fordert,
oder aus einem Kalenderchen, das der Tierarzt Vincent beim Abendspaziergang
auf dem Gehsteig findet, einer Frau aus der Tasche gefallen: "Was will
das Ding?" werden wir gefragt.
Willensfreiheit der Dinge hin oder her, dieser blaue Taschenkalender
lässt sich von Vincent finden, aufschlagen, er enthält seinen
Namen, eingetragen an einem bestimmten Tag, was kein Wunder ist, denn seine
Besitzerin hat eben einen Besuch beim Tierarzt vereinbart, doch Vincent
fiebert auf diesen Tag hin. Er weiß sofort, dass er die unbekannte
Herrin des Büchleins lieben wird, wenn er sie trifft. Im Ehebett neben
seiner Frau Noor liest er fasziniert die lapidaren Eintragungen geplanten
Alltags, Fliesenlieferung für den Balkon, Besuch des fast erwachsenen
Sohnes etc. "Wie papierdünn die Vergangenheit und wie unbeschrieben
die Zukunft, die wir doch alle angenehm und gut im voraus festlegen wollen!"
Sie heißt Gemma. Offenbar hat sie gerade auf ihn gewartet: die
Kinder aus dem Haus, der Mann auf längerem Geschäftsaufenthalt
im Ausland. Die Affäre beginnt im Frühling, und es ist klar,
wann sie endet: mit dem letzten Kalenderblatt, am Ende des Jahres. Komplikationen
bleiben aus. Noor glaubt ihrem Vincent die durchsichtigsten Ausreden, Gemmas
Ehemann kommt nicht überraschend früher zurück, keiner wird
Besitz ergreifend und eifersüchtig, es gibt keine Neider und keine
Nöte, Geld ist reichlich vorhanden, die Häuser sind schön.
Aber Gemma hat ihre Vergangenheit wie Vincent die seine. Ihre ist die
ihrer Familie, einer Blumenzüchterdynastie, von der sie allein übrig
blieb: die verrückt-vitale Schwester mit ihren Liebesgeschichten und
Geschichten über Liebe, verunglückt wie der hoffnungsvolle Bruder,
den sich die Straße nahm, die Eltern vor Kummer gestorben. Vincents
Vergangenheit ist seine Gegenwart: seine Ehe mit Noor, die nach dem wahren
Anlass für Vincents nächtliche Abwesenheiten nicht fragt. Sie
hat Grund dazu: "Die Abmachung zwischen ihr und ihrem Mann, versteckt,
nie ausgesprochen und dennoch, wie sie beide wussten, bindend. Dass er
sie sein Leben lang nicht betrügen würde. Und dass sie das glauben
würde."
Und damit ist ein verborgenes Thema ins Spiel gebracht, dessen Durchführung
große Teile dieser Partitur aus kalendarischer Chronologie, detailfreudigen
Rückblenden, stimmungsvollen Beschreibungen, fantastischen Intermezzi
und immer wieder vorwitzig eingestreutem Erzählerkommentar beansprucht
- und so diese Erzählung erst zum Roman macht: die Geschichte einer
Ehefrau, die wie im Traum, mit weit geschlossenen Augen durch ihr Leben
geht, die im Schlaf spricht und ihrem Mann blind vertraut auf Grund einer
mehr als zweifelhaften Erfahrung. Ohne diese Geschichte einer von tiefer
Verstörung nur scheinbar genesenen Frau wäre "Die Verabredung"
wenig mehr als eine mäßig originelle Liebesgeschichte rund um
die Fragen von Willensfreiheit, Schicksalsbindung und Sehnsucht nach dem
anderen Leben, eine Geschichte, wie Margriet de Moor sie in vielen ihrer
hoch beachtlichen Erzählungen bearbeitet hat.
"Ich träume also" heißt eine Sammlung dieser Erzählungen,
in denen Margriet de Moor den Versuchsverlauf vielleicht doch überzeugender
verdichtet als in ihren bisher vier Romanen. In der "Verabredung" sind
die Bestandteile des Experiments die Liebe und der Traum von der Liebe,
den jeder anders träumt - und die Gefahr, die Lebensgefahr, die all
diese Träume in einem Augenblick beenden könnte. "Oh, sei vorsichtig",
das ist der letzte Satz, den die Erzählerin ihrer gefährdetsten
Figur mit auf den Weg gibt. Ob er nicht zu spät kommt, wissen wir
nicht.
Julia Schröder
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Danke.
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