Margriet de Moor

Die Verabredung

Roman. Carl Hanser Verlag, München/Wien. ISBN: 3-446-19881-4

Margriet  de Moor: Die Verabredung

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Wo sind wir, wenn wir schlafen? Was ist ein Versprechen wert? Warum begehren wir? Sind die Dinge tatsächlich so, wie sie aussehen? Gehört dieses eine Leben ganz sicher zu uns? Kennen wir unseren Tod? - Der niederländischen Autorin Margriet de Moor, einer zierlichen Frau, wie man hört, ist vor gewichtigen Fragen nie bange gewesen. Seit sie - vergleichsweise spät, mit Mitte vierzig - zu Schreiben begonnen hat, sind ihre Geschichten diktiert von einer Wissbegier, die zwar behände ihre Versuchsanordnungen aufbaut, die Temperatur erhöht, auch eifrig beobachtet, wie etwas ins Reagieren gerät, an Lösungen freilich nicht mehr interessiert ist. Kaltblütig lässt diese Erzählerin ihren Leser sitzen; der sehe selber zu, wie den Elementen beizukommen wäre. Diese Elemente haben in der Regel Namen. Sie heißen zum Beispiel Vincent, Noor und Gemma.
"Nennen wir es mal die Geschichte einer Straße." So hebt Margriet de Moors neuer Roman "Die Verabredung" an. Das Spiel beginnt - zunächst sehr spielerisch; ich erzähle euch etwas, das könnte auch ganz anders sein, verwechselt mal bloß die Erzählung nicht mit dem Leben: dies ist die Haltung, sehr selbstbewusst, ein bisschen kokett, da weiß eine, wie der postmoderne Hase der Illusionszerstörung läuft. Das wird dann schnell anders, das Spiel wird ernst, todernst.
Also die "Geschichte einer Straße", denn "die Welt besteht wahrhaftig nicht nur aus Geschöpfen mit Augen und Händen, das weiß jeder", sondern auch aus einer Straße wie der Oude Zeestraat, die auf ihrem scheinbar so harmlosen Verlauf vom Meer durch die Hyazinthenfelder ins Binnenland buchstäblich Todesopfer fordert, oder aus einem Kalenderchen, das der Tierarzt Vincent beim Abendspaziergang auf dem Gehsteig findet, einer Frau aus der Tasche gefallen: "Was will das Ding?" werden wir gefragt.
Willensfreiheit der Dinge hin oder her, dieser blaue Taschenkalender lässt sich von Vincent finden, aufschlagen, er enthält seinen Namen, eingetragen an einem bestimmten Tag, was kein Wunder ist, denn seine Besitzerin hat eben einen Besuch beim Tierarzt vereinbart, doch Vincent fiebert auf diesen Tag hin. Er weiß sofort, dass er die unbekannte Herrin des Büchleins lieben wird, wenn er sie trifft. Im Ehebett neben seiner Frau Noor liest er fasziniert die lapidaren Eintragungen geplanten Alltags, Fliesenlieferung für den Balkon, Besuch des fast erwachsenen Sohnes etc. "Wie papierdünn die Vergangenheit und wie unbeschrieben die Zukunft, die wir doch alle angenehm und gut im voraus festlegen wollen!"
Sie heißt Gemma. Offenbar hat sie gerade auf ihn gewartet: die Kinder aus dem Haus, der Mann auf längerem Geschäftsaufenthalt im Ausland. Die Affäre beginnt im Frühling, und es ist klar, wann sie endet: mit dem letzten Kalenderblatt, am Ende des Jahres. Komplikationen bleiben aus. Noor glaubt ihrem Vincent die durchsichtigsten Ausreden, Gemmas Ehemann kommt nicht überraschend früher zurück, keiner wird Besitz ergreifend und eifersüchtig, es gibt keine Neider und keine Nöte, Geld ist reichlich vorhanden, die Häuser sind schön.
Aber Gemma hat ihre Vergangenheit wie Vincent die seine. Ihre ist die ihrer Familie, einer Blumenzüchterdynastie, von der sie allein übrig blieb: die verrückt-vitale Schwester mit ihren Liebesgeschichten und Geschichten über Liebe, verunglückt wie der hoffnungsvolle Bruder, den sich die Straße nahm, die Eltern vor Kummer gestorben. Vincents Vergangenheit ist seine Gegenwart: seine Ehe mit Noor, die nach dem wahren Anlass für Vincents nächtliche Abwesenheiten nicht fragt. Sie hat Grund dazu: "Die Abmachung zwischen ihr und ihrem Mann, versteckt, nie ausgesprochen und dennoch, wie sie beide wussten, bindend. Dass er sie sein Leben lang nicht betrügen würde. Und dass sie das glauben würde."
Und damit ist ein verborgenes Thema ins Spiel gebracht, dessen Durchführung große Teile dieser Partitur aus kalendarischer Chronologie, detailfreudigen Rückblenden, stimmungsvollen Beschreibungen, fantastischen Intermezzi und immer wieder vorwitzig eingestreutem Erzählerkommentar beansprucht - und so diese Erzählung erst zum Roman macht: die Geschichte einer Ehefrau, die wie im Traum, mit weit geschlossenen Augen durch ihr Leben geht, die im Schlaf spricht und ihrem Mann blind vertraut auf Grund einer mehr als zweifelhaften Erfahrung. Ohne diese Geschichte einer von tiefer Verstörung nur scheinbar genesenen Frau wäre "Die Verabredung" wenig mehr als eine mäßig originelle Liebesgeschichte rund um die Fragen von Willensfreiheit, Schicksalsbindung und Sehnsucht nach dem anderen Leben, eine Geschichte, wie Margriet de Moor sie in vielen ihrer hoch beachtlichen Erzählungen bearbeitet hat.
"Ich träume also" heißt eine Sammlung dieser Erzählungen, in denen Margriet de Moor den Versuchsverlauf vielleicht doch überzeugender verdichtet als in ihren bisher vier Romanen. In der "Verabredung" sind die Bestandteile des Experiments die Liebe und der Traum von der Liebe, den jeder anders träumt - und die Gefahr, die Lebensgefahr, die all diese Träume in einem Augenblick beenden könnte. "Oh, sei vorsichtig", das ist der letzte Satz, den die Erzählerin ihrer gefährdetsten Figur mit auf den Weg gibt. Ob er nicht zu spät kommt, wissen wir nicht.

Julia Schröder






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